Kongress auf der DEUBAUKOM: Neues Bauen mit Stahl
"Architekten verknüpfen im Entwurfsprozess die funktionalen Anforderungen der Planung mit den konstruktiven Eigenschaften der verschiedenen Materialien. Sie planen immer in einer Trias von Funktion, Material und Konstruktion", betonte der Präsident der Architektenkammer NRW, Ernst Uhing, am 13. Januar im Begrüßungsinterview der bereits zum achten Mal durchgeführten Großveranstaltung "Neues Bauen mit Stahl" vor rund 900 Gästen in der Messe Essen. Seine Interviewpartner Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl und Vorsitzender des Stahlinstituts VDEh, und Paul Niederstein, Vorstandsmitglied des Industrieverbandes Feuerverzinken, wiesen auf die ausgeprägte "Teamfähigkeit" des Stahls in Kombination mit anderen Werkstoffen sowie die Möglichkeiten des Korrosionsschutzes hin. Der von der Journalistin Beate Kowollik moderierte 8. Internationale Architekturkongress setzte auch genau diesen Themenschwerpunkt: "Synergien schaffen mit komplementären Baustoffen".
Der Kongress hat sich inzwischen als einer der wichtigsten und größten deutschen Architektenkongresse bundesweit etabliert. "Machen Sie diesen Kongress zu einem Markenzeichen dieses Landes", appellierte denn auch Michael Groschek an die Veranstalter. Der nordrhein-westfälische Bauminister und die Messe Essen nutzten den Architektenkongress, um einen fulminanten Auftakt zur Fachmesse DEUBAUKOM zu setzen.
Als Vertreter des global tätigen Büros gmp von Gerkan Marg und Partner Architekten stellte Nicolas Pomränke zwei Bauten aus China vor. "Die Stahlkonstruktion der Überdachung des Bao’an-Stadions in Shenzen wurde in Analogie zu einem Bambuswald gestaltet. Sie ermöglicht im Zusammenhang mit der textilen Bedachung einen minimalen Materialeinsatz", erläuterte Pomränke. Als weiteres Objekt präsentierte er das elegante Thianjing Grand Theatre. "In der vorgegebenen städtebaulichen Situation an einem See konnten wir durch das weit auskragende Dach über der Freitreppe einen öffentlichen Raum schaffen, der mit den orchestrierten Wasserspielen zu einem äußerst attraktiven und bei der Bevölkerung beliebten Ort geworden ist", führte Pomränke aus. Einen gänzlich anderen konstruktiven Ansatz wählte das Büro für den Neubau des Veranstaltungszentrums "Tempodrom" in Berlin. Bei dem aus Schallschutzgründen zunächst als Betonfaltwerk geplanten Dach in charakteristischer Zeltform konnte eine Stahlkonstruktion mit eingelegten Betonplatten deutliche Kostenvorteile erzielen.
Bauten aus Stahl und Licht
"Meine Bauwerke bestehen vorwiegend aus Stahl und natürlichem Licht!" So führte Marc Mimram, Architekt und Ingenieur aus Paris, in sein vielfältiges Werk ein. Am Beispiel des Neubaus der Architekturschule in Straßburg erläuterte er die Bedeutung unterschiedlicher Tag- und Nachtwirkung von Gebäuden, der vor allem durch die schlanke Stahlkonstruktion und gläserne Fassaden bestimmt wird. Beim Neubau eines Bürozentrums in Paris in schwieriger Grundstückssituation war Stahl ebenfalls die erste Wahl. "Wir verbauen dort rund 10 000 Tonnen – etwas mehr als beim Eiffelturm", erklärte er augenzwinkernd. Der in seiner Muttersprache vortragende Mimram begeisterte das Publikum nicht nur durch seine spektakulären Gebäude und kühnen Brückenbauwerke in verschiedenen Ländern, sondern auch durch charmante Anekdoten zu ihrem Entwurfsprozess. "Die französisch-deutschen Beziehungen sind manchmal etwas kompliziert. Das wollten wir bei der Fußgängerbrücke über den Rhein zwischen Kehl und Straßburg unbedingt zum Ausdruck bringen", erklärte er lächelnd.
Stahl kopiert Natur
Gerd Schmid, Geschäftsführer des Ingenieurbüros form TL aus Radolfzell, stellte verschiedene Leichtbauweisen mit Stahl und Textilien vor. "Die Natur ist der beste Baumeister", konstatierte Schmid, "wir können sie nicht nachbauen. Aber wir können versuchen, ihr möglichst nahe zu kommen!" Sein Büro war an vielen Projekten namhafter Architekten im In- und Ausland beteiligt. In Nordrhein-Westfalen waren dies die Überdachung des Parkbades in Velbert und der neue Turm der "Phänomenta" in Lüdenscheid. "Bei den meisten unserer Bauten sind neben technischen Textilien Stahl und Luft die bestimmenden Materialien", so Schmid. Anhand der Bushofüberdachung "Wölkli" im schweizerischen Aarau erläuterte er ausführlich die Herstellung der Stahlkonstruktion und die Montage der pneumatisch stabilisierten Dachelemente aus ETFE-Folie.
Flexible Lösungen für den urbanen Raum
"Diller Scofidio & Renfro stellt die ganzheitliche Betrachtung urbaner Räume bei der Entwicklung seiner Projekte in den Mittelpunkt" führte Matt Ostrow, Associate Architect des New Yorker Büros, in seinen Vortrag ein und stellte charakteristische Projekte vor. Das im Bau befindliche Museum of Image and Sound in Rio de Janeiro und das kürzlich eingeweihte Museum "The Broad" in Los Angeles waren Ergebnisse internationaler Wettbewerbe. Spektakulär ist das Veranstaltungsgebäude "Shed" in New York, bei dem ein Teil der futuristi-schen Gebäudehülle aus Stahl und Glas auf zwei Meter großen Rädern verschoben werden kann, um auf diese Weise in wenigen Minuten einen großen Saal zu erzeugen. Ostrow zeigte zahlreiche Details der in der Fertigung befindlichen Stahlkonstruktion. "Wir entwickeln alle Details im stetigen Dialog mit der Industrie", betonte er und wies auf die hohe Qualität der in Europa vorgefertigten Bauteile hin. "Die Oberflächen sind von so perfekter Qualität, dass man kaum an eine Stahlkonstruktion glaubt", so Matt Ostrow.
Stahl und Holz für ein Strandgutmuseum
"Wir verfolgen keinen bestimmten Architekturstil. Unsere Entwurfskonzepte und die Auswahl der Materialien orientieren sich immer an der individuellen Bauaufgabe", beschrieb Friso van de Steen die Architektur des Delfter Büros Mecanoo. Als Beispiele zeigte er das Strandgutmuseum auf Texel, dessen Fassade aus Altholz besteht, und ein Hotel am Flughafen Amsterdam-Schiphol mir einer dynamischen gerundeten Kompositfassade in Anlehnung an moderne Bauweisen in der Luftfahrt. Nach dem Gewinn des Wettbewerbs für das National Kaohsiung Center for Arts in Taiwan erwies sich Stahl für die Realisierung des frei geformten, riesigen Baukörpers als das am besten geeignete Material. "Das wurde uns klar, nachdem wir mit unserem hervorragenden taiwanesischen Ingenieur die Bauweise von Schiffen studiert hatten", stellte van de Steen heraus. In beeindru-ckenden Fotos und Videosequenzen zeigte er die Herstellung und Montage der großflächig gekrümmten Fassadenelemente auf einer Schiffswerft.
Urbane Kontraste aus Stahl und Glas
Doch nicht nur faszinierende Großprojekte wurden präsentiert. Die slowenische Archi-tektin Spela Videcnik, Mitgründerin des Büros OFIS in Ljubljana, zeigte eine kleine Schutzhütte in den slowenischen Alpen, deren Bauelemente per Helikopter auf die Baustelle geflogen wurden. "Aufgrund der entlegenen Situation und der extremen Witterung war eine schnelle und einfache Mon-tage vor Ort entscheidend für die Wahl einer Stahl-Holz-Konstruktion", führte Videcnik aus. Doch OFIS plant auch größere Projekte. Nachdem die Funktionäre eines weißrussischen Fußballvereins das durch das Büro erweiterte Stadion in Maribor erlebt hatten, erhielt OFIS den Auftrag zu einem Stadionneubau im weißrussischen Borisov. Es entstand ein beeindruckender futuristischer Bau in organischer Formensprache mit Stahltragwerk und schillernder Metallfassade. Auch in der Altstadt setzt OFIS auf Stahl. "Beim Umbau historischer Gebäude können wir mit Stahl und Glas spannende Kontraste erzielen", hob Videcnik hervor.
Stahl spart Gewicht
Keith Priest, Mitgründer von Fletcher Priest Architects, zeigte mehrere Bürogebäude am Bürositz London. "Sie sind aus Gewichtsgründen in Stahl gebaut, weil wir in der City of London fast immer auf Funda-menten von Vorgängerbauten gründen müssen. Tun wir das nicht, werden Bauvorhaben durch archäologische Untersuchungen meist jahrelang verzögert", bedauerte Priest. Bei dem im Bau befindlichen Büroturm an der North Wharf Road wurde aus der Not eine Tugend gemacht und die außenliegende Stahlkonstruktion in Anspielung an den berühmten englischen Ingenieur I. K. Brunel, der die Bauwerke der benachbarte Bahnlinie realisierte, expressiv gestaltet. Bei einem weiteren Ersatzneubau wurde ein Pavillon in Stahlkonstruktion mit Textildach aufgesetzt, um einen Dachgarten für Mitarbeiter zu schützen. "Zuerst haben wir einen Ziergarten angelegt, aber später haben die Banker dort Gemüse angebaut und verwenden es in ihrer Kantine", freute sich Priest.
Teilen via