
WIA25: Mehrwert Diversität!
Die Architektenkammer NRW lud im Juni zum „WIA-Opening im Westen“ und diskutierte mit 450 Teilnehmenden über „Women in Architecture“.
„Diversität in Arbeitsteams trägt nachweislich zum wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen bei.“ Mit dieser Aussage stellte Claudia Berger-Koch, geschäftsführende Gesellschafterin von HPP Architekten heraus, dass Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt nicht allein ein gesellschaftliches Ziel, sondern auch aus unternehmerischer Sicht eine kluge Strategie seien. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Rebekka Pottgüter sprach die Senior-Partnerin von HPP am 24. Juni im Online-Symposium der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Rund 450 Teilnehmende folgten den Vorträgen und Impulsen, mit denen die AKNW zum WIA-Festival 2025 beitrug. Die Kammer hatte zudem am 17.06.25 das „Women in Architecture“-Festival mit einer Netzwerkveranstaltung im Baukunstarchiv NRW in Dortmund im Westen eröffnet.
Die große Resonanz auf die beiden WIA-Veranstaltungen zeige, wie hoch der Diskursbedarf sei, sagte Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer NRW, in seinem Statement zu „Diversität in Kammer und Berufsstand“. Die Architektenschaft werde weiblicher, da schon länger deutlich mehr als die Hälfte der Studierenden junge Frauen seien. Von den aktuell über 32.000 Kammermitgliedern seien etwa 13.500 Frauen - Tendenz steigend. „Führt man diesen Trend fort, wird unsere Kammer spätestens in zehn Jahren so viele weibliche wie männliche Mitglieder haben.“ Zu den Themen, an denen der Berufsstand dringend arbeiten müsse, gehöre der Gender-Pay-Gap, der in Europa bis zu 26 Prozent zum Nachteil von Architektinnen betrage. Zudem müsse an flexibleren Arbeitsstrukturen und einer Stärkung der Vielfalt in den Belegschaften gearbeitet werden.
Sexistische Planung?
„Diversity ist ein wichtiges gesellschaftliches Ziel, aber leider immer noch nicht unsere Realität!“ Mit dieser Aussage eröffnete die bekannte Moderatorin („Frau TV“) und Bestsellerautorin Lisa Ortgies ihre Keynote zum WIA-Symposium der AKNW. Die Selbstbestimmung der Frau sei beim Planen und Bauen lange Zeit nicht mitgedacht worden. Im Gegenteil: Wohnkonzepte hätten die Frau an Haus und Herd gebannt. „Das Einfamilienhaus ist ein sexistisches Produkt“, spitzte Ortgies zu. Mit 30 Jahren Erfahrung in der Medien- und Kulturszene müsse sie feststellen: „Es geht langsamer voran, als ich erwartet hatte." Noch immer werde Männern mehr Kreativität und Willenskraft als Frauen zugesprochen. „Es gibt nach wie vor viel zu tun beim Thema Gleichstellung!“
Mit einer kritischen Bestandsaufnahme akuteller globaler Strömungen stieg Josefine Paul, Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes NRW, in ihren Beitrag ein. „Aktuell ziehen sich Unternehmen teilweise aus ihren Bemühungen um Diversität zurück. Dem müssen wir aktiv entgegensteuern“, warb die NRW-Gleichstellungsministerin. „Diversität heißt Vielfalt - und das bedeutet auch vielfältige Herausforderungen für uns als Gesellschaft“, so Josefine Paul. Die Landesregierung unterstütze das Werben für mehr Diversität mit Kampagnen und Programmen. Ein Einsatz, der sich lohne: „Vielfalt beflügelt und inspiriert!“
WIA bundesweit
Über die Entstehung, Gegenwart und die Zukunft des WIA-Festivals berichtete Elke Duda, Architektin und Mitglied des WIA-Beirates 25 aus Berlin. Die Idee sei 2018 von aktiven Frauen des Planerinnenvereins „n-ails“ entwickelt und 2021 in Berlin mit dem ersten WIA-Festival umgesetzt worden. „Dass schon die zweite Ausgabe des WIA bundesweit läuft, mit mehr als 200 Akteur*innen und 270 Formaten in allen 16 Bundesländern, hatte ich vielleicht erhofft, aber nicht wirklich erwartet“, erklärte Elke Duda auf Nachfrage des Symposium-Moderators Christof Rose (stellv. Geschäftsführer AKNW). Elke Duda, die als Beirätin das WIA-Festival weiterhin aktiv begleitet, betonte, die Unterrepräsentanz von Frauen in der Fachöffentlichkeit habe systemische Ursachen. „Eine Frau auf dem Podium macht noch keinen Sommer. Es müssen strukturelle Veränderungen vollzogen werden. Hier ist unsere Gesellschaft insgesamt gefragt.“
Neue Arbeitskonzepte gefragt
Für ein Umdenken in der Baubranche und für mehr Wertschätzung und Sichtbarkeit von Frauen in allen Lebensphasen plädierte Dr. Isabel Zintl, Nachhaltigkeitsexpertin, Mentorin und Gründerin der Akademie für Raum und Wandel. „Klimawandel, Digitalisierung, künstliche Intelligenz: Wir befinden uns in einem grundlegenden Paradigmenwechsel. Dabei muss klar gesagt werden, dass die aktuellen Strukturen Frauen größtenteils nicht miteinbeziehen“, so Zintl. Sie warb insbesondere für ein Berufsverständnis, das weibliche Lebensrhythmen einbeziehe. „Ich wünsche mir, dass Architektur nicht nur mit Schweiß und Tränen entstehen kann.“
Ebenfalls für praktische und sehr konkrete Lösungsansätze, die die flexible Arbeitszeitgestaltung in Architekturbüros betreffen, setzt sich Dr. Sandra Schuster vom Lehrstuhl für Architektur und Holzbau der der TU München ein. „Wer lebenswerte Räume für Menschen gestaltet, braucht Strukturen, die Lebensrealitäten berücksichtigen und Vielfalt ermöglichen“, so Schuster. „Diese Handlungsschritte können dabei jedem Büro, ob groß oder klein, mit relativ wenig Aufwand helfen: Führung sensibilisieren, Zeiterfassung einführen, Projektplanung mit realem Zeitbedarf, Präsenzkultur thematisieren und Teamkommunikation stärken!“
Erfahrungen von Planerinnen aus der Praxis
Um die Umsetzung dieser Maßnahmen ging es unter anderem im ersten Beitrag im Rahmen des „Elevator Pitches“, mit dem die AKNW ihr WIA-Fachsymposium am 24. Juni abrundete. „Der Frauenanteil in der Führungsebene der Architekturbranche ist mit knapp acht Prozent nach wie vor sehr gering“, bedauerte Claudia Berger-Koch von HPP Architekten. „Dabei wissen wir, dass Europäische Unternehmen mit gemischten Führungsteams eine um 60 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben, überdurchschnittlich profitabel zu sein“, führte die geschäftsführende Gesellschafterin aus. „In unserem Büro setzen wird gezielt Impulse für proaktives Positionieren der Frauen“, ergänzte Rebekka Pottgüter, Head of Communications bei HPP.
Ihre Erfahrungen aus „vier Jahrzehnten in der Planungsbranche“ teilte Cornelia Zuschke mit dem Publikum des WIA-Symposiums. Die Beigeordnete der Landeshauptstadt Düsseldorf für Planen, Bauen, Wohnen und Grundstückswesen verwies darauf, dass sie sich immer mehr habe anstrengen müssen als männliche Kollegen, um berufliche Ziele zu erreichen und um sich Gehör in der männlich dominierten Branche zu verschaffen. „Die zentralen Handlungshilfen sind aus meiner Sicht: Kompetenzen erringen, sichtbar machen und eigene Flexibilität erhöhen.“ Zuschke riet dazu, auf Basis von Wissen und Erfahrung klare Haltungen zu entwickeln. „Mehr wagen! Und – ausschlaggebend – für ein gutes Netzwerk sorgen!“
Gendergerechte öffentliche Räume
Mit dem letzten Elevator Pitch-Beitrag bekamen zwei junge Absolventinnen der Technischen Hochschule Köln die Gelegenheit, die zentralen Erkenntnisse ihrer Masterarbeit „Die emanzipierte Stadt – (k)eine Utopie?“ zu präsentieren. Sarah Bauer und Anne Keiffenheim hatten am Beispiel des Stadtzentrums Leverkusen sechs Thesen für eine emanzipierte Stadt entwickelt. Zentrale Forderungen an die emanzipierte Stadt lauteten dabei „Care: Pflicht und Recht für alle“ oder „100 % Klimaschutz“. „Wir glauben fest daran, dass eine faire, emanzipierte und gendergerechte Stadt keine Utopie sein muss“, schlossen die jungen Planerinnen das vielfältige und von den Teilnehmenden vielfach als „inspirierend“ kommentierte Online-Symposium der Architektenkammer NRW im Rahmen des ersten bundesweiten WIA-Festivals ab.
Diskurs weitertragen!
Auch Barbara Eitner, Vorsitzende des Arbeitskreises Chancengleichheit der Architektenkammer NRW, zeigte sich beeindruckt von den vielfältigen Erkenntnissen, Empfehlungen und Forderungen des WIA-Symposiums. „Solche Formate sind wichtig für unsere Gesellschaft.“ Sie werde viele Anregungen mit in die Diskussionen des Kammer-Arbeitskreises Chancengleichheit mitnehmen, versprach die Düsseldorfer Innenarchitektin. Das WIA-Festival sei nicht nur eine Bestandsaufnahme zur Position von Frauen in der Architekturbranche, sondern auch voller Aufträge, an diesen Themen weiterzuarbeiten. Eitner: „Immer wieder WIA!“
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