Werner Ruhnau (1922 – 2015): Homo ludens

Das Werk von Werner Ruhnau auf die bekannten und oft publizierten, fertig gestellten Bauwerke zu begrenzen, hieße den Rahmen viel zu eng zu fassen. Ihre Bedeutung erhalten die architektonischen Entwürfe für Theater, Wohn- und Arbeitsstätten, für öffentliche Räume und Schulhöfe erst als Teil eines lebenslangen Bemühens darum, Kontexte zwischen Mensch und Raum, Organismus und Klima, Architektur und Kunst zu ermöglichen. In stets offenen Prozessen, auf Fortgang und Ausdehnung ausgerichtet.

14. Mai 2015von Dr. Gudrun Escher

Dieser Tage startet am Bauhaus in Dessau im Hinblick auf das Jubiläumsjahr 2019 das Langzeitprojekt "Kann Gestaltung Gesellschaft verändern?" Ruhnau, der sich intensiv mit Gedanken des Bauhauses, insbesondere mit Oskar Schlemmer und der Bauhausbühne auseinandersetzte, würde die Menschen nicht als Objekt, sondern als Subjekt begreifen und wohl anders fragen: Wie kann spielend gewonnene, sinnliche Erfahrung die Lebenswelt lebensfördernd beeinflussen?

Historiker Joan Huizinga und Pädagoge Hugo Kückelhaus inspirierten Werner Ruhnau
Der niederländische Historiker Joan Huizinga mit seinem Hauptwerk "Homo ludens" und der aus Essen stammende Tischlermeister, Künstler und Pädagoge Hugo Kückelhaus waren wichtige Bezugsgrößen im Denken und Wirken von Werner Ruhnau. Ruhnau traf Kückelhaus drei Jahre nach der "Spielstraße" zur Olympiade 1972 - hier begegneten sich kongeniale Geister. Zehn Jahre lang, von 1979 bis 1988, hatte Ruhnau dann den Vorsitz im Verein „Organismus und Technik. Gesellschaft zur Förderung der Gestaltung der Lebenspraxis im Sinne humanbiologischer Forschungsergebnisse e.V.“ inne, der sich die Fortführung der Kückelhaus’schen Ideen zur Aufgabe gemacht hatte. Ohne den Verein als Unterstützer hätte das 1975 von Hugo Kückelhaus erstmals konzipierte "Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne" keine so weite Verbreitung gefunden. Die dauerhafte Etablierung gelang in Wiesbaden und nicht (wie erst geplant) in Essen-Kettwig, im Haus und Garten Ruhnau, der als  "KunstOrt" für kooperative Arbeit, für den Austausch von Ideen und das festliche Spiel gedacht war.

Architekt des Musiktheaters im Revier in Gelsenkirchen
Andere Anstöße versandeten wie das seit 2004 in einer offenen Arbeitsgruppe mit dem BDA Ruhrgebiet und dem Deutschen Werkbund NW entwickelte Aktionsprogramm "BauKunst und Spiele", "um verborgene und vergessene Qualitäten der Beziehungen zwischen Architektur und öffentlichem Raum, zwischen Geschichte und Gegenwart und den Menschen, die sich dort bewegen, zu diskutieren und in gemeinsamen Aktionen zu gestalten", so 2005 formuliert in einem Thesenpapier von Werner Ruhnau und Elisabeth Stelkens. An der Unterstützung durch die Theatermacher hätte es nicht gefehlt. Michael Schulz, Intendant des Musiktheaters im Revier in Gelsenkirchen, wo Ruhnau noch bis zuletzt Hausführungen leitete, spricht in einem Nachruf der WAZ von einem riesigen Verlust: "Wir hatten bei der Nachricht das Gefühl, ein Teil des Hauses verblasst. Ruhnau war ein großer Visionär und Ideenstifter. Seine Arbeit hat auf die Bühne ausgestrahlt. Das habe ich noch an keinem anderen Haus so erlebt."

Beisetzung in der "Künstlernekropole" im Habichtswald bei Kassel
Rückschläge waren kein Anlass für Ruhnau, seine Grundhaltung und Ziele aufzugeben. Konsequent bis zuletzt hatte er sich schon 1994 dem Projekt einer "Künstlernekropole" im Habichtswald bei Kassel angeschlossen und dort seine eigene Ruhestätte errichtet, ein in die Wiese eingesenktes Stufengeviert, auf das durch vier Tore Wege zuführen. Jetzt wurde er dort, wo er seit Jahren seinen Geburtstag am 11. April festlich beging, nach der vorgesehenen "Spielanleitung" beigesetzt. Auch sein schriftliches Vermächtnis liegt druckfertig vor, ein 80-seitiges Kompendium letzter Hand unter dem Titel "Werner Ruhnau. Spiel und Spielräume", zusammen getragen von Dorothee Lehmann-Kopp. Geplant als Begleitbuch zu einer Ausstellung im ZKM in Karlsruhe, ist nun allerdings die Zukunft offen, bis Erbschafts- und Rechtefragen geklärt sind. Das gezeigte Portrait gelang dem Essener Fotografen Reiner Worm während eines Gesprächs mit Ruhnau. So wird er im Gedächtnis bleiben: kritisch, ironisch und mit innerlichem, heiterem Ernst auf die Welt schauend.

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