Vorsitzende von Planungsbeiräten und Dezernenten trafen sich zum Austausch im Haus der Architekten

Gestaltungsbeiräte: Holländische Zauberformel?

Bereits zum vierten Mal hatte die Architektenkammer NRW Mitte Juni die Planungs- und Gestaltungsbeiräte in Nordrhein-Westfalen und die Vertreter der Städte zu einem Erfahrungsaustausch in das Haus der Architekten eingeladen. Diesjähriger Diskussionsschwerpunkt war die Auseinandersetzung mit Gestaltungsprinzipien der Niederlande.

23. Juni 2009von Herbert Lintz

Kurz vor den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen bot sich damit die Gelegenheit, auf die Arbeit einer Legislaturperiode zurückzublicken und sich unter der Moderation des Bielefelder Architekten Klaus Beck auf neue kommunalpolitische Vorgaben und Überlegungen nach der Wahl vorzubereiten.

„Wir müssen eine dauerhafte Akzeptanz für die Planungs- und Gestaltungsbeiräte bei den Kommunen schaffen“, forderte AKNW-Vizepräsident Michael Arns gleich zu Beginn. Er bekräftigte das Anliegen der Kammer, im politischen Umfeld für Planungs- und Gestaltungsbeiräte als Instanzen der Baukultur zu werben. „Wir stehen vor einem gewaltigen Umbaubedarf, weil fast überall die Einwohnerzahlen schrumpfen und die Bürger immer älter werden. Die Bestände müssen barrierefrei werden, zudem muss die große Mehrheit des Baubestandes für die Anforderungen des Klimaschutzes umgerüstet werden“, fasste Arns die Probleme zusammen, vor denen die Kommunen in Nordrhein-Westfalen stehen.

Ausdrücklich griff der Vizepräsident der AKNW Forderungen von NRW-Bauminister Lutz Lienenkämper nach einer Stadt auf, die mit einem harmonischen Miteinander von gebauter und gewachsener Umwelt hohe ästhetische Qualitäten bieten solle. Lienenkämper hatte eine Woche zuvor auf dem Internationalen Architektenkongress die „schöne Stadt“ postuliert. Arns begrüßte den erklärten Willen des Landes, weiterhin eine aktive und qualitätvolle Städtebau- und Stadtumbaupolitik zu betreiben.

Impulse aus den Niederlanden

Ein viel zitiertes Beispiel für eine umfassende Qualitätssicherung im Architektur und Städtebau sind die Niederlande. Um einen Impuls aus dem Nachbarland aufzunehmen, hatte die Kammer den Stadtsoziologen Hans Hoorn eingeladen. Hoorn war Direktionsmitglied des Stadtentwicklungsamtes in Maastricht und wirkt heute in verschiedenen „Welstands-Commissies“ in den Niederlanden. Diese Stadtgestaltungskommissionen, oft auch Kommissionen für räumliche Qualität genannt, beruhen auf gesetzlichen Regelungen mit langer Tradition. Regeln, um die Stadt gegen Verunstaltung zu schützen, gab es in den Niederlanden schon seit dem 14. Jahrhundert, vor 100 Jahren entstanden dann die „Schoonheidscommissies“. Nachdem vor einigen Jahren Kritik an den Kommissionen laut wurde, besteht aktuell die Möglichkeit, dass sich Gemeinden insgesamt oder für Teilgebiete „stadtgestaltungsfrei“ erklären. Dennoch sind weiterhin 130 Stadtgestaltungskommissionen in den Niederlanden tätig, wobei sich ihre Aufgaben erweitert haben. War die Arbeit vormals insbesondere darauf ausgerichtet, in Bauantragsverfahren zu beurteilen, ob der Antrag mit „angemessenen Anforderungen“ der Stadtgestaltung einhergeht, übernehmen die Gremien jetzt auch Empfehlungen zum Städtebau oder zu den öffentlichen Räumen und sind vielfach mit Denkmalschutzkommissionen verbunden.

Die Städte in den Niederlanden sehen sich im Wettbewerb um Attraktivität, erläuterte Hoorn und verriet seine „Zauberformel“ für den Erfolg. Für eine gut gestaltete Stadt mit hoher Aufenthaltsqualität brauche man Masterpläne und den „Städtebau als planerischen Regisseur“. Der Holländer forderte „Leadership in der Kommunalpolitik und Politiker, die Kopf und Kragen riskieren.“ Attraktive Städte bedürfen nach Auffassung von Hoorn einer starken Politik mit Visionen und dem Selbstbewusstsein, im Zweifel bei einem Investor auch Nein sagen zu können. „Ohne guten Städtebau kann keine gute Architektur entstehen.“

Gesetzliche Regelungen wie in den Niederlanden sind in Nordrhein-Westfalen allerdings nicht vorstellbar, war dann doch die überwiegende Meinung der Teilnehmer des Erfahrungsaustausches. Immerhin bestehe in Deutschland ein sehr gutes städtebauliches Instrumentarium, flankiert durch bauordnungsrechtliche Satzungsbefugnisse.

Planungs- und Gestaltungsbeiräte als Berater für die Politik

Sehr viel wichtiger sei es für die Planungs- und Gestaltungsbeiräte, sich als Berater für die Politik zu empfehlen und zu etablieren. Die Gremien müssten von der lokalen Politik ausdrücklich gewollt sein und sich das Vertrauen der Politik erarbeiten. Dabei tritt - so die Praxiserfahrung in den NRW-Gestaltungsbeiräten - dann in den Hintergrund, ob Politiker Mitglied des Beirates sind oder nicht. Zu dieser Frage haben sich für die kommunalen Beiräte verschiedene Modelle bewährt. „Politiker müssen schon deshalb in den Entscheidungsprozess einbezogen werden, weil sie am Schluss das weitere Vorgehen zu vertreten haben. Sie sind diejenigen, die das Votum des Gestaltungsbeirates in die Fraktionen tragen müssen“, fasste Michael Arns die Diskussion zusammen.

Vereinzelt werden bedeutende Vorhaben den Beiräten vorenthalten, „um die Investoren nicht zu verschrecken“, wie es ein Teilnehmer formulierte. Stattdessen werden untergeordnete Fragestellungen in das Gremium eingebracht. In anderen Städten hingegen ist man an der Meinung des Beirats gerade zu Bebauungsplänen und wichtigen städtebaulichen Fragestellungen sehr interessiert. Auf jeden Fall muss jedes städtische Vorhaben in den Beirat, waren sich die Teilnehmer einig, auch diejenigen, die von städtischen Tochtergesellschaften oder in PPP-Verfahren entwickelt werden.

Die Empfehlungen der Planungsbeiräte können nur dann eine hohe Akzeptanz erfahren, wenn die Vorhaben frühzeitig in den örtlichen Gestaltungsbeirat gegeben werden, bevor sich Planungsideen verfestigt haben. Ein respektvoller Umgang mit den Kollegen müsse dabei selbstverständlich sein. Der Vorwurf eines „Tribunals“ - oder wie Hans Hoorn genüsslich eine holländische Architekturzeitschrift zitierte, „der Hybridisierung zwischen Pastor und Inquisitor“ - hätte die holländischen Kommissionen zeitweise in Verruf gebracht und müsse unbedingt vermieden werden.

Allgemeinverbindliche Beurteilungskriterien vonnöten

Baukultur ist ein sich ständig wandelnder Begriff und bedarf der Konkretisierung. Dabei gilt es, allgemeinverbindliche Beurteilungskriterien zu definieren, die gestalterische Qualität greifbar und vermittelbar machen. In den Niederlanden gibt es solche Kriterien, die hilfreich für die Gespräche mit Architekten, Bauherrn und Politik sind. Die Kriterien zielen auf den Zusammenhang zwischen dem Gebäude und seiner Umgebung, der Maßstäblichkeit und der Ausgewogenheit zwischen Form, Funktion und Konstruktion. Die offenen Begriffe wurden von den Teilnehmern als hinreichend angesehen, weil sie geeignet sind, eine lebendige Baukultur zuzulassen, die ein breites Spektrum verschiedenster gestalterischer Lösungen möglich macht.

„Unternehmen Sie als Kommission einen Stadtrundgang mit Ihren Politikern und zeigen Sie auf, welches Projekt bauliche Qualität hat und welches nicht. Das überzeugt“, lautete der abschließende Rat des niederländischen Stadtsoziologen Hans Hoorn. Mit Blick auf die Kommunalwahlen in NRW waren sich die Teilnehmer des Erfahrungsaustausches im Haus der Architekten einig, dass die Frage, wie die Politik es mit der Baukultur hält, ein wesentlicher Wahlbaustein für die Kommunalwahl sein müsse.

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