Nach ihrer Zerstörung im zweiten Weltkrieg wurden die Giebelhäuser am Prinzipalmarkt in einer vereinfacht historisierenden Architektursprache rekonstruiert. - Foto: Thomas Robbin, Architektur-Bildarchiv

Revisited: Wiederaufbau des Prinzipalmarkts in Münster – 1945 bis heute

Am 15. August 1945 stellte der Münsteraner Architekt Hans Ostermann einen Bauantrag für zwei Parzellen an dem damals bis auf wenige Arkadenbögen komplett zerstörten Provinzialmarkt. Da es wenige Monate nach Kriegsende weder ein städtisches Bauamt noch eine städtebauliche Planung gab, landete der Bauantrag – Bauherr war ein aus der Schweiz ausgewanderter Zuckerbäcker – beim Provinzialkonservator namens Wilhelm Rave, der vom Architekten verlangte, stärker „vom ursprünglichen Zustand“ auszugehen. Bei Nuancen in Gestaltungsfragen waren sich die Beteiligten jedoch offenbar grundsätzlich einig: Die Neubauten an der guten Stube der Stadt sollten auf den vorhandenen zellenartigen Grundstücksstrukturen (samt Fundamenten, Kellern etc.) aufbauen und dem Charakter des Vorkriegszustands jedenfalls in ihrer Gesamtheit nahekommen.

12. September 2025von Dr. Frank Maier-Solgk

So begann also der Bau des Hauses des Zuckerbäckers, der seine Waren bis in die 1990er-Jahre in dem in Münster wohlbekannten Café Schucan anbot.

Der Bau des Hauses war der Auftakt eines Wiederaufbaus, der in seiner Art ein Münsteraner Spezifikum darstellte. Mit Ausnahme des gotischen Rathauses verzichtete man zwar auf eine detaillierte Rekonstruktion, stellte aber mit einer vereinfacht historisierenden Architektursprache das Bild des architektonischen Ensembles wieder her. Man sprach von den neuen Giebelhäusern später als den „eher anonymen Teilen einer Reihe“, die „eine dem historischen Stadtbild entsprechende Qualität ausstrahlen“. (Allein Ostermann errichtete nicht weniger als acht der prägenden Prinzipalmarkthäuser). 

Natürlich entfachte dieses Vorgehen Diskussionen. In der Debatte zwischen Traditionalisten und Modernisten erschien nicht wenigen der Versuch, die Gestalt des Marktbogens mit seinen Giebeln und Bögen als städtebauliches Gesamtbild zu erhalten, als zu wenig ambitioniert. Man sprach kritisch von einer wenig begründeten „Aneinanderreihung von Baukastenformen“. Andererseits dürfte heute sicherlich begrüßt werden, dass Münster von der bis in die späten 1960er-Jahre hinein in vielen deutschen Städten durchgesetzten städtebaulichen Idee der aufgelockerten Stadt mit breiten Verkehrsschneisen verschont blieb. Auch der Verzicht auf Großstrukturen, die damals von Seiten der großen Kaufhäuser vielerorts in die Wege geleitet wurde, ist im Sinne der Stadtentwicklung positiv zu beurteilen. Die Tatsache, dass bei dem eingeschlagenen Münsteraner Weg die Initiative von Seiten einzelner privater Kaufleute ausging, deren Interesse an historisierenden Formen offenkundig war, ist dabei bis heute ein wichtiger Diskussionsgegenstand.

Von heute aus beurteilt liegt ein Vorteil des kleinteiligen Spiels mit Variationen gegenüber Großstrukturen vor allem darin, für Korrekturen und Weiterentwicklungen leichter zugänglich zu sein. Das zeigt sich exemplarisch bei dem Haus Provinzialmarkt Nr. 41, das 1950 aus finanziellen Gründen in einfachen Formen mit einem provisorischen Dreiecksgiebel errichtet wurde und in dieser Form mehr als 60 Jahre überdauerte. Erst in den 2020er Jahren entschloss sich der Eigentümer zu einer Sanierung, in deren Zusammenhang auch der Giebel erneuert wurde. Den Wettbewerb hierfür gewann das Büro Achterkamp und Möller (Steinfurt), das mit einer reduzierten Formensprache und einem Giebelfeld in Form eines ruhenden, gleichschenkligen Dreiecks dem bisherigen Muster eine neue, zeitgemäßere Perspektive zu geben vermochte (Umbau und Ausführungsplanung Mensen + Zora Architekten, Münster). Überdies – dies gehört zur Neuausrichtung – ist die Neukonstruktion des Giebels keine Vorhangfassade, die lediglich mit Natursteinplatten verkleidet ist, sondern als eigenständige, massive Konstruktion aus Sandsteinquadern erstellt, hinter der neue kleine Wohnungen entstanden sind. – 

Bleibt hervorzuheben, dass die Münsteraner Debatte über den angemessenen Wiederaufbau vergangener Stadtbilder bis heute nichts an Aktualität verloren hat, wie der derzeitige Streit über den Wiederaufbau des Altberliner Moltkemarktes beweist (s. DIE ZEIT, Nr. 37, 2025). 

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