"Von Chancengleichheit weit entfernt" - Welche Perspektiven bieten sich deutschen Architekten im Ausland

"Von Chancengleichheit weit entfernt" - Welche Perspektiven bieten sich deutschen Architekten im Ausland

"Architektur in Europa - Ansichten, Einsichten, Aussichten": Unter diesem Motto stand die Podiumsdiskussion auf Jersey, die der Kölner Journalist Andreas Grosz moderierte. Teilnehmer waren neben NRW-Bauminister Michael Vesper und AKNW-Präsident Hartmut Miksch die Berliner Architekturprofessorin Hilde Léon, "Zeit"-Redakteur Hanno Rauterberg und der Stuttgarter Architekt Stefan Behnisch.

16. Juli 2003von Christine Mattauch cm

Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, weshalb deutsche Architekten im europäischen Ausland eine so geringe Rolle spielen. Rauterberg nannte historische Gründe - während des Dritten Reiches und in der Nachkriegszeit waren deutsche Architekten international isoliert - und verwies zugleich auf den jahrzehntelang satten Inlandsmarkt: "Deutsche Architekten hatten es nicht nötig, im Ausland zu bauen." Hilde Léon stimmte zu. Dass deutsche Architektur, wiewohl international konkurrenzfähig, so wenig bekannt sei, liege aber auch an der Skepsis der eigenen Landsleute: "Schönheit steht in Deutschland unter dem Generalverdacht: Es wird nicht funktionieren." Um international Erfolg zu haben, ergänzte Stefan Behnisch, sei personalisiertes Selbstmarketing erforderlich. "Aber wenn sich einer in Deutschland hinstellt und sagt, ich bin der Größte, wird er von der Kritik zerrissen."Mehr politische Unterstützung!

Auch administrative Hemmnisse behindern das Auslandsengagement deutscher Planer. Stefan Behnisch, dessen Büro überwiegend für internationale Auftraggeber tätig ist, schilderte seine Erfahrungen: Vielerorts würden, anders als in Deutschland, die europäischen Vorgaben zur Liberalisierung des Wettbewerbs nicht eingehalten: "Von einer Chancengleichheit sind wir weit entfernt!" Auch Michael Vesper stellte fest, dass Deutschland sehr offen für ausländische Architekten sei, im Gegensatz zu vielen Nachbarstaaten: "Es ist souverän, dass wir unser Parlament von einem ausländischen Architekten bauen lassen. Aber das sollte auch woanders passieren!"Ein "Ikea für Architektur?"

Konsens herrschte darüber, dass es für eine bessere internationale Akzeptanz deutscher Architekten hilfreich wäre, wenn Baukultur auf nationaler Ebene mehr Anerkennung fände. Über die Frage, wie dies bewirkt werden könnte, gingen die Meinungen allerdings auseinander. Ein Zuhörer forderte die Einführung eines Schulfachs Architektur. "Eine grauenhafte Vorstellung", meinte hingegen Hilde Léon, und Minister Vesper sprach der Forderung umgehend die politische Machbarkeit ab. Er regte die Architekten vielmehr zur kritischen Diskussion von lokalen Projekten an: "Die Öffentlichkeit ist immer interessiert, wenn es um Kontroversen geht." Hartmut Miksch wollte den Ansatzpunkt Schule aber nicht ganz aus den Augen verlieren und verwies auf die Aktion "Architektur macht Schule!" der Kammer, in deren Rahmen zum Beispiel Materialien zur Unterstützung von Projektwochen erarbeitet werde. Journalist Rauterberg hielt einen ganzen Strauss von Ideen zur besseren Vermarktung von Architektur parat, angefangen von Kursen für Lokaljournalisten bis zur Erfindung eines "Ikea für Architektur": Das schwedische Möbelhaus habe erreicht, dass breite Massen ein gewisses Design-Verständnis entwickelt hätten. Bei den Architekten auf dem Podium stieß dieser Vorschlag allerdings auf wenig Gegenliebe.Keine „Europa-Architektur“

Und wie sehen die Perspektiven für die europäische Architektur aus, wird es in absehbarer Zeit einen Konsens geben? Eher nicht, meinte AKNW-Präsident Miksch: Da vergleichsweise wenig neu gebaut werden, würden die nationalen Unterschiede erhalten bleiben. Hilde Léon fand das positiv: "Eine Einheits-Architektur wäre furchtbar." Trotzdem gebe es Gemeinsamkeiten, stellte Rauterberg fest: Der Denkmalschutz beispielsweise sei "ein europäisches Phänomen". Daraus resultiere ein behutsamerer Umgang mit Architektur und städtebaulichen Strukturen als anderswo.

Fesselnde Lektionen im Lehrfach Europa: Architektenkongress auf Jersey bot ein facettenreiches Programm

Eins der Highlights von Jersey: International tätige Architekten präsentierten sich, ihre Philosophie und ihr Werk vor dem Hintergrund des Themas „Europa gestalten“

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