WIA-Opening im Westen: Starke Frauen in der Architektur
Beim ersten bundesweiten Festival zur Sichtbarmachung von Frauen in Architektur, Innenarchitektur, Stadt- und Freiraumplanung kamen am 17. Juni 2025 rund 150 Teilnehmer*innen im Baukunstarchiv NRW in Dortmund zusammen. „Die Sichtbarkeit von Frauen in Architektur ist weiterhin zu gering – auch in unserem Bundesland“, sagte Barbara Eitner, Vorsitzende des Arbeitskreises Chancengleichheit der AKNW, in ihrem Eingangsstatement. „Es gibt diverse Handlungsfelder, denen wir uns widmen: Missstände aufzeigen, verschiedene Formate sichtbar machen, Unterstützung jeglicher Art zu bieten.“
Auch aus den Erfahrungen der Landesinitiative Baukultur NRW besteht das Problem, dass allzu oft Architekturen zwar in gemischten Teams erarbeitet werden, in der Außendarstellung dann aber der Büroinhaber als Einzelperson auftrete. Peter Köddermann, Geschäftsführer Programm Baukultur NRW, nannte die Planerinnen in seinem Impulsvortrag „Unsichtbare Gestalterinnen“. Er betonte: „Es sollte keine Rolle spielen, von wem ein Bauwerk konzipiert und gebaut wurde. Das Resultat sollte das Einzige sein, das zählt. Nichts anderes ist aus meiner Sicht Baukultur!“
Gendergerechte Stadt
Sebastian Schlecht, Gründer von lala.ruhr, sprach gemeinsam mit Janine Boscheinen und Yannis Kulosa von „architects for future“ über Geschlechterdiskriminierung beim Planen und Bauen. „Wenn Männer Räume planen, arbeiten sie aus ihrer Perspektive.“ Die faire, gendergerechte Stadt müsse stärker aus weiblicher Sicht gedacht werden. „Fürsorglichkeit, Care-Arbeit darf auch in der Architektur nicht ausschließlich als weiblich konnotiert angegeben werden.“
Gleichstellungsdefizite in der Lehre
Über die Gleichstellung im universitären Bereich sprachen Vertreterinnen der TU Dortmund und der TH OWL. Prof. Dr. Bettina Brune, Inhaberin des Lehrstuhls für Stahlbau an der TU Dortmund, und Prof. Heike Hanada vom Lehrstuhl für Gebäudetypologien der TU Dortmund zeigten eindrucksvoll anhand von Statistiken, wie die Situation der Studentinnen der Architektur- und Ingenieurfachrichtungen in der Hochschullandschaft in NRW aussieht. „Frauen machen die besten Abschlüsse, weil sie diese Fächer viel bewusster studieren. Und dennoch sind aktuell nur 16 % der Professor*innen in unseren Bereichen weiblich“, so Heike Hannada. „Studentinnen brauchen weibliche Vorbilder!“ Es gehe nicht allein um die Prozentzahlen, sondern auch um die Rollen, die vorgelebt werden, betonte Prof. Bettina Brune.
Leaky Pipeline der Wissenschaft
Dem pflichtete auch Dr. Ute Aufmkolk von der Technischen Hochschule OWL bei. Im Bereich der Landschaftsarchitektur seien 71 % der Studierenden weiblich. „Und dennoch werden es im späteren Verlauf, wenn es darum geht bestimmte Positionen im Wissenschaftsbereich zu bekleiden, immer weniger“, schilderte Ute Aufmkolk die Situation ihrer Fachrichtung. „Wir sprechen hier von der Leaky Pipeline der Wissenschaft.“ So werde der in der Wissenschaft absinkende Frauenanteil auf den verschiedenen Qualifizierungsebenen und Karrierestufen bezeichnet, der in vielen Fachbereichen trotz zunehmend höherer Bildungsabschlüsse von Mädchen und Frauen und trotz aller Frauenförderpläne und Gleichstellungspolitiken immer noch stark zu verzeichnen sei.
Stereotype und Zuschreibungen
Dass die „Leaky Pipeline“ auch in der Realität der freien Berufe zu finden sei, demonstrierte Bauingenieurin Sarah Kosmann. Die Mitgründerin des Bündnisses „Frau liebt Bau“, die auch einen Sitz im Vorstand der Ingenieurkammer-Bau NRW hat, stellte ihren Impuls unter den Titel „50-30-7“: „Ich bin eine von 7 % - so viele weibliche Führungskräfte gibt es nämlich im Bauingenieur-Bereich.“
Woran das liege? Die Gründe seien vielfältig, führte Sarah Kosmann aus: „Stereotypes Bild des Bauingenieurs, struktureller Sexismus, das fehlende Zutrauen in die analytischen und mathematischen Fähigkeiten von Mädchen, das Zuweisen von Hilfsrollen wie zum Beispiel Praktikantin im Baubereich.“ Um dem entgegenzuwirken, müssten alte Strukturen aufgebrochen und neue geschaffen werden.
Die Perspektive der Frauen in Architektur im Filmbereich präsentierte Astrid Engel, Architektin und Mitgründerin des „Kleinen Kinos am Weingarten“ in Minden. Astrid Engel versteht ihr Engagement für ein ehrenamtlich geführtes Programmkino in Minden als Beispiel für bürgerschaftliches Engagement. Im Rahmen des WIA-Festivals zeigt das Mindener Programmkino eine Filmreihe, die den Frauen in der Architektur gewidmet war.
„Wie bauen Frauen Zukunft? Wie filmen sie Stadt? Wie verändern Frauen die Welt – Stein für Stein, Bild für Bild?“ Diese Fragen, so Astrid Engel, beantworteten einige Filme ihrer Kinoreihe, die Fragen müsse aber auch die Gesellschaft insgesamt beantworten.
Ideen im Elevator Pitch
Zum Abschluss des „WIA-Opening im Westen“ der Architektenkammer NRW präsentierten drei Akteurinnen aus den Bereichen Architekturbüro, kommunale Planung und Studentenschaft in einem Elevator-Pitch ihre Gedanken zur Rolle der Frau in der Architektur.
Monika Lepel, Architektin und Mitgründerin vom Büro für Architektur und Innenarchitektur „Lepel & Lepel“, forderte in ihrem Kurzvortrag die Zuschauer*innen auf, sich als Teil einer Inszenierung zu verstehen. „Wenn du auf die Bühne kommst, nimm Deine Rolle an! Du musst diese Rolle perfekt beherrschen – auch wenn Du möglicherweise nur als Zweitbesetzung eingesetzt wirst. Geh auf die Bühne, begeistere das Publikum und genieße den Applaus!“.
Birgit Niedergethmann. Leiterin des Stadtplanungs- und Bauordnungsamtes der Stadt Dortmund, sprach über die Gleichstellung im kommunalen Bereich und die damit einhergehende Entwicklung in den letzten vierzig Jahren. „Wir haben jetzt nicht nur flexible Arbeitszeiten und Mentoring-Programme, sondern es ist nun auch für Frauen, die in Teilzeit arbeiten, möglich, eine Führungsposition bei uns zu bekleiden – indem man sich eine volle Stelle zu zweit teilt!“
Ein glühendes Plädoyer für mehr Gleichberechtigung gelang zum Abschluss der Studentin der Bergischen Universität Wuppertal, Ceyda Bulut. „Ich bin dankbar für die Möglichkeit, Teil dieser wichtigen Debatte zu sein – und gemeinsam mit vielen engagierten Menschen an einer offenen, diversen und zukunftsfähigen Planungskultur mitzuwirken.“ Leider sei struktureller Sexismus immer noch Teil ihres Alltags als junge Planerin. „Nur weil ich eine Frau bin, muss ich nicht im Büro administrative Aufgaben übernehmen, währen meine männlichen Kollegen mit auf die Baustelle dürfen. Wir Frauen wollen alles, wir können alles, und wir lassen und nicht zurückdrängen!“
Mit tosendem Applaus verabschiedete das Publikum die Referentinnen von der Bühne. Auf der Terrasse des Baukunstarchivs NRW bestand im Anschluss bei Snacks, Getränken und sommerlichem Wetter die Möglichkeit, das WIA-Netzwerk weiter auszubauen, sich auszutauschen und Kontakte zu knüpfen.
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