6. architekturimpulse – Diskussionsforum der Energieagentur NRW und der Architektenkammer NW

architekturimpulse: Architektenwettbewerbe – Planungskultur contra Energieeffizienz

Lieber Kultur als Effizienz! Das klingt ungefähr so unmöglich wie: Lieber schön als klug. Kein Wunder, dass es bei den 6. architekturimpulsen kontrovers zuging. Die Energieagentur NRW hatte – erstmals in Kooperation mit der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen – eine illustre Runde zum gepflegten Streitgespräch in die neue Gelsenwasser-Verwaltung nach Gelsenkirchen geladen. Thema: Architektenwettbewerbe – Planungskultur contra Energieeffizienz?

04. November 2004

Mit dem Architekten Ante Anin, BMW-Manager Klaus Bejenke, Ingenieur Volkmar Bleicher, Dirk Mobers von der Energieagentur NRW, dem Gelsenkirchener Stadtdirektor Michael von der Mühlen sowie dem Architekten Ludwig Wappner hatten  namhafte Diskutanten vor rund 150 Zuhörern auf dem Podium Platz genommen. 

Eine Besonderheit der architekturimpulse war auch bei der sechsten Auflage der besondere Veranstaltungsort. Nach Museen oder Gasometern trafen sich die Architekten diesmal bei der  Gelsenwasser AG zum Meinungsaustausch. Die Gelsenwasser AG ist das größte privatwirtschaftlich organisierte Wasserversorgungsunternehmen in Deutschland, das weitere Schwerpunkte in der Abwasserentsorgung und der Energieversorgung hat. Der neue Verwaltungsbau bietet sinnvolle Synergien hinsichtlich Energiebilanz sowie thermischer und akustischer Behaglichkeit. So erfolgt zum Beispiel die Beheizung oder Kühlung des Gebäudes über frei hängend angeordnete Flächenstrahler. Durch die gläserne Haut entstehen zudem helle, natürlich belichtete Arbeitsplätze. „Ein modernes Gebäude, das den Ansprüchen der Ästhetik ebenso genügt, wie den Anforderungen an eine zeitgemäße Energieverwendung. Es ist ein gelungenes Beispiel für die erfolgreiche Kombination von Baukultur und Energieeffizienz“, so Prof. Dr. Norbert Hüttenhölscher, Leiter der Energieagentur NRW. Der Entwurf des Düsseldorfer Architekten-Büros Anin, Jeromin, Fitilidis & Partner setzte sich in einem Wettbewerb gegen hochrangige Konkurrenz durch. 

Mit dem provokativ formulierten Titel der Veranstaltung thematisieren die Energieagentur NRW und die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen das verbreitete Vorurteil, moderne Gebäude konzentrierten sich vornehmlich auf eine beeindruckende Gestaltung und vernachlässigten dabei nicht selten die Energieeffizienz des Bauwerks. „Die Energiebilanz eines Gebäudes ist für Jurys von Architektenwettbewerben ein ganz ausschlaggebendes Kriterium bei der Beurteilung der eingereichten Entwürfe“, stellt Hartmut Miksch, der Präsident der Architektenkammer NW, klar. „Sowohl für Architekten als auch für Investoren ist die Berücksichtigung der lebenslangen Energiebilanz eines Bauwerks elementare Grundlage bei der Konzeption des Architekturentwurfs“, so Miksch. 

Die Architektenwettbewerbe können in Deutschland auf eine lange Geschichte zurückblicken. Bereits 1868 wurden von Architekten erste „Grundsätze für das Verfahren bei öffentlichen Konkurrenzen“ aufgestellt. Ein bisschen Eigennutz mag damals vielleicht dabei gewesen sein, inzwischen sehen sich alle Beteiligte als Gewinner. Architektenwettbewerbe sind ein wichtiger Teil der Qualitätssicherung. 

Wettbewerbe in Raumplanung, Städtebau und Bauwesen haben sich bewährt, wenn es darum geht, für ein Projekt die beste Lösung und den geeigneten Kandidaten für die Umsetzung zu finden. Dabei garantiert die Wettbewerbsteilnahme noch keinen wirtschaftlichen Gewinn. Trotzdem erfreuen sich Wettbewerbe bei Architekten großer Beliebtheit. Für viele junge Planer knüpft sich an die Teilnahme die Hoffnung auf den ersten großen Auftrag, für die etablierten Büros ist es die Möglichkeit, öffentlich die eigene Leistungsfähigkeit zu präsentieren. Andere nutzen die Wettbewerbe als „Fingerübung“, um sich an neuen, interessanten Aufgabenstellungen zu versuchen. 

Wettbewerbe haben eine lange Tradition und sind ein wesentlicher Teil der Planungskultur in Deutschland, die eine wichtige Voraussetzung für die Baukultur darstellt. Die wichtigsten Bauvorhaben wurden seit jeher über Wettbewerbe entschieden. Das anonyme Verfahren des geregelten Wettbewerbs zur Optimierung der besten Lösung für die gestellte Aufgabe entspricht nach Ansicht vieler Architekten als einziges voll den Anforderungen des Europäischen Vergaberechts nach Objektivität, Nichtdiskriminierung und Transparenz. 

„Auch wenn in letzter Zeit häufiger energetische Aspekte in die Ausschreibung von Wettbewerben aufgenommen werden, ist dies leider bei weitem noch nicht die Regel“ sagte Dirk Mobers, Abteilungsleiter „Bau und Energie“ bei der Energieagentur NRW. „Ein weiteres Problem ist die Prüfung der energetischen Kriterien der Wettbewerbsbeiträge durch die Jury, da bei der normalen Planungstiefe in Wettbewerben die energierelevanten Bereiche nur zum Teil erreicht werden“, so Mobers weiter. Hier müsse bei der Ausschreibung der Wettbewerbe besonderes Augenmerk drauf gelegt werden. 

Ludwig Wappner machte sich für den Ausgleich stark. „Energieeffizienz beim Architektenwettbewerb sollte eigentlich nicht mehr explizit betont werden müssen. Der Wettbewerb ist eine geeignete Plattform für das Aufwerfen neuer Fragestellungen und Zukunftsperspektiven auch auf diesem Gebiet. Energieeffizienz allein macht jedoch noch keinen guten Entwurf, sie muss den konzeptionellen Architekturansatz gegebenenfalls ebenso stärken wie andere Entwurfsparameter.“ 

Prof. Dr. Norbert Hüttenhölscher, Leiter der Energieagentur NRW, unterstützt den Trend, dass Energieeffizienz bei Planung und Umsetzung von Bauprojekten zunehmend an Bedeutung gewinnt. „Was die Gesellschaft nicht braucht, sind Wettbewerbe um die schönste Energieschleuder. Im Gegenteil! Effizienz steht für Verantwortung und Zukunftsfähigkeit. Sie ist inzwischen ein entscheidendes Kriterium für die Bewertung unseres Handelns und damit auch unseres Bauens.“  

Weitere Informationen gibt es bei der Energieagentur NRW, Kasinostraße 19-21, 42103 Wuppertal, Tel: 0202 / 24 552 - 0, Internet: www.ea-nrw.de und bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Zollhof 1, 40221 Düsseldorf, Tel: 0211 / 49 67 34 (Christof Rose).

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