Rechtsfall des Monats: Wettbewerb und Vergaberecht: Wann sind Vorgaben im Planungswettbewerb bindend?

Architekt B fragt bei der Rechtsberatung der AKNW an: Unser Büro hat sich an einem nichtoffenen, einphasigen Realisierungswettbewerb zur Generalsanierung eines Theatergebäudes beteiligt. In der Auslobung waren u.a. planerische Vorgaben zur maximalen Gebäudehöhe, zur Einhaltung eines Raumprogramms und zur Gestaltung angrenzender öffentlicher Flächen enthalten. Die Auslobung enthielt keine ausdrückliche Angabe, ob diese Vorgaben verbindlich oder unverbindlich sind. Sie enthielt aber die Information, dass nur Wettbewerbsarbeiten zur Beurteilung zugelassen werden, die nicht gegen bindende Vorgaben verstoßen. Wir hatten die planerischen Vorgaben als bindend verstanden. Unser Entwurf wurde aber nicht prämiert. Die prämierten Entwürfe weichen teilweise von den planerischen Vorgaben ab – etwa durch Überschreitung der Gebäudehöhe oder fehlende Technikflächen. Können wir dagegen rechtlich vorgehen, obwohl unser Beitrag nicht ausgezeichnet wurde?

15. September 2025von Rebecca Dreps

Ja – das zeigt ein aktueller Beschluss der Vergabekammer Thüringen vom 20.06.2025. Die VK Thüringen stellte fest, dass das Preisgericht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen hat, indem es Wettbewerbsarbeiten prämierte, die nach Auffassung der VK Thüringen gegen bindende Vorgaben der Auslobung verstießen. Diese Beiträge hätte das Preisgericht gemäß den Auslobungsbedingungen nicht zum Wettbewerb zulassen dürfen. 

Da der Auslober die planerischen Vorgaben in der Auslobung nicht als „nicht bindend“ kennzeichnete, musste die VK Thüringen prüfen, wie ein objektiver Empfänger die Vorgaben der Auslobung verstehen musste. Die Vergabekammer ging zwar grundsätzlich davon aus, dass die Eigenheiten des Wettbewerbs eine großzügige Auslegung der Vorgaben rechtfertigten. Im Planungswettbewerb gehe es dem Auslober darum, eine möglichst große Vielzahl an verschiedenen und kreativen Lösungen erhalten will. Daher sei es regelmäßig im Sinne des Auslobers, die Gestaltungsfreiheit der Teilnehmer so wenig wie möglich einzuschränken. 

Dies gelte aber nicht mehr, wenn eine zwingende Vorgabe aufgrund einer eindeutigen Formulierung als solche erkennbar sein. Formulierungen wie „sind nicht möglich“, „darf nicht“ oder „muss“ seien insoweit unmissverständlich als zwingend zu verstehen, wenn der Auftraggeber nicht an anderer Stelle der Auslobungsunterlagen deutlich gemacht habe, dass er trotz dieser verbindlichen Formulierungen keine zwingenden Vorgaben machen will.

Die Vergabekammer stellte außerdem klar: Auch ein Teilnehmer, dessen Beitrag nicht prämiert wurde, kann gegen die rechtswidrige Zulassung anderer Beiträge vorgehen, wenn deren Beiträge gegen bindende Vorgaben verstoßen und deswegen ebenfalls nicht hätten prämiert werden dürfen. Darin liege ein Verstoß gegen den vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. 

Die Vergabekammer verpflichtete die Kommune daher, das gesamte Vergabeverfahren in das Stadium vor der Wettbewerbsbekanntmachung zurückzuversetzen. Eine Wiederholung der Preisgerichtssitzung war ausgeschlossen, da die Anonymität der Beiträge bereits aufgehoben war.

Praxistipp:

Wettbewerbsteilnehmer sollten Auslobungstexte sorgfältig auf bindende Vorgaben prüfen. Sofern der Auftraggeber in den Auslobungsunterlagen nicht eindeutig klargestellt hat, dass die Vorgaben der Auslobung nicht bindenden sind, kommt es auf die genaue Formulierung in den Auslobungsunterlagen an. Bei Unsicherheiten ist es ratsam eine Rückfrage an den Auslober zu stellen. 

Wettbewerbsbetreuende Büros sollten bei der Beratung besonders auf die Formulierung etwaiger Vorgaben achten oder jedenfalls allgemein darauf hinweisen, dass der Auslober trotz teils verbindlich klingender Aussagen keine verpflichtenden Anforderungen stellen möchte. So lassen sich unbeabsichtigte Bindungswirkungen vermeiden und der planerische Spielraum bleibt erhalten.

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