Überwachungspflicht bei einfachen handwerklichen Tätigkeiten

09. November 2018von Dr. Volker Steves

Architektin A. wendet sich an die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und bittet um Beantwortung folgender Rechtsfrage: Wie weit geht meine baubegleitende Überprüfungspflicht? Muss ich etwa auch bei Parkettverlegearbeiten ständig auf der Baustelle sein, um den Handwerker bei Erstellung seines Gewerkes zu überwachen?

Die Antwort lautet: Nein, sofern Sie die Zuverlässigkeit und die Qualität des ausführenden Unternehmens einschätzen können (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 25.01.2018 – 10 U 780/17, IBR 2018, S. 212 f.).

Wird der Architekt mit der Leistungsphase 8 beauftragt, dann schuldet er u.a. die Überwachung der Ausführung des Objektes auf Übereinstimmung mit der öffentlich-rechtlichen Genehmigung oder Zustimmung, den Verträgen mit ausführenden Unternehmen, den Ausführungsunterlagen, den einschlägigen Vorschriften sowie mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik.

Der Umfang und die Intensität der Überwachungspflicht hängen von der Komplexität des konkreten Gewerkes und den jeweiligen Umständen ab. Je komplexer und gefahrenträchtiger das konkrete Gewerk ist, desto intensiver und engmaschiger muss der Architekt den Bauunternehmer bei der Erstellung seines Gewerkes überwachen. Bei einfachen Arbeiten wie z.B. Malerarbeiten (OLG Dresden, IBR 2011, S. 283), Trockenbauarbeiten oder das Errichten einer Klärgrube (OLG Braunschweig, VersR 1974, S. 436) ist eine Überwachung nicht erforderlich. Diese Arbeiten stellen „handwerkliche Selbstverständlichkeiten“ dar, hinsichtlich derer der Architekt davon ausgehen kann, dass der Handwerker diese beherrscht.

Der Architekt muss eine Einschätzung der Qualität des Handwerkers vornehmen

Allerdings muss der Architekt vor der Bauausführung eine Einschätzung der Zuverlässigkeit und Qualität des Handwerkers vornehmen können (OLG Rostock, IBR 2009, S. 527; OLG Dresden a.a.O.). Fällt diese positiv aus, dann kann sich der Architekt darauf beschränken, die erforderlichen Rahmenbedingungen und die Grundvoraussetzungen für das konkrete Gewerk zu überprüfen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.04.2016 – 5 U 135/14).

Anders verhält es sich, wenn das konkrete Gewerk zwar keine besondere Schwierigkeit aufweist, ein Mangel an ihm jedoch zu massiven Folgeschäden führen kann. Das Gleiche gilt für Gewerke, welche nach ihrer Fertigstellung nur sehr aufwändig auf ihre Mangelhaftigkeit hin überprüft werden können –  weil z.B. das Gewerk durch sich zeitlich unmittelbar anschließende weitere Arbeitsschritte verdeckt wird (vgl. hierzu OLG Schleswig, Urteil vom 6.07.1999, BauR 2001, S. 1286).

In diesen Fällen muss sich der Architekt durch Stichproben während der Erstellung des Gewerkes von dessen Mangelfreiheit überzeugen (vgl. BGH, BauR 1971, S. 131; Locher/Koeble/Frik, Kommentar zur HOAI, 13. Auflage, § 34 Rdnr. 243). Die reduzierte Überwachungspflicht entbindet den Architekten nicht von seiner Überprüfungspflicht des fertig gestellten Gewerkes. Spätestens anlässlich der (technischen) Abnahme muss er sich von der Qualität und der Mangelfreiheit des Gewerkes überzeugen.

Parkett-Verlegearbeiten wurden von dem Oberlandesgericht Dresden (a.a.O.) als „einfache handwerkliche Tätigkeiten“ qualifiziert, die „nicht baubegleitend überwachungspflichtig“ seien. Außerdem seien sie - anders als etwa „später verdeckte Rohrleitungen“, aus denen gefährliche Stoffe austreten können – auch nach Fertigstellung ohne Weiteres zugänglich, und von ihnen gingen auch keine Gefahren aus. Der Architekt müsse daher den Parkettverleger, dessen Zuverlässigkeit und Qualität er einschätzen könne, nicht bei der Erstellung seines Gewerkes überwachen.  

Praxistipp

Der Architekt sollte zunächst sorgfältig prüfen, ob es sich bei dem konkreten Gewerk um eine „handwerkliche Selbstverständlichkeit“ handelt. Wie stets sind hier die besonderen Umstände zu berücksichtigen. Eine pauschale Kategorisierung verbietet sich. Sodann sollte er sicherstellen, dass er das Gewerk auch nach seiner Fertigstellung noch ohne großen Aufwand auf Mangelfreiheit überprüfen und ein Mangel am Gewerk nicht zu erheblichen Folgeschäden führen kann. Nur wenn alle diese Voraussetzungen vorliegen und der Architekt zudem die Zuverlässigkeit des Handwerkers einzuschätzen vermag, kann er sich auf die Überprüfung der Rahmenbedingungen und Grundvoraussetzungen für das konkrete Gewerk sowie auf die Kontrolle des Gewerkes nach dessen Fertigstellung beschränken.    

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