Keine übertriebenen Anforderungen an die Architektenschlussrechnung in Verbindung mit Kostenermittlungsverfahren

01. August 1997von August 1997

BGH, Urteil vom 18.06.1998

- VII ZR 189/97 -BGH:


a) Anforderungen an die Prüfbarkeit einer Architektenschlussrechnung ergeben sich aus den Informations- und Kontrollinteressen des Auftraggebers. Diese bestimmen und begrenzen Umfang und Differenzierung der für die Prüfbarkeit erforderlichen Angaben der Schlussrechnung.

b) Die Anforderungen an Kostenermittlungen als Anknüpfungstatbestand für die Berechnung des Architektenhonorars müssen nicht die gleichen sein wie die an Kostenermittlungen, die als Architektenleistungen zu honorieren sind.

c) Für die Kostenermittlung im Zusammenhang mit der Rechnungsstellung ist für den konkreten Fall zu prüfen, was die berechtigten Informationsinteressen des Auftraggebers an Umfang und Differenzierung der Angaben erfordern.

d) Anforderungen an die Ermittlung der anrechenbaren Kosten dienen allein der Überprüfung der Rechnungsstellung. Für diesen Zweck genügt eine Aufstellung, aus der ersichtlich ist, ob und gegebenenfalls welche Kosten gemäß § 10 HOAI voll, gemindert oder gar nicht Grundlage der Honorarberechnung sein sollen. Tatbestand:Die Klägerin verlangt aus einem Architektenvertrag vom 9. Oktober/7. November 1993 restliches Honorar für Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8. Dieses hat sie mit Schlussrechnung vom 17. Juli 1995 und vom 28. Oktober 1996 in Rechnung gestellt. Aus der letzteren Schlussrechnung berechnet sie ihre Restforderung mit 64.558,72 DM zuzüglich Zinsen. Diese Forderung macht sie jetzt geltend. Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg, weil die Prüffähigkeit der Rechnungen verneint wurde. Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.I.

In Übereinstimmung mit dem Landgericht hält das Berufungsgericht die Klage mangels prüfbarer Schlussrechnung für derzeit unbegründet. Das gelte für beide Schlussrechnungen. Hinsichtlich der früheren Schlussrechnung vom 17. Juli 1995 folgt das Berufungsgericht ohne Ergänzungen der Auffassung des Landgerichts. Danach soll die Schlussrechnung deshalb nicht prüffähig sein, weil sie eine Aufgliederung nach einzelnen Gewerken vermissen lasse.

Auch die Rechnung vom 28. Oktober 1996 erfülle die Anforderungen nicht. Der Beklagte werde durch sie nicht in die Lage gesetzt, die Berechtigung der klägerischen Honorarforderung sachlich zu prüfen. Die Kostenberechnung sei in Kostengruppen aufgegliedert, diese Aufgliederung sei jedoch in Anbetracht der Besonderheit des streitgegenständlichen Bauvorhabens nicht ausreichend. Unter Punkt 3.1.2 bis 3.13 sei für Ausbauarbeiten ein Posten in Höhe von 363.869,- DM aufgeführt. Da es sich bei dem Bauvorhaben des Beklagten um die Modernisierung, den Umbau und die Instandsetzung eines Gebäudes handele, bestehe der größte Teil der auszuführenden Leistungen (konkret 68, 77 %) in Ausbauarbeiten. Da die Kostenberechnung grundsätzlich dazu diene, die angenäherten Gesamtkosten zu ermitteln und, sofern sie rechtzeitig erbracht werde, die Grundlage für die Entscheidung bilde, ob die Baumaßnahme wie geplant durchgeführt werden solle, könne sie ihre Aufgabe bei einem Umbauvorhaben nur dann erfüllen, wenn eine Aufteilung in die einzelnen Gewerke erfolge. Für den vorliegenden Fall gelte nichts anderes. Der Beklagte könne die Kosten für Ausbauarbeiten, die den Kern seines Bauvorhabens bildeten, nur dann nachprüfen, wenn diese Ausbauarbeiten in einzelne Gewerke untergliedert seien. Dies gelte um so mehr, als die Klägerin ihrer ersten Schlussrechnung der Abrechnung der Leistungsphasen 1 bis 4 eine nach Gewerken aufgegliederte Preisschätzung vom November 1992 zugrunde gelegt habe, die die Gesamtkosten in Höhe von 330.000,- DM einschließe. Dies zeige, dass gerade in der Kostengruppe Ausbauarbeiten größere Abweichungen der von der Klägerin zunächst geschätzten Kosten aufgetreten seien. Eine Überprüfung dieser Abweichungen und damit der anrechenbaren Kosten insgesamt werde durch die pauschalen Kosten der Darstellung für die Ausbauarbeiten verhindert.

Die Klägerin habe die beschriebenen Mängel der Kostenberechnung mit der Vorlage der nach einzelnen Gewerken aufgegliederten Aufstellung in der mündlichen Verhandlung zwar nachträglich beseitigt, diese Nachbesserung sei allein jedoch nicht geeignet, die Prüffähigkeit der Schlussrechnung herbeizuführen. Denn die Kostenfeststellung vom 28. Oktober 1996 bilde keine ausreichende Grundlage für die Erstellung einer prüffähigen Schlussrechnung. Die Darstellung müsse nämlich in ihrer Genauigkeit und Übersichtlichkeit dem Formblatt DIN 276 Teil 3 Anhang C (Kostenanschlag) entsprechen. Dabei sollten die Gesamtkosten nach Kostengruppen bis zur zweiten Ebene der Kostengliederung unterteilt werden, für Vergleiche und Auswertungen solle mindestens in die dritte Ebene gegangen werden. Da im vorliegenden Fall Einzelrechnungen der Bauunternehmer vorlägen, hätte die Klägerin keine unüberwindbaren Schwierigkeiten, ihre Darstellung bis in die dritte Ebene aufzugliedern. Die Klägerin habe sich jedoch in ihrer Darstellung auf die erste Ebene beschränkt, die allenfalls für eine Kostenschätzung ausreiche.

 II.

Dagegen wendet sich die Revision der Klägerin mit Erfolg. Das Berufungsgericht überspannt die Anforderungen, die hier an die Prüfbarkeit der Schlussrechnungen zu stellen sind.1. Wie das Berufungsgericht an sich nicht verkennt, ergeben sich die Anforderungen an die Prüfbarkeit einer Architektenschlussrechnung aus den Informations- und Kontroll-interessen des Auftraggebers. Diese bestimmen und begrenzen die Anforderungen an die Prüfbarkeit. Die Prüfbarkeit der Rechnung ist somit kein Selbstzweck (Senatsurteil vom 18. September 1997 - VII ZR 300/96 = BGHZ 136, 342 = BauR 1997, 1065 = ZfBR 1998, 25). Unter welchen Voraussetzungen eine Schlussrechnung als prüffähig angesehen werden kann, kann nicht abstrakt bestimmt werden. Die Anforderungen an die Prüffähigkeit hängen vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab (BGH, Urteil vom 9. Juni 1994 - VII ZR 87/93 = NJW-RR 1994, 1238 = BauR 1994, 655 ZfBR 1994, 219; BGH, Urteil vom 27. Oktober 1994 - VII ZR 217/93 = BGHZ 127, 254 = NJW 1995, 399 BauR 1995, 126 = ZfBR 1995, 73). Das Erfordernis der Prüffähigkeit soll den Auftraggeber in die Lage versetzen, die Rechnung zu prüfen und die Richtigkeit der einzelnen Ansätze zu beurteilen (BGH, Urteil vom 1. März 1990 - VII ZR 132/89 = NJW-RR 1990, 725 = BauR 1990, 382 = ZfBR 1990, 189 f; BGH, Urteil vom 9. Juni 1994 - VII ZR 87/93 = NJW-RR 1994, 1238 = BauR 1994, 655 = ZfBR 1994, 219; BGH, Urteil vom 27. Oktober 1994 - VII ZR 217/93 = BGHZ 127, 254 = NJW 1995, 399 BauR 1995, 126 = ZfBR 1995, 73). Dafür ist unter anderem der beiderseitige Kenntnisstand über die tatsächlichen und rechtlichen Umstände von Bedeutung, auf denen die Berechnung des Honorars beruht.a) Speziell für die der Rechnung beizufügende Kostenermittlung ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass die Anforderungen an Kostenermittlungen als Anknüpfungstatbestand für die Honorierung von Architektenleistungen (§ 10 HOAI) deshalb nicht notwendig die gleichen sein müssen, wie die an Kostenermittlungen, die als Architektenleistungen zu honorieren sind. So dient die Kostenfeststellung als zu honorierende Architektenleistung beispielsweise wesentlich auch der Kostendokumentation und der durch eine geordnete Dokumentation ermöglichten Analyse der Kostenstruktur, an der der Auftraggeber aus mancherlei Gründen, etwa zur Kontrolle der Architektenleistungen oder für das Bauwerk betreffende künftige wirtschaftliche Entscheidungen, ein berechtigtes Interesse haben kann. Mit Recht wird deshalb in der Literatur gefordert, dass die nach § 15 Abs. 2 Nr. 8 HOAI zu honorierende Kostenberechnung eine ausdifferenzierte Kostenanalyse erfordert, die sich als Grundlage für nach Sachlage gebotenen wirtschaftlichen Entscheidungen eignet und deren Fehlen Folgen für die sachliche Berechtigung des Honoraranspruchs haben kann.

b) Für die Kostenermittlung im Zusammenhang mit der Rechnungsstellung ist für den konkreten Fall zu prüfen, was die berechtigten Informationsinteressen des Auftraggebers an Umfang und Differenzierung der Angaben erfordern. Für die Prüfung der Rechnung werden die fraglichen Differenzierungen häufig nicht erforderlich sein. Das gilt vor allem für Differenzierungen, die sich tatbestandsmäßig nicht auf die anrechenbaren Kosten auswirken.2. Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze nicht beachtet. Es stellt abstrakte, nicht auf den Einzelfall bezogene Anforderungen. Es prüft nicht die konkreten Informationsinteressen und es hat auch nicht berücksichtigt, dass die Informationsinteressen zum Zweck der Rechnungsprüfung sich nicht mit den verschiedenen, nach § 15 Abs. 2 HOAI zu vergütenden Kostenermittlungen decken. Anforderungen an die Ermittlung der anrechenbaren Kosten dienen allein der Überprüfung der Rechnungsstellung. Für diesen Zweck genügt eine Aufstellung, aus der ersichtlich ist, ob und gegebenenfalls welche Kosten gemäß § 10 HOAI voll, gemindert oder gar nicht Grundlage der Honorarberechnung sein sollen.

Hiervon unabhängig hat das Berufungsgericht übersehen, dass die angegebenen anrechenbaren Kosten unstreitig in dieser Höhe vom Beklagten gezahlt worden sind. Somit konnte der Beklagte sich unschwer aus eigenen Unterlagen über die Richtigkeit und Zusammensetzung dieses Ansatzes unterrichten.

Im Gegensatz zu den Ergebnissen des Berufungsgerichts war deshalb schon die erste Schlussrechnung der Klägerin prüfbar, ohne dass es auf Einzelheiten ankommt, die das Berufungsgericht herausgestellt hat. III.

Das Berufungsurteil kann daher nicht bestehen bleiben, es ist aufzuheben. Da weitere Feststellungen, insbesondere zu den geltend gemachten Gegenforderungen, erforderlich sind, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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