Internationaler Architektenkongress der AKNW vom 15. - 19. Juni auf Usedom

Architektenkongress: Planen und Bauen für die Gesellschaft

Der internationale Architektenkongress der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, der vom 15. bis zum 19. Juni auf Usedom stattfand, warf gesellschaftspolitische Fragestellungen auf, die zum Einen das grundsätzliche Selbstverständnis von Architektinnen und Architekten betrafen, zum Anderen aber auch tagesaktuelle Bedeutung besaßen.

14. Juli 2005von Frank Maier-Solgk

Welche Rolle spielt Architektur innerhalb gesellschaftlicher Prozesse? Ist sie deren Reflex oder kann sie Entwicklungen mit beeinflussen? Kann Architektur aus der Geschichte lernen und worin besteht ihr Beitrag zu unserer Kultur insgesamt? Welche Perspektiven bestehen für die Zukunft unserer Städte? Und vor allem: Wie läßt sich qualitativ hochwertige Baukultur auch zukünftig in der Gesellschaft sichern? - Der internationale Architektenkongress der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, der vom 15. bis zum 19. Juni auf Usedom stattfand, warf gesellschaftspolitische Fragestellungen auf, die zum Einen das grundsätzliche Selbstverständnis von Architektinnen und Architekten betrafen, zum Anderen aber auch tagesaktuelle Bedeutung besaßen - vor dem Hintergrund der Diskussionen um die Beibehaltung der Honorarordnung, um die EU-Dienstleistungsrichtlinie und die Gründung der Bundesstiftung Baukultur. Hochrangige Referenten aus Politik und Kirche, Wissenschaft und Architektur, Verwaltung und Wirtschaft lieferten Beiträge zu einer wertorientierten Grundsatzdebatte, bei der eine stärkere Ansprache und Einbindung der Öffentlichkeit als eine der Bedingungen für Baukultur ausgemacht wurde.„Architekten sind nicht nur für ihre jeweiligen Auftraggeber tätig, sondern erbringen mit ihrer Arbeit immer auch eine Leistung für die Gesellschaft.“ Mit dieser programmatischen Aussage führte Hartmut Miksch, der Präsident der Architektenkammer NRW, die rund 320 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in das Kongressthema ein. Die Verantwortung, die der Architekt für die Gesellschaft trage, sei integraler Bestandteil des Berufsbildes. Der Kongress solle deshalb zu einer Wertedebatte beitragen, in der die gesellschaftliche Rolle der Architektinnen und Architekten öffentlich zu reflektieren sei.

Im Hinblick auf die derzeit diskutierte EU-Dienstleistungsrichtlinie betonte Miksch die Notwendigkeit, zwischen den Interessen der Verbraucher und denen der Architektenschaft die Balance zu halten. „Wir sind nicht gegen einen offenen Dienstleistungsmarkt“, so Miksch, allerdings gehe die Arbeit der Architekten über die reine Dienstleistung hinaus. Um die Qualität der Architektenleistungen dauerhaft zu sichern, sei ein qualifiziertes Studium unverzichtbar. Insofern gefährde die Einführung von 6-semestrigen Bachelorstudiengängen das bestehende, international anerkannte hohe Niveau der Architektenausbildung in Deutschland.  

Bundesstiftung Baukultur 

Auf anderer Ebene sei auch die geplante Bundesstiftung Baukultur ein wichtiger Schritt, um die Baukultur in Deutschland voran zu bringen. Angesichts der gesamtstaatlichen Aufgabe der Stiftung sei die ablehnende Haltung der Bundesländer, die die Zuständigkeit für sich beanspruchen, sehr zu bedauern.Auch Tilo Braune, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, befürwortete ausdrücklich die beabsichtigte Stiftung Baukultur.

„Architektur ist für uns ein nationales Markenzeichen für den Standort Deutschland und wichtiger Exportfaktor.“ Die Bundesregierung habe den Stellenwert der Architektur mit verschiedenen Förderprogrammen wie zum Beispiel dem Programm„Stadtumbau Ost“ unterstrichen. Auch die viel diskutierte „Abschaffung der HOAI“ sei inzwischen „vom Tisch“, so Braune. Eine Evaluierung werde in der nächsten Zeit erfolgen, der „Kernbestand“ der Regelung, der sich auf die geistig-schöpferische Leistung der Architekten bezieht, sei auch für die Zukunft sicher. In den nächsten Jahren steht nach Braune vor allem eine Neujustierung des Verhältnisses von privatem und öffentlichem Bauen auf der Agenda.

 Verantwortungsvoller Umgang mit dem demografischen Wandel

Dr. Michael Vesper, der kurz vor dem Kongress zum Vizepräsidenten des nordrhein-westfälischen Landtags gewählt worden war, begann seine Rede mit einem Rückblick auf seine zehnjährige Amtszeit als Minister für Bauen und Wohnen in NRW. Stichworte waren u. a. kosten- und flächensparendes Bauen, die Vereinfachung der Landesbauordnung, Novellierung des Baukammerngesetzes und das Programm „Stadtumbau West“. Vesper betonte: „NRW ist noch nicht zu Ende gebaut“. Auch die Initiative „StadtBauKultur“ mit ihren 60 einzelnen Programmen müsse aktiv weitergeführt werden. Der scheidende Minister wies auf das Problem der Leerstände insbesondere im Einzelhandel hin, ferner auf die bestehenden innerstädtischen Brachflächen und die drängende Frage des Umgangs mit dem Bestand angesichts eines Bevölkerungsrückgangs von rund einer Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen.

Eindringlich unterstrich Vesper die Bedeutung von Wettbewerben. Sie eröffneten Chancen besonders für junge Architekten und trügen insgesamt entscheidend zur Baukultur bei. „Wir brauchen Architektenwettbewerbe, um Kreativität zu bewahren.“ Vesper appellierte an die Architektenschaft, sich stärker in gesellschaftliche Debatten einzuschalten: „Architekten sind zu leise und zu zurückhaltend in der Öffentlichkeit.“ Der neue Landtagsvizepräsident sagte zu, sich auch im neuen Amt „aktiv und interessiert“ für Fragen des Städtebaus und der Architektur zu engagieren.

„Kultur des Kümmerns“ etablieren

Professor Klaus Landfried, ehemaliger Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, unternahm in seinem Vortrag eine weit angelegte tour d’horizon durch alte und neue Wertediskussionen – von Albert Schweizer bis zu Marion Gräfin Dönhoff. Obwohl das Nachdenken über Werte heute wieder Konjunktur zu haben scheine, meinte Landfried, sei es angesichts eines zunehmend egoistischen Verhaltens in Wirtschaft und Politik notwendiger denn je, an eine von kultureller Bildung und humanistischer Menschlichkeit getragenen Ethik als Basis verantwortlichen Handelns zu appellieren. Ein solcher Rekurs auf die persönliche Haltung jedes Einzelnen bedürfe allerdings einer fundierten Bildung, und „Bildung ist die Schwester der Ausbildung“, bemerkte der ehemalige Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Landfried forderte eine neue „Kultur des Kümmerns“, in der sich jeder Einzelne für bestimmte Themen oder Aufgaben verantwortlich fühlen müsse - aus eigenem Impuls. 

Architektur und Ethik

Wie kulturelle, tradierte Werte innerhalb städtischer Umfelder ihren konkreten Niederschlag finden, war das Thema des Referats von Manfred Kock, dem früheren Präses der evangelischen Kirche. Kock entwarf ein an der antiken Polis orientiertes Bild der Stadt als Organismus, der zu seinem sozialen Zusammenhalt nicht nur technisch organisierter Bedürfnisbefriedigung bedürfe, sondern ein „Wir-Bewußtsein“ benötige. Angesichts von Verelendungssymptomen, sozialen Deklassierungs- und Desintegrationsphänomenen in unseren Städten auf der einen, einer „Egozentrik des Konsums“ auf der anderen Seite, erinnerte Kock an Kirchen als kulturell geprägte Orte, die Möglichkeiten für seelisches Erleben bieten und damit als sichtbares Beispiel für eine „heilende Unterbrechung des Alltags“ in den Städten stehen. Kirchenbauten hielten die Erinnerung an einen gemeinsamen Kult wach und seien Stätten, an denen Humanität sichtbare Gestalt annehme – nach Kock eine notwendige Bedingung für die Menschlichkeit unserer Städte.Zukunft der Stadt

Die Stadt als ethisches System war auch das Thema von Prof. Carl Fingerhuth. Der Züricher Architekt stellte die Frage nach der Zukunft der Stadt und betonte dabei, die Stadt sei ein System, das aus einer Vielzahl von Kommunikationsbahnen bestehe und für das ferner die Unterscheidung öffentlich - privat wesentlich sei. Alle Städte wiesen hierarchische Strukturen auf, die sich auf der Zeitachse ständig transformierten, erläuterte Fingerhuth. Wichtig sei es, die Stadtentwicklung nicht nur funktional-technisch, sondern auch „ästhetisch und spirituell“ zu gestalten, empfahl Fingerhuth. Dazu bedürfe es einer Architektenschaft, die zum gesellschaftlichen Dialog fähig ist und frühzeitig Bedürfnisse in der Gesellschaft aufzuspüren vermag. An konkreten Maßnahmen zur Sicherung der Baukultur nannte Fingerhuth Wettbewerbe und Gestaltungsbeiräte. 

Architektur und Geschichte

„Aus der Geschichte lernen?“ Unter dieser Fragestellung untersuchte Michael Wolffsohn, Professor für Neuere Geschichte in München, das deutsch-jüdische Verhältnis und leitete aus dieser Betrachtung auch Lehren für die Stadt, die Stadtentwicklung und die Architektenschaft ab.Jüngste Beispiele für jüdische Achitektur in Berlin wie das Jüdische Museum von Daniel Libeskind und das Holocaust-Denkmal von Peter Eisenman seien, so Wolffsohn, symptomatisch für die Problematik einer „Erinnerungsarchitektur“, die stets zwischen ästhetischen und politischen Ansprüchen laviere. Auch ein Rückblick auf die allgemeine Vergangenheitsbewältigung von Deutschen und Juden der letzten Jahrzehnte zeigt nach Wolffsohn die Ambivalenz einer Politik, die jeweils aus der Geschichte gelernt haben will: Deutschland und Israel hätten – etwa in ihrer Einstellung zum Begriff der Nation – keineswegs die gleichen Lehren aus der Geschichte gezogen. Daraus folgt für Wolffsohn: Für ein Lernen aus der Geschichte im wirklichen Sinn wäre eine umfassendere, verschiedene Kulturen berücksichtigende Perspektive erforderlich. Die beste Voraussetzung hierfür biete eine verantwortungsvolle bürgerliche Gesellschaft, die nicht nur am Eigeninteresse orientiert ist, sondern sich für öffentliche Belange einsetze. Als Beispiel nannte Wolffsohn sein privates Engagement bei der Sanierung der Gartenstadt Atlantic in Berlin. 

Mit der Geschichte Bauen

Peter Kulka (Köln) lenkte in seinem Vortrag die Aufmerksamkeit auf zwei häufig übersehene Aspekte der Entstehung von Architektur: die persönliche Bildungsgeschichte des jeweiligen Architekten und die Geschichte des jeweiligen Bauortes. Realisierte Objekte wie der Landtag in Dresden oder das Haus der Stille in Meschede dienten Kulka als anschauliches Beispiel für den sensiblen Umgang mit dem Ort und seiner Geschichte: Transparenz und Offenheit an einem Ort, an dem über Jahrzehnte die Meinungsfreiheit unterdrückt wurde, Geschlossenheit und Selbstbezogenheit für ein Haus, das die Tradition der Kontemplation und Weltentsagung fortführt. „Der sensible Umgang mit der jeweiligen Örtlichkeit und ihrer Baugeschichte ist vielleicht die entscheidende Voraussetzung für architektonisch überzeugende Lösungen“, betonte Kulka.

Architektur und Wirtschaft 

Für ein aktives Gestalten trat auch Prof. Rüdiger Pohl (Martin-Luther Universität Halle) ein - wenn auch auf einer anderen Ebene. Der Wirtschaftswissenschaftler arbeitete in seinem Vortrag anschaulich heraus, dass auch in der Ökonomie der gesellschaftliche Wertekanon eine entscheidende Rolle spiele. Die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands ist nach Auffassung von Rüdiger Pohl kein unvermeidbares, von außen determiniertes Schicksal, sondern lässt sich durchaus positiv korrigieren - sofern die gesellschaftlichen Parameter entsprechend gestaltet würden.

Die Entwicklung der deutschen Wirtschaft werde u. a. gehemmt durch hohe Sozialleistungen, schlechte demographische Perspektiven und hohe Produktionskosten. „Das alles sind Faktoren, die wir gemeinsam im gesellschaftlichen Konsens so gesetzt haben“, betonte Pohl. Um heute die Globalisierung als Chance zu begreifen, helfe nur ein „Wandel des Gesellschaftsbildes“. Dieser Wandel bedeute inhaltlich eine Abkehr von Werten wie Solidarität und Verteilungsgerechtigkeit hin zu mehr Eigenvorsorge und Eigenverantwortlichkeit.
 Wirtschaftsfaktor Architekturqualität

Die ökonomischen Aspekte von Architektur beschäftigten auch Prof. Arno Lederer. „Architektur ist kein Luxus für eine Gesellschaft, sondern stellt einen konkreten Wert dar, der die Gesellschaft in mehrfacher Hinsicht bereichert - kulturell und ökonomisch!“ Ausgehend von diesem Postulat machte der Stuttgarter Architekt deutlich, dass qualitätvolle Architektur für jeden Auftraggeber einen wichtigen Wirtschaftsfaktor darstelle. Gute Architektur sei solide und technisch dauerhaft nutzbar, sie schaffe Wohn- bzw. Arbeitszufriedenheit und erhöhe die Produktivität und könne als ästhetische Attraktion einen hohen Imagefaktor bilden. Hierbei seien, wie Lederer betonte, die Leistungen von Architekten grundsätzlich als Gesamtpaket zu begreifen, das den Entwurf und die Ausführung umfasst. Design und Solidität seien Qualitäten, deren wirtschaftlicher Mehrwert oft erst langfristig erkennbar werde. Lederer hob hervor, dass qualitätvolle Architektur nicht teuer sein müsse. Anhand verschiedener Beispiele aus seinem Werk, etwa dem Umbau des Schauspielhauses in Stuttgart, machte der Architekturprofessor deutlich, wie eine geschickte Planung auch mit geringem finanziellen Aufwand zu einem dauerhaften Imageerfolg führen könne. Kreativität und Fachkompetenz, eine intensive Planung und enge Abstimmung mit allen Beteiligten seien die Grundsteine für eine solche Arbeitsweise. 

Architektur und Kultur

Wo jedoch finden heute junge Architekten die baulichen Herausforderungen, die sie zu einer auch gesellschaftlich relevanten Architektur führt? Die Architektur einer Zeit, so die Ausgangsthese von Dietmar Steiner, dem Leiter des Architekturzentrums Wien, ist immer Teil der generellen gesellschaftlichen Entwicklung. Architektur bringe keine Entwicklung in Gang, sondern bilde diese ab. Die heutige internationale Architektur befinde sich in einem Übergangsstadium, diagnostizierte Steiner. Nach der Ideologie- und Theorielastigkeit der 80er und 90er Jahre, nach der Dominanz der Stararchitekten um die Wende zum neuen Jahrtausend sei heute eine Tendenz zum Design und zum erhöhten Vermarktungsdruck zu erkennen. „Die Gesetze der Mediengesellschaft zu kennen und zu instrumentalisieren, wird immer wichtiger.“ Angesichts eines Verlustes an Seriosität und an verbindlichen Kriterien für qualitativ hochwertige Architektur müsse die Frage gestellt werden, wo die Zukunft der Architektur liege. „Es ist eine Chance, dass so viele junge Menschen heute Architektur studieren“, meinte Steiner. Dies lasse auf einen Aufbruch hoffen, da viele junge Kolleginnen und Kollegen mit innovativen Ideen und auch mit sozialem Engagement Bereitschaft zeigten, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und jenseits des Standards neue Aufgaben zu übernehmen, neue Impulse zu geben.  Planen und Bauen als Utopie

Bauen und Planen stehen nach Professor Stephan Braunfels (München) vor allem dann vor Problemen, wenn großmaßstäbliche städtebauliche Lösungen avisiert werden. Braunfels präsentierte eine Reihe prominenter historischer Beispiele, von der barocken Stadtbaukunst (wie sie in Michelangelos Capitol oder dem Markusplatz in Venedig ihren grandiosen Niederschlag gefunden hat) bis zu zeitgenössischen öffentlichen Räumen wie Schlossplatz, Spreebogen und Kulturforum in Berlin oder dem Museumsbezirk der Münchner Pinakothek. Erfolgreiche stadtplanerische Lösungen, so Braunfels, seien in der Geschichte oft einem Gewaltakt entsprungen. Heute hingegen sei die Aufgabe, Plätze und Straßen in Innenstädten einem Leitplan entsprechend  zu entwerfen, so Braunfels, „eine Utopie“. Entscheidend für die alltägliche Baukultur der Stadt sei heute ein Bauen, dass auf die Zwischenräume abzielt.
Podiumsdiskussion auf dem Internationalen Architektenkongress 
Durchbruch für die Baukultur?

Am Ende des zweiten Kongresstages stand eine Podiumsdiskussion zum Thema „Durchbruch für die Baukultur - aber wie?“ Die Debatte, die von Jürgen zur Heide (Journalist) moderiert wurde, stand unter dem Eindruck der aktuellen Meldung, dass der Bundesrat die Einrichtung der Stiftung Baukultur erneut abgelehnt hatte.„Wir müssen die Bürger noch stärker für Architektur interessieren“, erklärte Kammerpräsident Hartmut Miksch. Je höher der Informationsstand der Menschen sei, desto größer werde auch der Druck auf die Politik, das Thema Baukultur auf Bundesebene zu installieren. Professor Karl Ganser vertrat den Ansatz, Baukultur können nur über ein neues Verständnis von Planungskultur erreicht werden. Im Hinblick auf die marktliberale Position von Professor Pohl meinte Ganser, eine völlige Liberalisierung des Marktes würde vielleicht die Zahl der Bauaufträge erhöhen, nicht aber notwendigerweise die Baukultur. Diese sei am ehesten gewährleistet, wenn Bürger frühzeitig an Planungsprozessen beteiligt wären. Ganser plädierte für ein neues Verständnis von Planungsprozessen, für die weniger detaillierte Bauvorschriften als vielmehr ein Denken in Alternativen nötig sei: Obligatorisch sollte sein, stets Alternativen zum jeweiligen Investor, zur Baumasse und zum Standort zu entwickeln.Francesca Ferguson aus Berlin, erfolgreiche Kuratorin des deutschen Beitrags zur Biennale in Venedig, sieht vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen die Schwerpunkte der Tätigkeit gerade vieler jüngerer Architekten in Marktnischen, die es zu entdecken gelte. Es gebe eine junge Generation von Architekten, die aufgrund der schlechten Auftragslage sich mehr und mehr auf andere Tätigkeitsfelder begäben - zum Beispiel Kooperationen mit Galerien und privaten Initiativen eingingen, Netzwerke bildeten, leere Geschäfte anmieteten, Resträume bespielten und häufig Ideen für temporäre Nutzungen von öffentlichen Räumen entwickelten. Zur Baukultur gehöre auch eine Kultur der partnerschaftlichen Projektentwicklung, meinte Rolf Fehr von der Entwicklungsgesellschaft Innenhafen Duisburg. Bei der Entwicklung des Innenhafens habe es ein weithin gelungenes Zusammenspiel von öffentlicher und privater Investition gegeben. „Das Duisburger Großprojekt Innenhafen hat gezeigt, dass die  öffentliche Hand nach wie vor unverzichtbar ist“, so Fehr. Alle derzeitigen Investionen in Duisburg erfolgten jedoch von privater Seite; die Wettbewerbskultur sei hoch entwickelt, für jedes Investitionsprojekt werde ein eigener Wettbewerb ausgeschrieben.

Staatssekretär Tilo Braune vertrat zur Diskussion über die geplante Stiftung Baukultur die von der Auffassung der Länder abweichende Meinung, dass Baukultur umfassend zu verstehen sei und auch Planungsverfahren miteinbeziehe. PPP-Modelle seien im Einzelfall zu überprüfen, wobei die öffentliche Hand aber nach wie vor die Verantwortung nicht nur über Vertriebskosten, sondern auch über die Bauqualität behalten müsse. Eine unabhängige Kontrollinstanz über Qualität sei erforderlich, um eine „Amerikanisierung“ im Baubereich zu verhindern.Im Hinblick auf die erhofften öffentlichen Architekturdebatten wies Michael Vesper darauf hin, dass in der Diskussion um Architekturqualität immer zu beachten sei, dass Bauen und die Meinungen darüber abhängig seien von Raum und Zeit. Die Kölner Domplatte sei seinerzeit als Muster demokratischen Bauens gefeiert worden. Grundsätzlich sei seitens des Staates, wie das Beispiel des Duisburger Innenhafens zeige, eine Konzentration auf einige wenige Projekte erforderlich. AKNW-Vizepräsident Dr. Christian Schramm betonte in seinen Schlussbemerkungen zum Kongress, der gemeinsame Einsatz für die Baukultur dürfe nicht nachlassen. Der Internationale Architektenkongress der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen sei nicht nur für die Teilnehmer eine Bereicherung gewesen, sondern werde auch der Architektenkammer „als Kompass für die berufspolitische Arbeit“ dienen.

Teilen via