Aktuelles Urteil

OVG widerspricht Erleichterung des Abstandsflächenrechts

Mit der Novelle des Abstandflächenrechts durch die Änderung von § 6 BauO NRW vom 12. Dezember 2006 war das Abstandflächenrecht wesentlich erleichtert worden. So wurde es möglich, dass Bauteile wie Dachgauben, Balkone oder vorgestellte Treppenhäuser gegenüber angebauten Grundstücksseiten keine Abstandfläche mehr auslösen. Diese für die Praxis wesentliche Erleichterung hat das das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster mit einem bemerkenswerten Urteil gekippt.

01. September 2008von li

Nach § 6 Abs. 1 ist innerhalb der bebaubaren Grundstückfläche eine Abstandfläche nicht erforderlich für Gebäude, die an der Nachbargrenze errichtet werden, wenn sie nach planungsrechtlichen Vorschriften ohne Grenzabstand gebaut werden müssen oder gebaut werden dürfen. Erklärter Wille des Gesetzgebers war es, dass bei einer Grundstücksgrenze, gegenüber der nach planungsrechtlichen Vorschriften Abstandflächen ohnehin nicht eingehalten werden können, auf die Einhaltung einer Abstandfläche gänzlich verzichtet wird. Damit sollte auch vermieden werden, dass z.B. in der geschlossenen Bauweise Dachaufbauten oder vor die Vorder- oder Rückfront vorspringende Bauteile wie Balkone oder vorgebaute Treppenhäuser seitliche Abstandflächen einhalten müssen, wie es nach bisherigem Recht der Fall war. (Siehe Begründung zur Änderung, Landtagsdrucksache 14/2433.)

Nach Meinung der Richter des OVG hat diese Absicht des Gesetzgebers im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Auch gibt der Gesetzeswortlaut - so das OVG weiter - für eine dahingehende Auslegung nichts her. Nach Auffassung des OVG ergibt sich aus der vom Gesetzgeber gewählten Formulierung nicht, dass hinsichtlich der genannten Bauteile auf eine Abstandfläche verzichtet werden kann. Gegenstand der Regelung seien nur die Außenwände selbst.

Auch ließe die Begründung des Gesetzgebers außer Acht, dass § 6 Abs. 7 BauO NRW aktuelle Fassung sich mit bestimmten vor die Außenwand vortretenden Vorbauten und untergeordneten Bauteilen befasst, die nur nach Maßgabe der Regelung dieses Absatzes abstandflächenrechtlich privilegiert sind. Auf Grundlage des § 6 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW aktuelle Fassung kommt vor diesem Hintergrund nach der Rechtssprechung des OVG entgegen den Ausführungen in den Gesetzesmaterialien ein Verzicht auf die Einhaltung einer seitlichen Abstandfläche für Gauben, Balkone usw. nicht in Betracht.  

Praxishinweis:

In der geschlossenen Bauweise lösen seitliche Wände von Dachaufbauten oder von vor- bzw. zurückspringenden Bauteilen auch zu der seitlichen Grenze wieder Abstandflächen aus. Dies trifft natürlich nicht auf privilegierte Bauteile zu. Dachgauben, die nach § 6 Abs. 4 BauO NRW für die Ermittlung der Abstandfläche nicht zur Wandhöhe hinzugerechnet werden, weil ihre Gesamtbreite nicht mehr als die Hälfte der darunterliegenden Gebäudewand beträgt oder Erker und Balkone, die in den Abmessungen von § 6 Abs. 7 BauO NRW errichtet werden, bleiben bei der Bemessung seitlicher Abstandflächen weiterhin außer Betracht. 

Das Ministerium für Bauen und Verkehr beabsichtigt in Kürze, seine Hinweise zu § 6 und 73 BauO NRW (letzte Aktualisierung 01.02.2008) mit Blick auf die neue Rechtsprechung zu überarbeiten. Sobald die neugefassten Hinweise vorliegen, werden sie in der Rubrik Gesetze/Verordnungen eingestellt.

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