Tag der Architektur

Tag der Architektur: Neue Horizonte

„Wir sind auf der Suche nach ungewöhnlichen, urbanen Wohnideen - und davon findet man ja glücklicherweise eine ganze Reihe am Tag der Architektur!“ Mechthild Kemna und Andreas Lettmann waren am Tag der Architektur in Düsseldorf unterwegs, um sich Anregungen für ihren geplanten Immobilienerwerb zu suchen. Das „Loft im Hinterhof“ von Archi-tekt Thorsten Ehrich kam ihren Vorstellungen schon ziemlich nahe. 550 weitere spannende Objekte gab es am 26. und 27. Juni in Nordrhein-Westfalen zu sehen. 40.000 Architektur-freunde und angehende Bauherren nahmen das Angebot der Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner an.

28. Juni 2010von Christof Rose und Melanie Brans

An der Spitze des Besucherinteresses lagen auch in diesem Jahr wieder Einfamilienhäuser und Wohnungsbauten, sowohl Neubauten als auch Modernisierungen im Bestand. Ob modernes Stadthaus oder Villa auf dem Lande: Großzügige Einfamilienhäuser, die zum Träumen einladen, zogen teilweise mehrere hundert Besucher an. So konnte sich der junge Kölner Architekt Holger Kirsch an den beiden Besuchstagen über mehr als 200 Interessierte freuen, die sein im Bauhausstil gehaltenes Wohnhaus in der historischen „Göttersiedlung“ in Köln-Rath-Heumar inspizierten. „Das ist für uns eine sehr gute Gelegenheit, unsere Kompetenz anschaulich zu demonstrieren und uns auch persönlich zu präsentieren“, erläuterte Kirsch seine Motivation, sein Privathaus zwei Tage lang zu einem öffentlichen Objekte zu machen.

Ähnlich sah es auch Architektin Kerstin Wessels in Münster. Auch sie öffnete ihr Privathaus - ein modernes Wohngebäude mit weißer Putzfassade, großen Fensterflächen und Garten mit Schwimmteich - für Interessierte. Über 400 Besucher zählte sie bis Sonntagmittag. Mit ihrem Entwurf habe sie auf die besondere Lage des Gebäudes am Ende einer langen, engen Zufahrtstraße und am Rande des Landschaftsschutzgebietes reagiert, erklärte sie den Besuchern. „Als Architekten ergründen wir Vor- und Nachteile eines Grundstücks und reagieren auf diese.“Image- und Kundenwerbung

Allgemeine Imagearbeit und konkretes Werben um neue Auftraggeber - das sind für die meisten Architektinnen und Architekten die Gründe, warum sie sich am Tag der Architektur gerne beteiligen. „Wir räumen in jeden Jahr wirklich Bauherren ab, das überrascht uns selber immer wieder“, berichtete auch Architekt Georg Poensgen, der mit seiner Partnerin, Innenarchitektin Andrea Denzer, zum wiederholten Male mit einem Wohnhausprojekt am „Tag der Architektur“ dabei war. Ihr „Umbau und Sanierung eines Wohnhauses“ lockte knapp 100 Interessierte nach Euskirchen.

Besitzerstolz und Dankbarkeit

Angesichts des großen Zuspruchs stellen sich viele die Frage, warum die Eigentümer und Bauherren eigentlich am Tag der Architektur dazu bereit sind, ihre Häuser für Besucher zu öffnen. „Ich möchte auf diese Art unserem Innenarchitekten meinen Dank ausdrücken für eine hervorragende Arbeit“, erklärt Dr. Peter Heider, Besitzer des „Haus Schlickum“ in Korschenbroich. Innenarchitekt Marco Glashagen entwarf für die Familie Heider die Umnutzung eines Kutschenhauses. Entstanden ist ein skulptural wirkender Wohnraum, der viele Besucher faszinierte.Reaktionen auf demografischen Wandel

Der Tag der Architektur konnte in diesem Jahr erneut mit hohen Besucherzahlen aufwarten. Mit 551 Häusern, Parks und Gärten waren mehr Objekte zu sehen, als je zuvor. Zugleich lassen sich aus den gezeigten Bauwerken auf Trends und Entwicklungen ablesen. In diesem Jahr fiel auf, dass viele Umnutzungen und Modernisierungen von Bestandsbauten präsentiert wurden. Außerdem konnten an vielen Orten Beispiele für gemeinschaftsorientiertes und altengerechtes Wohnen besichtigt werden. In Mönchengladbach-Hehn stellten Architektin Jutta Quasten-Mundt und Alexander Mundt die Gruppenwohnanlage „Zum Alten Kloster“ vor, 20 öffentlich geförderte, barrierefreie Wohnungen, die in Wohngruppen organisiert wurden. „Viele Interessierte wollten sich über solche Wohnformen informieren oder suchten ganz konkret nach einer solchen Wohnung“, bilanzierte Jutta Quasten-Mundt. Ähnlich die Erfahrung von Architekt Günter Baum. Er führte in der Neusser City durch das neue „Wohn- und Geschäftshaus Krefelder Straße“, in dem das Atelier Fritschi Stahl Baum 27 geförderte Wohneinheiten realisierte.Alternative Energien und Passivhäuser

Fast schon zum Standard gehören beim Tag der Architektur inzwischen Objekte, die mit alternativen Energien oder modernster Heiztechnik versorgt werden. Und doch gibt es immer wieder Beispiele, die Aufsehen erregen. So wie das Mehrfamilien-Passivhaus, das Architekt Jörg Petzold im neuen Münsteraner Stadtteil Gievenbeck realisiert hat. 20 Wohneinheiten auf vier Geschossen, Photovoltaikanlage, solarthermische Anlage zur Wärmegewinnung, Sole-Wasser-Wärmepumpe - ohne Zweifel ein Projekt, das auf dem neusten Stand der Technik ist. „Und der Beweis, dass man diese Standards auch im Geschosswohnungsbau umsetzen kann“, sagte Jörg Petzold. Das überzeugte auch Vertreter von Wohnungsbaugesellschaften, Bauträgern und Kommunen, die das Objekt besichtigten. „Viele ernsthafte Akquise-Gespräche“ habe er geführt, so Petzold. „So macht das doch Spaß!“

Stadtplanung anschaulich gemacht

Größere Wohnungsbauprojekte thematisieren immer auch stadtplanerische Fragen. Insgesamt zehn Objekte waren in diesem Jahr dem engeren Themenfeld der Stadtplanung zuzuordnen; darunter auch die städtebauliche Entwicklung der „Archäologischen Zone“ auf dem Kölner Rathausplatz des Büros Wandel Hoefer Lorch + Hirsch.

Besonders gefragt sind immer auch die Objekte der Landschaftsarchitektur. Das bestätigte Landschaftsarchitektin Brigitte Röde. „Wir sind bisher bei jedem Tag der Architektur dabei gewesen“, so die Kölnerin, die in diesem Jahr einen Garten in Hanglage in Schwelm präsentierte, den sich die Besucher erwandern konnten. „Dieser Tag ist eine schöne Gelegenheit, ehemalige oder neue Bauherren zu Gesprächen einzuladen.“Spektakuläres und Außergewöhnliches

Der Tag der Architektur wirbt für die Faszination von Architektur, für die Leistungen von Architekten und Stadtplanern, für das Erlebnis Baukultur. Architektur weitet „Horizonte“, so lautete das bundesweite Motto der Veranstaltung dieses Jahr. In Düsseldorf nahmen rund 500 Architekturfans das wörtlich: Sie besuchten das neue SkyOffice von ingenhoven architekten am Kennedydamm in der nördlichen Innenstadt. Im 14. Obergeschoss erläuterte der projektverantwortliche Architekt Rudolf Jonas die Architektur vor einer grandiosen Kulisse. Denn bei dem herrlichen Wetter, das den Tag der Architektur zu einem Ausflugserlebnis machte, bot sich den Interessierten ein Blick weit über die Landeshauptstadt hinaus.

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