Peter Neufert (1925-1999): Der fliegende Architekt
„Mein Vater war eher Architekt-Theoretiker, während ich mich eher als Architekt-Künstler sehe.“ So wie viele Söhne berühmter Väter suchte Peter Neufert aus dem Schatten des Vaters Ernst Neufert herauszutreten, ohne zugleich gegen dessen Werk und Nachlass zu opponieren. Das selbstständige Atelier PN profitierte von den Erfahrungen aus der Arbeit mit dem Vater, und die spätere Planungs-AG stand in ihrer Auffassung von architektonischer Leistung in der Tradition Ernst Neufertscher Studien zur Rationalisierung und Normierung, die die Grundlage der seit 1926 erscheinenen „Bauentwurfslehre“ bildeten. - In unserer Reihe „Retrospektive“ werfen wir einen zweiten Blick auf Peter Neufert, der gegenwärtig durch den Streit um sein „Tor 1“ des Hüttenwerks in Duisburg-Rheinhausen posthum neu gewürdigt wird.
1925 geboren, gerade als der Vater seine Professur in Weimar angetreten hatte, studiert Peter Neufert nach dem Krieg unter Ernst Neufert in Darmstadt, nicht ohne gleichzeitig im väterlichen Büro zu zeichnen. 1950 zieht er nach Köln und lernt bei Peter Friedrich Schneider (Arbeiten für Ford, 1. Bau WDR) die Organisation eines Architektur-Großbetriebs. Mit seiner zweiten Frau Mary Stüssgen (Lebensmittelhandel) rückt er in die Kölner Gesellschaft auf und ist stark genug, die Zusammenarbeit mit dem Vater aufzukündigen.
1959 leistet sich PN ein eigenes Flugzeug und wird Karnevalsprinz. Als „Prinz Imi“ (weil ein Zugereister!) und „fliegender Architekt“ sorgt er für Furore. Zugleich sind er und sein Haus, bis 1962 im ausgebauten mittelalterlichen Sachsenturm, danach im „Haus X 1“ in Köln-Hahnwald, eine feste Größe in der Kölner Kunstszene. Beispielhaft für die Symbiose mit zeitgenössischer Kunst steht die Fassade des Textilhauses Wormland in der Hohe Straße mit einer Skulptur von Otto Piene.
Kostenkontrolle und Teamwork
Der Bauflaute 1967 begegnet er mit der Entwicklung der „Mehrkostenkarte“ – heute würde man von integriertem Projektmanagement sprechen – mit der Folge, dass die formalen Aspekte zunehmend der Funktions- und Kostenerfüllung untergeordnet werden. Dem Ziel einer „systemischen Architektur“ folgend, gibt es im Büro Weyerstraße Spezialisten für alle Belange. 1990 scheidet PN aus der Planungs AG Neufert/Mittmann/Graf aus und lebt bis zu seinem Tod 1999 in Portugal.
Von den frühen eigenständigen Entwürfen sind einige in Köln als Denkmal unter Schutz gestellt, darunter die Werkstatt Finger (Venloer Straße), die Industriegas GmbH (Vingster Straßem beide 1958) und das futuristische Wohnhaus unter flachem Schalendach (1958-62), das die Mutter in Garmisch nicht haben wollte und das in Hahnwald genehmigt wurde, weil es dort nicht störe. „Entwurf des Hauses aus Sehnsucht nach künstlerisch freier Betätigung“ – PN bestand vehement auf der Freiheit des Architekten zur Neuschöpfung, gegen die Einordnung in überkommene Stadtbilder, die auch in Köln Maxime des Wiederaufbaus war.
Neue Techniken innovativ genutzt
Seine damaligen Bauten profitieren von dem Spiel mit Geometrie, Material und Dekor. Mit Hilfe des Tragwerksplaners Stefan Polonyi werden die Möglichkeiten des Spannbeton für expressive Formexperimente ausgelotet, so auch für das liegende Y der Dachform über dem „Tor 1“ des Hüttenwerks in Duisburg-Rheinhausen (1957), das über einem Glaspavillon aufzufliegen scheint. Heute stellt es den einzigen Rest der riesigen Anlage dar und erinnert an die (vergeblichen) Protestblockaden gegen die Werksschließung 1987. 1999 unter Schutz gestellt, war die Erhaltung des Tores lange Zeit ungewiss. Jetzt scheint jetzt der Erhalt einigermaßen sicher, wenn eine Folgenutzung für die Pavillonbauten gelingt.
Planungsbüro aufgelöst
Die Ära Neufert endete mit dem Jahreswechsel 2003 insofern, als die Planungs AG aufgelöst wurde. Das Wohnhaus von Ernst Neufert in Gelmeroda bei Weimar bleibt Sitz der Stiftung. Dort kümmert man sich künftig um die Nachlässe und die Zukunft der „Bauentwurfslehre“.
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