Kündigungsschutz auch im Kleinbetrieb

01. Juni 2001von be, Juni 2001

Arbeitgeber G. wendet sich an die Rechtsberatung der Architektenkammer NW und schildert folgendes Problem:

"Ich bin Inhaber eines Architekturbüros und beschäftige derzeit vier Angestellte. Aufgrund starken Auftrags- und Umsatzrückgangs sehe ich mich gezwungen, einem meiner Angestellten aus betrieblichen Gründen zu kündigen. Das Kündigungsschutzgesetz findet, soviel ich weiß, für mein Büro keine Anwendung, da ich derzeit weniger als fünf Arbeitnehmer beschäftige. Ich habe aber gehört, dass ich dennoch bei der Auswahl des zu kündigenden Angestellten einen bestimmten Kündigungsschutz zu beachten habe. Ist dies zutreffend?"

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber im Fall der Kündigung unter mehreren Arbeitnehmern ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme auch dann einzuhalten, wenn das Kündigungsschutzgesetz in einem Kleinbetrieb mit fünf oder weniger als fünf Arbeitnehmern keine Anwendung findet (vgl. u.a. BAG, BB 2001, 1683).
Der Arbeitnehmer soll vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen geschützt werden. Soweit unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen ist, gebietet der verfassungsrechtliche Schutz des Arbeitsplatzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme. Ein aufgrund langjähriger Mitarbeit des Arbeitnehmers entstandenes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses darf nicht unberücksichtigt bleiben. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Grundsätze des Kündigungsschutzgesetzes über die Sozialauswahl dabei etwa entsprechend anwendbar sind. Die Auswahl des Arbeitgebers kann durch das Gericht nur darauf überprüft werden, ob sie unter Berücksichtigung der Belange des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes und Abwägung der Interessen des Arbeitgebers an der Kündigung gegen Treu und Glauben verstößt.
Als Arbeitgeber sind Sie daher verpflichtet, Ihre Auswahlentscheidung nach vernünftigen, sachlichen und billigendes Ermessen wahrenden Gesichtspunkten zu treffen. Ist beispielsweise nach den Sozialdaten wie Alter, Beschäftigungsdauer und Familienstand evident, dass Sie als Arbeitgeber einen jüngeren und kürzer beschäftigten (also erheblich weniger schutzbedürftigen), aber vergleichbaren Bauzeichner als den ausgewählten Bauzeichner weiterbeschäftigen, so spricht dies zunächst einmal dafür, dass Sie als Arbeitgeber das erforderliche Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme außer Acht gelassen haben. Die Kündigung ist deshalb nach § 242 BGB treuwidrig. Sie müssen als Arbeitgeber Ihre Auswahlüberlegungen gut begründen können. Im Zweifelfall muss vor Gericht ausgeführt werden, welche betrieblichen, persönlichen und sonstigen Gründe Sie dazu bewogen haben, einen auf den ersten Blick sozial schutzbedürftigeren Arbeitnehmer zu entlassen. Eine Kündigung, die diesen Anforderungen nicht entspricht, verstößt gegen Treu und Glauben und ist damit unwirksam.

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