Kommentar: Gute Impulse – mit Risiko
Der Landtag NRW hat am 26. Oktober die Änderung der Landesbauordnung für Nordrhein-Westfalen beschlossen. Welche Neuerungen bringt dies mit sich? - ein Kommentar des AKNW-Präsidiums.
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Landtag NRW hat am 26. Oktober (in dritter Lesung) die Änderung der Landesbauordnung für Nordrhein-Westfalen beschlossen. Wir hatten uns intensiv in die Beratungen eingebracht, und wir stellen fest: Die künftige Bauordnung ist durchaus Ausdruck von Innovationsbereitschaft für wichtige Aufgabenfelder des Bauens - etwa zur weiteren Digitalisierung, für mehr Ökologie, für schnellere Verfahren. Sie kann damit einen Beitrag zur Dämpfung der Baukosten leisten.
So können Bauanträge künftig immer digital gestellt werden, auch wenn sie nicht über das Bauportal des Landes eingereicht werden. Die Abkehr von dem sogenannten Schrifterfordernis ist ein wichtiger Schritt, um die Verfahren zu beschleunigen. Wichtig ist nun, dass intensiv für den Anschluss der Bauordnungsbehörden an das Bauportal NRW geworben wird. Sonst zerfasert die begrüßenswerte Idee, Schnittstellen zu zentralisieren.
Wichtig ist, dass die Implementierung regenerativer Energien erleichtert wird. Die Einführung einer Solarpflicht ist nach unserer Einschätzung ein großer Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit im Bausektor. Besonders förderlich ist der Verzicht auf einen vorgegebenen Abstand von Solarmodulen zum Nachbarn. Auch die Privilegierung von Wärmepumpen, die nun auch in den Abstandsflächen zum Nachbarn aufgestellt werden dürfen, fördert die Ökologisierung des Bauens. Besonders freigiebig wird zukünftig in NRW der Bau von Antennen und Sendeanlagen behandelt. Für uns Architektinnen und Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten sowie Stadtplanerinnen und Stadtplaner ist das aber auch eine planerische Herausforderung; denn nachhaltig ist eine Architektur nur dann, wenn sie auch baukulturell hohen Ansprüchen genügt. Darauf wird zu achten sein.
Grundsätzlich hätten wir uns für den Klimaschutz beim Bauen allerdings ein noch stärkeres Engagement gewünscht. So haben wir vorgeschlagen, für jedes Bauvorhaben eine Ökobilanz verpflichtend zu machen. Durch die Einbeziehung der „grauen Energie“ würden endlich auch die „Klimakosten“ des Planens und Bauens in Investitionsentscheidungen einfließen, und Bauherren hätten die Chance erhalten, echte Nachhaltigkeit zu beauftragen. Wir fordern weiterhin: Klimaneutrales Bauen darf nicht mehr verhandelbar sein, ähnlich wie der Brandschutz oder die Standsicherheit!
Was die neue NRW-Bauordnung insgesamt prägt, ist eine Reduzierung des Prüfaufwands im Baugenehmigungsverfahren. Es entfällt die Prüfung für vieles, was zum baukulturellen Anspruch von Städten und Gemeinden gehört: beispielsweise die Gestaltung von Freiräumen, Werbeanlagen und Parkplätzen. Das Instrument der Genehmigungsfreistellung wird für Wohngebäude auf die Gebäudeklasse 4 erweitert. In Gebieten mit Bebauungsplänen kann dann bis knapp unter die Hochhausgrenze ohne Baugenehmigung gebaut werden.
Wir stellen fest: Wer derart tief in gewohnte Prozesse und Schutzmechanismen eingreift, ist bereit zum Risiko. Es wird sich zeigen, ob es sinnvoll ist, anstelle der Genehmigung einer Planung demnächst fertiggestellte Bauwerke zu kontrollieren. Die Behörden werden durch die neue Bauordnung stärker repressiv tätig werden müssen. Die neue Landesbauordnung überträgt insgesamt mehr Verantwortung auf die Bauvorlageberechtigten. Wir halten es deshalb weiterhin für einen Fehler, dass künftig auch bestimmte Handwerksmeister die „kleine Bauvorlageberechtigung“ erhalten werden.
Die Architektinnen und Architekten in Nordrhein-Westfalen sind nun doppelt gefordert: Als Antragsteller auf der einen und Genehmigungsbehörde auf der anderen Seite des Tisches müssen wir uns auf umfassende Änderungen einstellen. Ihre Architektenkammer NRW wird Sie wie gewohnt unterstützen und umfassende Fortbildungen anbieten.
Die neue Landesbauordnung wird zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Für Ihre Vorbereitung darauf werden wir aktuelle Hinweise auf unserer Homepage veröffentlichen.
Zum Jahresende sehen wir: Es geht voran. Die nordrhein-westfälische Architektenschaft wird gerne daran mitwirken, das Planen und Bauen im kommenden Jahr schneller, nachhaltiger und mit dem Mut zu Innovationen zu gestalten! In diesem Sinne wünschen wir Ihnen einen besinnlichen Jahresausklang, eine schöne Advents- und Weihnachtszeit und einen guten Übergang ins neue Jahr!
Mit kollegialen Grüßen
Ihr Präsidium der AKNW
Ernst Uhing
Susanne Crayen
Katja Domschky
Klaus Brüggenolte
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