Deutliche Preissteigerung bei Baumaterialien
Architektinnen und Architekten spüren es derzeit hautnah: Baumaterialien wie Stahl, Holz oder Dämmstoffe werden – sofern sie überhaupt zeitnah auf dem Markt verfügbar sind - deutlich teurer. Eine wesentliche Ursache ist das Pandemie-bedingte Herunterfahren der Produktionskapazitäten von weltweit gehandelten Baustoffen und – so eine Veröffentlichung der Bauwirtschaft Baden-Württemberg e.V. (https://bauwirtschaft-bw.de/) - das „nichtsynchrone Hochfahren der Kapazitäten entsprechend der Nachfrageentwicklung“.
Die „Deutsche Handwerkszeitung“ meldet, dass Baustellen Stillstand drohe. In einem Artikel des „Handwerksblattes“ heißt es: Wer jetzt baue, müsse sich auf Preisgleitklauseln einstellen und mit Verzögerungen rechnen.
Für den Bereich der Bundesbauten hat das zuständige Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) einen Erlass (abrufbar hier) herausgegeben, aus dem sich ergibt, dass sich auch öffentliche Auftraggeber mittlerweile gezwungen sehen, Preisgleitklauseln unter bestimmten Voraussetzungen zu akzeptieren.
Wie aber stellt sich die Situation aus Sicht der Planerinnen und Planer dar?
I. Aktuelle Lage
Die Preise für Fichten- und Tannenschnittholz steigen seit einigen Monaten sehr stark an, wie sich auf DESTATIS sehr gut nachvollziehen lässt. Auch der Preis für gesägtes und gehobeltes Holz erhöhte sich stark, ebenso lassen sich hohe Steigerungen bei Bitumen aus Erdöl oder Betonstahl in Stäben warmgewalzt feststellen. Bei einem Blick auf die längerfristige Preisentwicklung von global gehandelten Baustoffen (Stahl, erdölbasierte Produkte wie Bitumen oder Dämmstoffe) zeigt sich insgesamt eine hohe Volatilität.
Die Corona-Pandemie ist doppelt für die Preissteigerung verantwortlich: Zum einen gab es im ersten Halbjahr einen Nachfrageeinbruch, weshalb die Produktionskapazitäten heruntergefahren wurden. Zum anderen sprang im dritten Quartal die Konjunktur in China kräftig an. Das Hochverfahren der Produktionskapazitäten konnte mit der chinesischen Nachfragesteigerung indes nicht mithalten, so die Bauwirtschafts-Analyse. China wurde zum Beispiel vom Stahlexporteur zum Stahlimporteur. Als weiteres Beispiel werden Holzprodukte genannt. Pandemiebedingt waren Sägewerke in den USA geschlossen. Dies führte dazu, dass die USA Schnittholz exportiert. Hinzu traten großflächige Waldbrände, langfristige Lieferabkommen mit China und ein erhöhter Bedarf, mit Holz zu bauen.
II. Auswirkungen für Architektinnen und Architekten
Auch für Architektinnen und Architekten haben die Preissteigerungen Auswirkungen: Einerseits gehört die laufende Kostenkontrolle und entsprechende Beratung des Bauherrn zu den Nebenpflichten eines Architekten bzw. einer Architektin (BGH, Urt. v. 23.01.1997 - VII ZR 171/95). Andererseits ist bei Kostenermittlungen vom Kostenstand zum Zeitpunkt der Ermittlung auszugehen: Aus reinen marktbedingten Preissteigerungen ergeben sich keine Anhaltspunkte für Fehler von Kostenermittlungen (Seifert/Fuchs, in: Fuchs/Berger/Seifert, § 4 HOAI Rn. 51).
Vertreten wird, dass sich für Materialpreissteigerungen die Verantwortung des Architekten darauf beschränkt, den Bauherrn unverzüglich auf eine Überschreitung des Gesamtkostenrahmens hinzuweisen (Prause, DAB 2017, 36). In diesen Fällen ist eine eventuelle Kostenobergrenze für die Kostengruppe 300 und der Gesamtkostenrahmen entsprechend anzupassen. Wünscht der Auftraggeber stattdessen eine Umplanung, um Kosteneinsparungen zu erzielen, ist § 10 HOAI zu beachten (Prause, DAB 2017, 36; auch online: „Die Kostenbremse kann teuer werden“).
III. Auswirkungen für Bauunternehmen und Handwerker
Bereits in der Vergangenheit änderten sich je nach Marktlage die Stahl- oder Kupferpreise innerhalb der Bauzeit zum Teil gravierend (Kimmich/Bach, VOB für Bauleiter, E.II.3.). Neben Auftragnehmern forderten auch Baustahllieferanten gegenüber ihren Vertragspartnern oftmals
eine Vertragspreisanpassung wegen „Störung der Geschäftsgrundlage“, wenn es zu solchen Preiserhöhungen kam. Das OLG Hamburg (Urt. v. 28.12.2005 – 14 U 124/05 (nachfolgend BGH, Beschl. v. 23.11.2006 – VII ZR 55/06 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)) und das OLG Düsseldorf (Urt. v. 19.12.2008 – 23 U 48/08) lehnten jeweils bei den streitgegenständlichen Fallkonstellationen eine Preisanpassung u. a. mit der Begründung ab, der Auftragnehmer hätte sich ja vorausschauend eindecken oder Preisgleitklauseln vereinbaren können. Die eingetretenen Preiserhöhungen fielen in den Risikobereich des Auftragnehmers. Dieser Auffassung wird in der Literatur teilweise dahingehend entgegengetreten, dass eine Entwicklung plötzlich und für alle überraschend eintreten kann; „vorausschauend“ ist dann nichts zu sehen (Kapellmann, in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B, § 2 Rn. 506). Nach dieser Auffassung soll auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen sein: Wenn Baustahl lediglich 10 Prozent der Gesamtkosten bei einem Generalunternehmer ausmache, sähe die Situation anders aus als bei einem reinen Stahlbauer, der einen Großauftrag abwickele.
IV. Keine Rechtsberatung und Rechtsgestaltung durch Architektinnen und Architekten
Für den Bauunternehmer ist es also sehr schwierig, nach Vertragsschluss eingetretene Preissteigerungen an den Bauherrn weiterzugeben. Dies ist auch auf Unternehmensseite hinlänglich bekannt (vgl. Pressemitteilung Verband baugewerblicher Unternehmer Hessen (BGVHT) v. 30.03.2021) und durch den eingangs der Meldung erwähnten Erlass des BMI noch einmal dokumentiert. Da die frühzeitige Bevorratung mit Material umgekehrt ebenfalls für viele Unternehmen kaum zu bewerkstelligen ist, versuchen diese derzeit verstärkt, bei neu abzuschließenden Verträgen von vornherein Preisanpassungsklauseln zu implementieren – und lehnen anderenfalls bisweilen den Vertragsschluss vollständig ab, sofern nicht alternativ entsprechende Risikoaufschläge auf die Preise akzeptiert werden. Preisanpassungsklauseln zu prüfen oder gar zu formulieren, ist aber auch in dieser schwierigen Marktlage nicht Aufgabe von Planerinnen und Planern, sondern Aufgabe anwaltlicher Vertragsgestaltung: So müssen die Voraussetzungen und der Mechanismus der Preisanpassung juristisch präzise und nachprüfbar formuliert sein, wobei überwiegend auf fest definierte Indizes als Bezugspunkt verwiesen und die exakte kalkulatorische Auswirkung auf die jeweilige Preisposition festgelegt wird. Zudem wird zumeist auch die Pflicht des Unternehmers aufgenommen, nachzuweisen, dass die Mehrkosten nicht nur nach jener abstrakten Formel, sondern auch tatsächlich konkret im Unternehmen entstanden sind.
Um hier nicht in das Risiko unzulässiger und unversicherter Rechtsberatung zu geraten, empfiehlt es sich daher dringend, Bauherren bei Fragen zur Gestaltung solch komplexer Klauseln – wie auch bei der Prüfung von Preisanpassungsverlangen des Unternehmers in laufenden Vertragsverhältnissen – auf anwaltliche Hilfe zu verweisen (vgl. Kerkhoff, DABOnline „Rechtsberatung durch Architekten“ dort: „Erstellen und Prüfen von Bauverträgen“). Zu bedenken ist im Übrigen, dass die Umsetzung einer solchen Klausel später die Rechnungsprüfung wesentlich erschweren und dazu führen kann, dass baubetriebswirtschaftliche Prüfungen bzw. Nachtragsprüfungen erforderlich werden, die nicht zu den Grundleistungen in der Objektplanung zählen, sondern Besondere Leistungen darstellen und unter Umständen die Hinzuziehung eines Sachverständigen erforderlich machen könnten. Auch vor diesem Hintergrund sind derartige Klauseln aus Bauherrensicht zumeist wenig wünschenswert.
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