
Zum 90. Geburtstag: Interview mit Dr. Irene Wiese-von Ofen
Dr. Irene Wiese-von Ofen feierte am 4. Juli ihren 90. Geburtstag. Sie ist ehemalige Bau- und Planungsdezernentin von Essen, langjährige Verbandsratsvorsitzende des "Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung" und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes in Anerkennung ihres Einsatzes für die Rechte von Frauen bei verschiedenen internationalen Planungsprozessen.
Anlässlich ihres 90. Geburtstags und des bundesweiten Women in Architecture-Festivals 2025 (WIA), das am 8. Juli mit einem "Summit" in Berlin einen feierlichen Abschluss findet, konnten die Architektenkammer NRW ein Gespräch mit Dr. Irene Wiese-von Ofen führen. Interview: Christof Rose
Die WIA-Veranstaltungen der Architektenkammer NRW haben gezeigt, dass Frauen weiterhin an vielen Stellen in ihrem beruflichen Alltag und ihrer Karriere benachteiligt sind. Wie ist Ihre Einschätzung zur Situation der Frauen heute in der Planungsbranche?
Es gibt noch immer zu wenig Frauen in Leitungs- und Führungspositionen. Insgesamt hat sich aber schon etwas geändert. Die Entscheider – und das sind ja meistens auch heute noch Männer – haben erkannt, dass Kooperation von Frauen und Männern gut für sie und die Sache ist, sowie man Gedanken, den Erfahrungsbereich, die Kenntnisse, das andere Herangehen von Frauen miteinbezieht.
Insofern haben nach meiner Beobachtung Frauen heute mehr Chancen, wenn sie sie zu nutzen verstehen. Letzteres hat selbstverständlich auch viel mit der Frage der Vereinbarkeit mit familiären Pflichten zu tun, die bei uns in der Gesellschaft immer noch nicht so gelöst ist, dass generell ein Gleichgewicht erreicht wäre. Das besser zu lösen, wäre meines Erachtens ein ein wichtiges Element - bei aller Freude für diesen wunderbaren Beruf.
Wie war es dann für Sie als Frau in einer technisch orientierten Behörde?
Ich bin da nicht so typisch; ich habe nie Schwierigkeiten mit meinen männlichen Kollegen gehabt. Schon in der Schulzeit habe ich gemischte Klassen; damals eher unfreiwillig, denn ich war kriegsbedingt auf sieben verschiedenen Schulen, musste mich immer wieder eingewöhnen, und mehr als die Hälfte dieser Klassen waren gemischte Klassen.
An der Hochschule waren wir 60 Studierende, die aus 180 Bewerbern herausgeprüft worden waren; 58 männliche und zwei weibliche Studierende! Ich wurde zur Fachschaftssprecherin gewählt. Der Rektor hat mich in das Gründungsteam für die Uni Dortmund geholt. Meine Impulse und Gestaltungsideen wurden einbezogen.
Das heißt: Ich war immer irgendwo gefragt, ohne dass ich mich ständig darum bemüht hätte. Offenbar haben die Menschen, die mit mir das Gespräch gesucht haben, gedacht: Sie ist mutig. Oder sie versteht das.
Was wünschen Sie sich für das Thema „Women in Architecture“?
Dass die Frauen ihre Zuneigung zu diesem Beruf behalten. Es ist ein wunderbar vielseitiger, gestaltender Beruf, der Dinge neu erschafft oder umbaut und vollendet. Aus diesem Grund ist er für mich ein besonders befriedigender Beruf, denn diese Vollendung des Neuen oder wieder neu Geschaffenen, das einen Anfang und ein Ende hat, gibt es nicht in vielen anderen Professionen. Ich denke, daran ist Männern wie Frauen in gleicher Weise gelegen. Und wenn sie unterschiedlich damit umgehen, ist es eher ein Reichtum des Vollendens im gemeinsamen Handeln als eine Schwäche des einen (weiblichen) Teils.
Weiteführender Link: Nachbericht zum WIA-Festival und dem Programm der Architektenkammer NRW
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