Rechtstipp: Haftung des Architekten für eigenmächtige Überzahlungen durch den Bauherren

31. Mai 2006von pe, 31.05.2006

Architekt A. wendet sich an die Architektenkammer NRW und bittet um Rechtsauskunft zu folgendem Problem: 

„Bei der Rechnungsprüfung im Rahmen der Leistungsphase 8 des § 15 HOAI habe ich die Rechnung des Dachdeckers über 40.000 € nur in Höhe von 20.000 € freigegeben, da erhebliche Mängel an der Werkleistung bestanden. Dennoch hat der Bauherr über diesen freigegebenen Betrag hinaus den gesamten Rechnungsbetrag über 40.000 € an den Dachdecker überwiesen. Nach Erhalt der Zahlung ist das Handwerksunternehmen insolvent geworden.

Wegen der Mängel am Dach möchte der Bauherr nunmehr mich in Höhe von 8.000 € in Anspruch nehmen, da er mir Fehler im Rahmen der Bauleitung vorwirft. Dies habe ich verweigert, da ohne die ‚voreilige’ Zahlung an das Bauunternehmen der Schaden nicht entstanden wäre - der Bauherr hätte sich in voller Höhe aus dem zurückbehaltenen Betrag befriedigen können. Wie ist die Rechtslage? 

Die Rechtslage ist in derartigen Fällen nicht eindeutig.

Festzuhalten ist, dass ein Architekt, dem eine fehlerhafte Bauleitung vorgeworfen werden kann, und das bauausführende Unternehmen, das Mängel schuldhaft verursacht hat, dem Bauherrn gegenüber als Gesamtschuldner haften. Dem Bauherrn steht es grundsätzlich frei, wen er in Anspruch nimmt. Richtet der Bauherr seine Ansprüche gegen den Architekten, so hat dieser in der Regel die Möglichkeit, beim Bauunternehmen Rückgriff zu nehmen.

Hier besteht die Besonderheit darin, dass der Bauherr sich über die Erklärung des Architekten zur Freigabe der Rechnung hinweggesetzt hat und einen höheren Betrag ausgezahlt hat. Nach Auffassung des OLG Brandenburg (Urteil vom 14.12.2005, AZ 4 U 167/99) ist es einem Bauherrn in einem solchen Fall verwehrt, den Architekten in Anspruch nehmen. Darin läge ein treuwidriges Verhalten. „Denn der Bauherr hat dadurch, dass er über die von dem Architekten freigegebenen Beträge hinaus Zahlungen an das Bauunternehmen geleistet hat, dem Architekten die Möglichkeit verwehrt, auf Mängeleinbehalte hinzuwirken und damit – zumindest mittelbar – auch der Entstehung eventueller Schadensersatzansprüche wegen in dem Bauwerk verkörperten Mängeln des Architektenwerks entgegenzuwirken.

“Anzumerken ist, dass diese Entscheidung des OLG Brandenburg einer Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 06.01.2005 (Az: 27 U 267/03) widerspricht. Hiernach resultiere aus dem Umstand der Gesamtschuld zwischen Architekt und Handwerker, dass es dem Bauherrn frei stehe, wen er in Anspruch nehme. Der auf Schadensersatz in Anspruch genommene Architekt könne dem Bauherrn in der Regel nicht entgegenhalten, dass dieser Sicherheiten, die von dem anderen Gesamtschuldner (hier dem Bauunternehmen) gestellt waren, freigegeben habe.  

Praxisempfehlung

Die Rechtslage ist in derartigen Fällen bisher nicht höchstrichterlich geklärt. Insbesondere der vom OLG Brandenburg herangezogene Grundsatz der Treuwidrigkeit bedarf jeweils der Auslegung anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls.

Der Bauherr sollte im Rahmen von Freigabeerklärungen auf die rechtlichen Konsequenzen hingewiesen werden, um ihm das Risiko einer Überzahlung an den Bauunternehmer deutlich zu machen.

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