Leistungsphase 0: Warum der Erfolg des Wettbewerbs in der Vorbereitung liegt

Über 80 Architekten, Stadtplaner sowie Vertreter von Kommunen und anderen Auftraggebern diskutierten am 14. Dezember 2015 im Haus der Architekten in Düsseldorf über die Bedeutung der qualitätvollen Vorbereitung von Planungswettbewerben. Impulsreferate zu verschiedenen Aspekten des Wettbewerbswesens führten zu vielseitigen Diskussionsbeiträgen, die von AKNW-Vorstandsmitglied Prof. Rolf-Egon Westerheide moderiert wurden.

17. Dezember 2015von Jan Schüsseler

„Als Betreuer von Wettbewerben übernehmen Architekten und Stadtplaner eine ganz besondere Verantwortung“, hob AKNW-Präsident Ernst Uhing in seiner Begrüßung hervor. Er bekräftigte, dass die Förderung des Wettbewerbswesens eine wesentliche berufspolitische Aufgabe und Zielsetzung der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen darstelle. „Die Bereitschaft vieler Architektinnen und Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplanern zur honorarfreien Teilnahme an Wettbewerben zeigt das große Engagement unseres Berufsstandes wenn es darum geht, qualitätvolle Städte, Bauwerke und Freiräume zu gestalten“, betonte Uhing. Die sorgfältige Vorbereitung durch den Auslober und die von ihm beauftragten Betreuungsbüros sei jedoch eine ebenso wichtige Voraussetzung für den Erfolg von Wettbewerben.

Gute Vorbereitung zahlt sich aus
Jochen König, ebenfalls Vorstandmitglied der Architektenkammer NRW und Vorsitzender des Ausschusses „Wettbewerbs- und Vergabewesen“, erläuterte, warum auf Bauherren bei Direktbeauftragungen oder Verhandlungsverfahren nur vordergründig weniger Vorbereitungsarbeit zukommt. „Fehlende oder mangelhafte Projektvorbereitung muss durch zusätzliche Kommunikation zwischen Nutzer, Auftraggeber und Planer während der ersten beiden Leistungsphasen ersetzt werden. Das kostet Zeit, Geld und Nerven – und führt am Ende trotzdem nicht zu einem optimalen Ergebnis“, so König. Er erläuterte, dass Auftraggeber länger und genauer über die Frage nachdenken sollten, welches die Projektziele sind und durch welche Qualitäten sie beschrieben werden können. „Die Qualität eines Entwurfs ist immer abhängig von der Qualität der Aufgabendefinition“, konstatierte König. „Beste Ergebnisse basieren auf Verfahren, die auf dem Vergleich alternativer Lösungsansätze aufbauen.“ Der Wettbewerb nach RPW 2013 sei das hierzu am besten geeignete Verfahren.

Wettbewerb als „Mehrwertverfahren“
Die Voraussetzung für die eindeutige Beschreibung komplexer Planungsaufgaben beschrieb Gregor Bäumle, Architekt und Stadtplaner aus Darmstadt, dessen Büro seit 2008 Wettbewerbe und Verhandlungsverfahren nach VOF betreut. Die Vergabe von Planungsleistungen ohne Wettbewerb sah Bäumle als risikoreich an. „Die Eignung und Kompetenz für die anstehende Aufgabe wird dann retrospektiv durch Referenzprojekte belegt. Die Ableitung für die Qualität der Realisierung ist immer spekulativ“, erläuterte Bäumle. Er kritisierte weiterhin, dass durch die Abfrage eher quantitativer denn planungsbezogener Kriterien in Verhandlungsverfahren ein Konzentrationsprozess des Marktes nicht auszuschließen sei und Berufsanfänger kaum beteiligt können, obwohl deren angemessene Berücksichtigung in der VOF explizit gefordert werde.

Auslobung sollte die Regel werden
„Der Wettbewerb ist ein Mehrwertverfahren. Seine Auslobung sollte nicht die Ausnahme, sondern die Regel bei der Vergabe öffentlicher Planungsleistungen werden“, betonte Bäumle mit Nachdruck. Er bezeichnete Wettbewerbe als Ausdruck einer demokratischen Planungskultur. Neben dem Gewinn an Planungsqualität nannte Bäumle den Zeitgewinn durch die Einbindung von Projektbeteiligten, die erhöhte Rechtssicherheit und die mögliche Kosteneinsparung durch wirtschaftliche Optimierung der Planung als weitere wichtige Vorteile geregelter Wettbewerbe. Die Wirtschaftlichkeit von in Wettbewerben prämierten Planungslösungen wies er anhand verschiedener konkreter Fallbeispiele nach.

Bedarfsplanung

Als Architekt und Projektsteuerer, aber auch als Lehrbeauftragter an der Bergischen Universität Wuppertal setzt sich Christofer Angeler, Partner des Büros Vollmer Angeler aus Köln, mit dem Thema der Bedarfsplanung auseinander. Er stellte die Bedarfsplanung als eine relativ junge Disziplin vor, die erst 1981 in die HOAI Eingang fand. „Die frühe Auseinandersetzung mit Projektinhalten über alle Hierarchieebenen führt zu einer hohen Informationsdichte zu Projektbeginn und ermöglicht dadurch die ganzheitliche Betrachtung komplexer Bauaufgaben“, erläuterte Angeler. Als folgerichtig beschrieb er, dass die Bedarfsplanung 2003 in die Richtlinie für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes (RBBau) aufgenommen und damit für wichtige öffentliche Bauten verpflichtend geworden sei. Angeler erläuterte ausführlich die fünf Stufen der Bedarfsplanung, die sich von der Zieldefinition über die Erarbeitung des eigentlichen Bedarfsplans bis hin zur Qualitätssicherung erstrecken. Defizite sah Christofer Angeler in der praktischen Umsetzung. „Leider scheitert eine strukturierte Bedarfsplanung noch häufig an der mangelnden Einsicht der Auftraggeber in ihre Notwendigkeit und an der mangelnden Bereitschaft, diese Leistung zu honorieren“, bedauerte Angeler.

Wettbewerbe im Ausland
Die Teilnahme an Wettbewerben aus der Sicht des Teilnehmers schilderte der Architekt Christian Hoffmann, assoziierter Partner des Büros von Gerkan Marg und Partner (gmp) und Leiter der Niederlassung Aachen. „In den 80er Jahren konnte man sich die Wettbewerbe noch aussuchen. Heute sind die Teilnahmevoraussetzungen häufig so hoch, dass auch gmp sich nicht erfolgreich bewerben kann“, bedauerte Hoffmann und hob die Bedeutung des Wettbewerbswesens für das Büro hervor: „Die Beobachtung der Vergabe von Planungsleistungen erfolgt bei uns durch alle zwölf Niederlassungen. 80 bis 90 Prozent unserer Projekte gehen auf Wettbewerbsgewinne zurück“, so Hoffmann. Er vertrat die Auffassung, dass in manchen anderen europäischen Ländern wie Luxemburg oder der Schweiz Wettbewerbe noch fairer seien als in Deutschland, weil zum Beispiel Vertragsbedingungen im Fall der weiteren Beauftragung frühzeitig kommuniziert werden.

Auslobung im außereuropäischen Ausland
„Wettbewerbe in den Golfstaaten mit hohen Teilnahmegebühren sind für uns ein no go“, hob Hoffmann hervor. Interessante Erfahrungen habe gmp mit Wettbewerben in China gemacht. „Dort sind die Aufgabenstellungen extrem knapp umrissen. Die Planungsaufgabe eines Sportparks wurde auf nur einer DIN A4-Seite beschrieben“, erläuterte Hoffmann und führte aus, dass gmp die Teilnahme an Wettbewerben für Architektenleistungen in EU-Ländern bevorzuge. Vor allem für kleinere Büros sei die Teilnahme an Verfahren im außereuropäischen Ausland wegen unzureichender Planungsgrundlagen, aber auch wegen intransparenter Beurteilung häufig ein Glücksspiel. „Nach Abschluss des Wettbewerbs zum Neubau des Flughafens in St. Petersburg wurden die Arbeiten der Preisgruppe im Internet zur Abstimmung präsentiert“, berichtete Christian Hoffmann.

Qualitätsgewinn und zufriedene Mieter
Sandra Wehrmann sprach als Geschäftsführerin der Wohn+Stadtbau GmbH, Wohnungsunternehmen der Stadt Münster, zu den Gästen. „Wir loben aus Überzeugung Wettbewerbe aus, weil sie die Qualität von Bauvorhaben steigern“, so Sandra Wehrmann. „Wettbewerbe vermeiden Standardlösungen und ermöglichen es, Trends im Bauwesen zu verfolgen.“ Zahlreiche Bauten der Wohn+Stadtbau seien bereits mit Preisen ausgezeichnet wurden. „Wir sind sehr stolz darauf, dass uns die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen für dieses Engagement den Ausloberpreis zuerkannt hat“, unterstrich Wehrmann.
Bei der Wohn+Stadtbau Münster erfolge die Vorbereitung der Verfahren durch die eigene Planungsabteilung gemeinsam externen Betreuern stets mit hoher Sorgfalt. „Das sind wir nicht nur der hochstehenden Baukultur in Münster schuldig, sondern vor allem auch unseren Mietern, den wir ein nachhaltig lebenswertes Zuhause bieten wollen“, erklärte Sandra Wehrmann. Verschiedene aktuelle Wohnungsbauprojekte der Wohn+Stadtbau als Ergebnisse von Wettbewerben begeisterten die Anwesenden.

Kleine Kommune, großer Gewinn
Schließlich konnte Prof. Rolf-Egon Westerheide den Teilnehmern noch einen ganz besonderen Gast vorstellen: Paul Hermreck, ehemaliger Bürgermeister der Stadt Verl, hielt ein Plädoyer für Wettbewerbe aus kommunalpolitischer Sicht. „In einer Kleinstadt wie Verl sind Wettbewerbe ideal, um die Horizonte zu erweitern. Zu ihrer Vorbereitung haben wir Werkstattgespräche mit bis zu 150 Bürgern durchgeführt. In den Preisgerichten waren stets Politiker und Bürger beratend vertreten. Auf diese Weise kam die Akzeptanz der Projekte in der Bevölkerung ganz von allein zustande“, stellte Hermreck dar und hob hervor, dass die Stadt Verl ihre Wettbewerbsprojekte überwiegend jungen und der Stadt zuvor nicht bekannten Architekten zu verdanken habe.

Kommunikation unverzichtbar

In seinem Schlusswort betonte Jochen König, dass die Leitungsphase 0 eine Bauherrenaufgabe sei. „Wenn Bauherren aus fachlichen oder organisatorischen Gründen diese Leistung nicht erbringen können, ist die Beauftragung von Fachleuten mit einer professionellen Bedarfsplanung und einer Machbarkeitsstudie Pflicht.“, so König. Er sprach insbesondere die Notwendigkeit einer offenen und ehrlichen Kommunikation zwischen sämtlichen an der Vorbereitung und Planung von Bauprojekten Beteiligten an. „Baukultur ist immer auch Gesprächskultur“, hob König hervor.

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