Architektur und Film in Bielefeld: Architekturfotografie
Mit einer neuen Staffel der Reihe „Architektur und Film“ nehmen die Architektenkammer NRW und das Filmmuseum der Landeshauptstadt Düsseldorf die Architekturfotografie in den Fokus.

- Termin ab 28. Oktober 2025
- Ort
- Lichtwerk Bielefeld
- Ravensberger Park 7
- 33607 Bielefeld
- Anfahrt
Wir empfehlen, frühzeitig Karten über das Kino zu reservieren.
Architektur ist ein stilles und geduldiges Modell für die Fotografie – und bietet damit perfekte Voraussetzungen für lange Belichtungszeiten. Bei der bahnbrechenden Erfindung der Fotografie in der Mitte des 19. Jahrhunderts waren Bauwerke die ersten Motive überhaupt – wie es die ersten Daguerreotypien beweisen.
Architektur mag die Kunst einer körperlichen und sinnlichen Wahrnehmung schlechthin sein, bleibt jedoch oft außerhalb der eigenen Erlebniswelt. Was uns Architektur dennoch näherbringen kann und ihre Rezeption stark beeinflusst, ist die Fotografie. Wenn der lebendige, konkrete Zugang im dreidimensionalen Raum verwehrt ist, bleibt der Weg über die Fotografie, der über zeitliche und räumliche Grenzen hinaus verfügbar ist.
Der Fotografie kommt dabei nicht nur eine dokumentarische Aufgabe zu – ein „Sich-Erinnern“ -, sondern auch eine vermittelnde: Dank der Fotografie lernen wir architektonische Räume und gestaltete Landschaften kennen, als ob wir sie vor Ort gesehen hätten. Manche architektonischen Objekte sind weltbekannt, weil Fotografien sie in das kulturelle Gedächtnis eingeschrieben haben.
Architekturfotograf*innen gibt es viele, ihre Herangehensweisen sind vielfältig – dennoch sind Dokumentarfilme über sie nach wie vor selten. Die neue „Architektur und Film“-Staffel möchte einen filmischen Einblick in die Welt der Architekturfotografie bieten. Es geht um eine Dreiecksbeziehung: Architektur, vermittelt durch Fotografie, inszeniert durch Film. Einerseits liegt der Fokus auf Fotograf*innen und Künstler*innen, die für das Genre berühmt sind und es nachhaltig geprägt haben. Andererseits treten die Objekte selbst in den Vordergrund.
Die Filme
Lucien Hervé: Photographe malgré lui
Lucien Hervé: Photographer despite himself
B 2013 · 54 min · OmU · digitalDCP
R/B: Gerrit Messiaen K: Gerrit Messiaen, Igor De Baecke, Maarten Ameloot
Ein Fotograf mit der Seele eines Architekten: So beschrieb Le Corbusier Lucien Hervé (1910 - 2007, geboren in Ungarn als László Elkán), nachdem er die 600 Fotografien seiner Unité d’habitation in Marseille gesehen hatte, die Hervé an einem einzigen Tag aufgenommen hatte. Die Begegnung mit Le Corbusier beeinflusste Hervés Karriere nachhaltig: Er wurde dessen offizieller Fotograf und begleitete ihn bis nach Chandigarh (Indien). Hervé fotografierte jedoch auch für andere Architekt*innen, unter anderem für Marcel Breuer und Kenzo Tange.
Der belgische Filmemacher Gerrit Messiaen konnte den über 90-jährigen Fotografen und seine Frau zweimal interviewen. Sie gaben ihm viel Bildmaterial, darunter auch Fotos von ihrem Sohn Daniel Rudolf, ebenfalls Fotograf. Der Film ist ein berührendes Porträt eines Künstlers, der es mit seiner Fotografie verstand, die Architektur, ihr Volumen sowie die spezifischen Lichtverhältnisse mit einer beeindruckenden Treue wiederzugeben.
Im Anschluss:
Das Haus
B·A · 21 min · ohne Ton · digitalDCP
R/B/K: Aglaia Konrad
Der auf 16 mm gedrehte Experimentalfilm „Das Haus“ erforscht die skulpturale Dimension der Architektur am Beispiel eines von dem belgischen Architekten Juliaan Lampens (1926 - 2019) in Sint-Martens-Latem entworfenen Hauses. Die österreichische Künstlerin Aglaia Konrad (*1960) interessiert sich für das Potenzial des filmischen Mediums, eine architektonische Erfahrung zu erzeugen – und nicht nur einzufangen. Eine Erfahrung, die in diesem Film über das Visuelle hinausgeht und die körperliche Wahrnehmung aktiviert.
Visual Acoustics: The Modernism of Julius Shulman
USA 2009 · 84 min · OmU · digitalDCP
R: Eric Bricker B: Eric Bricker, Phil Ethington K: Aiken Weiss, Dante Spinotti
Ein ikonisches Werk im Bereich der Architekturfotografie: Ein modernistisches Haus in den Hollywood Hills schwebt über der in der Nacht schimmernden Metropole Los Angeles, die sich bis zu einem weit entfernten Horizont erstreckt. Das Schwarzweiße hebt die klaren Konturen der Architektur, die Hell-Dunkel-Kontraste und die Spiegelungen eindrucksvoll hervor.
Der Künstler hinter dieser Fotografie ist Julius Shulman (1910 - 2007), der neben Ezra Stoller als einer der bedeutendsten Architekturfotografen der Nachkriegsmoderne in den USA gilt. Das „Stahl-House“, auch als „Case Study House #22“ bekannt, war von Pierre Koenig (1925 - 2004) im Jahr 1960 gebaut worden. Shulman selbst wuchs in Los Angeles auf, beobachtete die dortige rasante Stadtentwicklung und dokumentierte sie bereits ab 1936 fotografisch. Durch die Linse der Kamera wird unser Blick auf die modernistische Architektur der kalifornischen Großstadt gerichtet.
Der US-amerikanische Regisseur Eric Bricker (*1970) präsentiert hier seinen ersten Film. Durch die Freundschaft mit dem Fotografen bekam er Zugang zu umfangreichem Material, das er im Film auf ebenso originelle wie unterhaltsame Weise montiert. Zahlreiche Interviews eröffnen vielfältige Perspektiven auf das Gesamtwerk Shulmans. Das Geräusch des Auslösers der analogen Kamera gibt den Takt im Film an.
Die Fotografen Bernd und Hilla Becher
D 2015 · 94 min · DF · digital1080p
R/B: Marianne Kapfer K: Dirk Heuer, Enrico Wolf, Ahmed Aynan, Marianne Kapfer
Fotografien und Filme über Industriearchitektur waren im 19. Jahrhundert zwei wichtige Verfahren, mit denen die monumentale Macht der industriellen Revolution gefeiert werden sollte. In den 1950er Jahren entwickelten Bernd (1931 - 2007) und Hilla Becher (1934 - 2015) einen gänzlich anderen Ansatz. Nüchtern-sachlich dokumentierten sie Zeugnisse einer verschwindenden Industrielandschaft in Deutschland. Innerhalb von zehn Jahren entwickelten sie eine konzeptuelle künstlerische Praxis, die sich besonders an der Form der fotografierten Objekte ausrichtete; sie als Skulpturen betrachtete und sie über eine vergleichende Anordnung zu Typologien ordnete.
Die deutsche Filmemacherin Marianne Kapfer arbeitete von 2002 bis 2015 eng mit Hilla Becher an dieser Dokumentation. Der letzte Nachtrag im Film ist ein Interview mit Max Becher. Der Sohn des Paares ist heute selbst Fotograf. Die filmischen Aufnahmen an Originalschauplätzen verdeutlichen, wie viel die Fotografien der Bechers sichtbar machen. Der Dokumentarfilm thematisiert zwar auch die konkrete Zusammenarbeit des Paares, fokussiert sich jedoch – ohne Heroisierung – auf das bahnbrechende Werk, das bis heute neue Generationen von Fotograf*innen und Künstler*innen inspiriert.
Soviet Bus Stop
CAN·DEN 2022 · 57 min · english · DCP
R: Kristoffer Hegnsvad B: Kristoffer Hegnsvad, Christopher Herwig K: Nicholas Zajicek, Christopher Herwig
Die Architekturen in den Ländern der früheren Sowjetunion sind vielfältig. Eher unbeachtet bleiben meistens Nutzbauwerke wie Bushaltestellen. Gerade sie entfalteten aber auf dem Gebiet der Sowjetunion eine überraschende Vielfalt, in der sich die lokale Kunstfreiheit sowie die vielen regionalen Kulturen in diesem riesigen Gebiet widerspiegeln. Da Bushaltestellen als unbedeutende Bauwerke betrachtet wurden, gab es wenig ästhetische Vorgaben für ihre Gestaltung. Während manche Bushaltestellen explizit damals vorherrschende Ideale aufgreifen, verkörpern andere eine bewusste Abkehr vom sozialistischen Standard.
Der kanadische Fotograf Christopher Herwig reiste über 50.000 km durch die 15 Länder der ehemaligen UdSSR, um den Spuren der Bushaltestellen zu folgen. Im Zentrum stand zwar ein Fotoprojekt; Interviews mit Architekt*innen und Historiker*innen tragen aber dazu bei, dieses spezielle architektonische Erbe nachzuvollziehen. Herwigs Reise ist poetisch, nostalgisch und humorvoll - und regt zur Reflexion über die Bedeutung scheinbar banaler Architekturaufgaben und über den Umgang mit der Vergangenheit an.
Im Anschluss:
Armenien: Im Visier von Ursula Schulz-Dornburg
D·F 2025 · 14 min · deutsch · digitalDCP
R/B: Lisa Alissova K: Denis Sinyakov
Die deutsche Künstlerin Ursula Schulz-Dornburg (*1938; Becher-Preis 2025), Tochter einer Bildhauerin und eines Architekten, reiste zwischen 1997 und 2002 wiederholt nach Armenien. Ihre analoge Fotoserie „In Transit“ zeigt Menschen an Orten des anhaltenden, wiederholten Wartens. Die anachronistischen Bushaltestellen wirken wie kleine Inseln des Ausharrens inmitten eines „geopoetischen“ Niemandslands. Die russisch-französische Regisseurin Lisa Alissova (*1979) drehte diese erhellende Reisereportage für den Fernsehsender Arte.
Termine Lichtwerk Bielefeld:
- Lucien Hervé: Photographe malgré lui - Lucien Hervé: Photographer despite himself / Das Haus: Di., 28.10., 18:00 Uhr
- Visual Acoustics: The Modernism of Julius Shulman: So., 09.11., 13:30 Uhr
- Die Fotografen Bernd und Hilla Becher: Di., 11.11., 18:00 Uhr
- Soviet Bus Stop / Armenien: Im Visier von Ursula Schulz-Dornburg: Di., 18.11., 18:00 Uhr
Foto: “Chemosphere House” von Julius Shulman (1960) aus VISUAL ACOUSTICS, ein Arthouse Films release 2009. Copyright J. Paul Getty Trust.
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