Nach Pisa: Plädoyer für bessere Lernorte

Kommentar: Nach Pisa - Plädoyer für bessere Lernorte

Neue Formen des Unterrichts ändern auch den Raumbedarf in den Schulen. Veränderungen in der Schuldidaktik wurden aber auf baulicher Ebene bisher kaum nachvollzogen. Unabhängig von Fragen des Sanie-rungsstaus an den Schulen und anderen Hemmnissen ist es an uns, den Architektinnen und Architekten, räumliche Konzepte für die Herausforderungen des modernen Schulunterrichts zu entwickeln.

12. Februar 2007von Michael Arns

Liebe Kollegin,
lieber Kollege! 

„Pfeiffer, sätzen Se sisch!“ Da ging er anrührend brav zurück in seine Sitzreihe, der Pseudo-Pennäler Hans Pfeiffer alias Heinz Rühmann. Was im Klassiker „Die Feuerzangenbowle“ noch heute ungebrochen auf humoristischer Ebene funktioniert, ist in pädagogischer Hinsicht längst überholt. Der Frontalunterricht hat in den Schulen, besonders den Grundschulen, weitgehend ausgedient, ist durch Gruppenarbeit und situative Unterrichtsgestaltung abgelöst worden.

Neue Formen des Unterrichts ändern aber auch den Raumbedarf in den Schulen. So wird in vielen Unterrichtseinheiten ein in flexible Arbeitszonen untergliederter Raum dem Erarbeiten des Lehrstoffs weitaus förderlicher sein als ein großer Klassensaal. Das Problem ist nur: Veränderungen in der Schuldidaktik wurden auf baulicher Ebene bisher kaum nachvollzogen, stoßen schnell an Grenzen, die der bauliche Bestand vorgibt.

Veränderte Lehrkonzepte müssten eigentlich einen Umbau unserer Schulen zur Folge haben: Integrative Klassen, die behinderten Kindern die Teilnahme am Regelunterricht ermöglichen, integrierter Unterricht von Kindern verschiedener Altersstufen und der Anspruch, Schülerinnen und Schülern individuelle, fachbezogene Förderung innerhalb des Klassenverbandes anbieten zu können. Derartige Wünsche stoßen in der Praxis häufig auf Grenzen der Umsetzbarkeit. „Uns fehlt das nötige Personal, und uns fehlen die notwendigen Räume“, ist die Klage, die landauf, landab an Schulen zu hören ist.

Abgesehen von der politischen oder genauer: gesellschaftlichen Verantwortung für diesen Missstand spricht die Forderung nach besseren und geeigneteren Räumlichkeiten uns Architekten unmittelbar an. Unabhängig von Fragen des Sanierungsstaus an den Schulen und anderen fiskalisch-organisatorischen Hemmnissen ist es an uns, räumliche Konzepte für die Herausforderungen des modernen Schulunterrichts zu entwickeln.

Sicher: Erste Schritte dazu sind bereits getan. Es gibt eine ganze Reihe moderner Schulbauten, die in vorbildlicher Kooperation von Architekten, Pädagogen und Schulträgern realisiert wurden. Man denke nur an die Evangelische Gesamtschule in Gelsenkirchen-Bismarck (Architekt Peter Hübner, Stuttgart), die neue Schule für Erziehungshilfe in Velbert (Architekt Roland Dorn, Köln) oder die Montessori-Schule in Aachen (Kaspar Klever Architekten, Aachen), um nur einige Beispiele der letzten Jahre zu nennen.

Es bleibt aber die große Herausforderung des Bestandes. In Zeiten sinkender Schülerzahlen ist der Neubau die Ausnahme und der Umbau die Regel.

Architektinnen und Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner sind fachrichtungsübergreifend gefordert, dieses Thema offensiv aufzugreifen und überzeugende Konzepte zu entwickeln. Wir, die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, setzen dieses Thema mit dem Fachkongress „Neue Tendenzen im Schulbau“ am 22. März auf die politische Agenda. Wir sind sehr froh, dass wir diese Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem nordrhein-westfälischen Ministerium für Schule und Weiterbildung entwickeln konnten.

Auf der Abschlusspräsentation des AKNW-Projektes „Kammer in der Schule“ am 8. Februar in Meerbusch hat Günter Winands, der Staatssekretär im NRW-Schulministerium, ausdrücklich betont: Die Landesregierung will den Anspruch auf eine Qualitätssteigerung an den Schulen auch auf die Frage einer baulichen Optimierung bezogen wissen. Es müsse endlich anerkannt werden, dass die gebaute Umgebung einen starken Einfluss auf das Lernen habe, so Winands weiter.

Eine Aussage, die wir im Rahmen unseres Fachkongresses „Neue Tendenzen im Schulbau“ mit Fachleuten diskutieren und anhand gebauter Beispiele belegen wollen. Eine Aussage auch, die Konsequenzen nach sich ziehen muss. Denn es ist kein Geheimnis, dass die Klassenräume in zahlreichen Schulgebäuden im Lande heute nicht viel anders aussehen als zu Zeiten von Rühmanns Hans Pfeiffer.

Ich lade Sie sehr herzlich dazu ein, am 22. März in Düsseldorf dabei zu sein und damit auch ein politisches Zeichen zu setzen! 

In diesem Sinne grüßt Sie
Ihr   

Michael Arns
Vizepräsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
arns@aknw.de

 

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