Bundesverwaltungsgericht: § 13b BauGB verstößt gegen europäisches Recht
Einem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) nach dürfen Freiflächen am Ortsrand einer Gemeinde nicht im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1 BauGB überplant werden, da dies mit Unionsrecht unvereinbar sei. Gegenstand der Rechtssache war ein Bebauungsplan, der im beschleunigten Verfahren nach § 13b des Baugesetzbuchs (BauGB) und somit ohne Umweltprüfung aufgestellt worden war.
Historie des § 13b BauGB
Eingeführt wurde der § 13b BauGB im Jahr 2017 im Zuge der starken Fluchtbewegungen nach Deutschland zur schnellen Bereitstellung von neuem Wohnraum. Die Intention des Bundesgesetzgebers war die Schaffung eines Instrumentes, das die Ausweisung von Wohnbauland vereinfacht und beschleunigt. Das Verfahren nach § 13 b BauGB war insbesondere für die Anwendung solcher Fälle gedacht, in denen Innenentwicklungspotenziale ausgeschöpft oder nicht generierbar sind. Die Regelung lief zunächst zum Ende des Jahres 2019 aus, wurde im Rahmen der BauGB-Novelle 2021 aber durch das „Baulandmobilisierungsgesetz“ verlängert und galt damit für bis zum 31.12.2022 förmlich eingeleitete Planaufstellungsverfahren.
Was regelt § 13b BauGB?
§ 13b BauGB regelt ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren für Bebauungspläne im Außenbereich gem. § 35 BauGB. Städte und Gemeinden können nach § 13b BauGB bei der Entwicklung von Bebauungsplänen auch Flächen bis zu 10.000 Quadratmeter aus dem Außenbereich, die sich unmittelbar an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen, mit einbeziehen. Das war sonst nur mit einer Flächennutzungsplanänderung und einer aufwändigen Umweltprüfung möglich.
Kritik am § 13b BauGB
„Die Regelung durch § 13b BauGB war von Beginn an in Berufs- und Fachplanerkreisen umstritten“, erklärt Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. „Durch die Vorschrift können neue Baugebiete für Wohnnutzung an den Randflächen des Siedlungsraumes im vereinfachten Verfahren in Außenbereichsgebieten ohne Umweltprüfung und ohne Ausgleichsmaßnahmen ausgewiesen werden.“ Die von Beginn an kritische Haltung von mehreren Kammern, Fach- und Berufsverbänden hat sich auch in der Praxis bestätigt: Mehrere jüngere Untersuchungen der kommunalen Spitzenverbände sowie des Umweltbundesamtes (UBA) bestätigen inzwischen, dass insbesondere in den süddeutschen Bundesländern der § 13b BauGB vorwiegend für die Ausweisung von nicht verdichteten Wohngebieten genutzt wurde. Dies betreffe vor allem kleinere, ländlich geprägte Gemeinden, die die Regelung hauptsächlich für kleinere Bauvorhaben mit geringer Dichte nutzen.
Nach Schätzung des Naturschutzbundes (NABU) werden in Deutschland – etwa für Gewerbegebiete und Häuser – täglich rund 55 Hektar verbraucht. Demnach steht viel Flächenverbrauch wenig Linderung der Wohnungsnot gegenüber. „Dies steht im deutlichen Widerspruch zum erklärten Ziel der Stadtentwicklung nach dem Prinzip ‚Innen- vor Außenentwicklung‘ und läuft dem Ziel zuwider, sparsam mit dem wertvollen und endlichen Gut ‚Boden‘ umzugehen“, stellt AKNW-Präsident Uhing klar.
Das aktuelle Urteil
Das Bundesverwaltungsgericht hat nun mit Urteil vom 18.07.2023 – (BVerwG 4 CN 3.) entschieden, dass der § 13b BauGB mit Art. 3 Abs. 1 und 5 der Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie) unvereinbar ist. Damit dürfen keine Bebauungspläne mehr nach dieser Vorschrift erlassen werden. U.a. wird im Urteil angeführt, dass § 13b BauGB unionsrechtswidrig und deswegen nicht anwendbar sei, weil er die Überplanung von Außenbereichsflächen auf der Grundlage einer unzulässigen Typisierung ohne Umweltprüfung zuließe.
Mögliche Rechtsfolgen
Zunächst erklärt das Urteil des BVerwG allein den verfahrensgegenständlichen Bebauungsplan für unwirksam. Allerdings dürfte der Befund der Unionsrechtswidrigkeit aufgrund des unionsrechtlichen Vorrangs Präjudizwirkung für sämtliche Bebauungsplanverfahren nach § 13b BauGB entfalten. Dabei muss zwischen den Auswirkungen auf laufende und abgeschlossene Planverfahren unterschieden werden:
Laufende Planverfahren
Laufende Planverfahren müssen infolge der Entscheidung nun voraussichtlich entweder eingestellt oder auf ein Vollverfahren umgestellt werden. Hierbei müssten demnach Verfahrensschritte wie die Durchführung der Umweltprüfung und die Erstellung des Umweltberichtes gem. §§ 1 ff. BauGB nachgeholt und an die Planung angepasst werden. Eine Beteiligung wäre erneut durchzuführen.
Abgeschlossene Planverfahren
Anders sieht es mit bereits abgeschlossenen Verfahren aus. Hier müssen Gemeinden zunächst prüfen, ob der Bebau-ungsplan infolge der Aufstellung nach § 13b BauGB formelle oder materielle Fehler nach § 214 BauGB aufweist, und ob diese zum Zwecke des Planerhalts im ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB behoben werden können.
Ferner legt die Pressemitteilung zum Urteil nahe, dass bei Bebauungsplänen, die nach § 13b BauGB aufgestellt wurden und innerhalb der einjährigen Frist nicht im Sinne des § 215 Abs.1 BauGB gerügt wurden, die betreffenden Fehler nach § 214 BauGB als unbeachtlich einzustufen sein könnten - und der Bebauungsplan somit wirksam bliebe.
Sollte sich hingegen die Unwirksamkeit des zu betrachtenden Bebauungsplanes ergeben, so ist er infolgedessen auf-zuheben, und die planungsrechtliche Beurteilung ergibt sich nach § 34 bzw. § 35 BauGB.
Fazit
„Die Regelung des § 13b BauGB ist ohnehin Ende 2022 ausgelaufen. Aus unserer Sicht sollte die Anwendung des § 13b BauGB nun der Geschichte angehören“, so AKNW-Präsident Ernst Uhing. „Denn was wir sehen, ist, dass nach wie vor insbesondere kleinere bis mittelgroße Kommunen mit der bevorzugten Neuausweisung von Einfamilienhausgebieten in den Randzonen der Städte oder auf dem Land die Grundzüge einer nachhaltigen und klimaschonenden Planung konterkarieren.“
Das Ziel müsse weiterhin der verantwortungsvolle, flächensparende Umgang mit Grund und Boden sein. Dies sei nur durch eine qualitätvolle Nachverdichtung und dem Bauen im Bestand im Sinne einer dreifachen Innenentwicklung möglich. „Dafür setzt sich die AKNW auch immer wieder ein“, bekräftigt Uhing.
Handlungsempfehlungen
Ausführliche Informationen zu den Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juli 2023 (4 CN 3.22) zu § 13b des Baugesetzbuchs sowie vorläufige Handlungsempfehlungen stellt das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) unter folgendem Link zur Verfügung:
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