Fachkongress der Architektenkamer NRW auf der „Glasstec 2006“ mit über 500 Teilnehmern

Reflexionen: Glas in der Architektur

Glas spielt in der aktuellen Architektur eine dominante Rolle. Die Architektenkammer NRW nutzte deshalb Ende Oktober die „Glasstec“ in Düsseldorf, um im Rahmen der Fachmesse einen Architektenkongress durchzuführen zum Thema „Reflektionen – Glas in der Architektur“. Kooperationspartner war neben der Messe Düsseldorf die Technische Universität Delft.

07. November 2006von Jan Schüsseler

Zum ersten Mal kooperierte die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen mit der Messe Düsseldorf. Winfried Moog, Architekt und Geschäftsführer der Messe, sowie AKNW-Präsident Hartmut Miksch begrüßten über 500 Kongressteilnehmer. Geboten wurde ein vielseitiges Programm mit Beiträgen zur Architekturtheorie, Bauphysik, Baukonstruktion und Gestaltung – rund um den Werkstoff Glas.Unter dem Titel „Repräsentation und Reinheit - Reflektionen zum Thema Glas“ beschäftigte sich Prof. Frank Werner von der Universität Wuppertal mit der Verwendung von Glas während verschiedener Epochen der Baugeschichte. „Glas wurde von den Menschen in vergangenen Jahrhunderten oft als ein himmlisches Material angesehen“, führte Werner in die Thematik ein. Als bahnbrechende Entwicklungen des Glasbaus bezeichnete er den Pavillon von Bruno Taut auf der Werkbundausstellung in Köln 1914 als erster Ganzglaskonstruktion sowie die Glasfassaden des Wissenschaftsparks La Villette in Paris aus den achtziger Jahren, bei denen erstmals punktuelle Halterungen der Glaselemente geplant wurden.

Volkwin Marg aus dem Büro gmp (von Gerkan, Marg und Partner) berichtete anhand eigener Projekte über innovative Verwendungsmöglichkeiten von Glas bei Projekten im öffentlichen Raum. „Für individuelle und innovative Konstruktionen mit Glas gibt es keine Regeln. Das führt bei jedem Entwurf zu Schwierigkeiten mit den Behörden“, stellte Marg fest. Unter den gezeigten Projekten befand sich auch die kühn konstruierte Halle des neuen Hauptbahnhofs Berlin.

Über die Entwicklung des Baustoffs Glas in der Fassade referierte Alan Brookes, Architekt aus Oxford und früherer langjähriger Inhaber des Lehrstuhls für Baukonstruktion an der TU Delft. Er führte aus, dass Glas bis in die fünfziger Jahre ausschließlich als füllendes Element der Fassade diente. Seit den achtziger Jahren werde Glas zunehmend auch konstruktiv eingesetzt. „Für das Jahr 2010 sehe ich insbesondere die positiven Umwelteigenschaften des Materials Glas als entscheidendes Kriterium für seine Verwendung“, prognostizierte Brookes.

Dr. Uta Pottgießer, Professorin für Baukonstruktion an der FH Detmold, stellte eine von ihr entwickelte Systematik zu Gebäuden mit doppelschaligen Glasfassaden vor. Die Zahl realisierter Projekte in dieser Bauweise sei in Deutschland bisher relativ gering geblieben. Bewährt hätten sich in der Regel Bauweisen, bei denen Glasfassaden in ein energetisches Gesamtkonzept integriert wurden. „Experimentelle Lösungen sind besonders dann erfolgreich, wenn sie auf die Standards der Bauindustrie abgestimmt sind“, resümierte Pottgießer.

„Schwitzkasten oder Klimaoase?“ - Praktische bauphysikalische Erkenntnisse zu Bürogebäuden mit doppelschaligen Glasfassaden vermittelte Thomas Schuler, Geschäftsführer des Stuttgarter Ingenieurbüros Transsolar. „Bei der klimatisch sinnvollen Konstruktion von Ganzglasfassaden bedarf es eines ganzheitlichen Planungsansatzes“, betonte auch Schuler. Als Beispiele präsentierte er den Post-Tower in Bonn und das Verwaltungsgebäude der Gelsenwasser AG in Gelsenkirchen, deren energetische Konzepte das Büro Transsolar entwickelte. Schuler nannte eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung neuer Wege der Klimatisierung ohne energieaufwändige herkömmliche Klimaanlagen: „Diese Planungslösungen können nur in Zusammenarbeit mit aufgeschlossenen, mutigen Bauherren entstehen, die die Zusammenarbeit mit Architekten und Ingenieuren nicht allein ihren Juristen überlassen.“

Cepezed aus Delft gehört zweifellos zu den profiliertesten niederländischen Architekturbüros. Michiel Cohen, Mitbegründer der Architektengemeinschaft, zeigte zahlreiche Projektbeispiele zur Verwendung von Glas in Fassade, Dach und Außenraum. Die Palette reichte von Ausstellungspavillons und Messebauten über Verwaltungs- und Institutsgebäude bis zu Sanierungsobjekten und Baumaßnahmen im öffentlichen Raum. „Wir entwerfen gut gestaltete und transparente Bauten von großer Leichtigkeit, in denen sich Menschen gerne aufhalten“, fasste er die Philosophie von Cepezed zusammen. Kritik übte Cohen an der teilweise mangelnden Kooperationsbereitschaft deutscher Behörden bei der Umsetzung innovativer Konstruktionen mit Glas.

Dr. Ulrich Knaack, Professor an der TU Delft sowie an der FH Höxter, zeigte Perspektiven des Konstruierens mit Glas und einer damit verbundenen Entmaterialisierung des Raums auf. „Der Boom des Glasbaus zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts ist vor allem auf die Fortschritte der Fügetechnik zurückzuführen“, erläuterte Knaack. Er verglich die Entwicklung mit der Technologie des Holzbaus, die durch Schichten, Verleimen und Furnieren entscheidende Impulse erhalten habe. „Durch Glas-Komposite, Klebetechniken und Sandwichbauweisen wird sich die Glasanwendung bereits in naher Zukunft erheblich verändern“, sagte Knaack voraus. „Mit der Möglichkeit des Kantens und Schweißens von Glas könnten sich völlig neue konstruktive Möglichkeiten bis hin zu gläsernen Tragwerken ergeben.“ Die Architektinnen und Architekten hätten die Aufgabe, technische Innovationen für das Bauen mit Glas von der Industrie aktiv einzufordern.

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