Beauftragter Zweitarchitekt haftet für Planungsfehler des Erstarchitekten

31. August 2010von mo, 31.08.2010

Architekt A wendet sich mit folgendem Problem an die Architektenkammer NRW:

„Mein Bauherr (B) hatte für Umbau- und Erweiterungsarbeiten mit Wintergartenanbauten an einem Wohn- und Geschäftshaus zunächst ein Architekturbüro mit der Erbringung der Vollarchitektur (Leistungsphasen 1 bis 9) beauftragt. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten wurde das Vertragsverhältnis beendet. B hat daraufhin mich mit der Erbringung der Leistungsphasen 1 bis 9 beauftragt. Nach Fertigstellung der Wintergartenanbauten kam es zu Feuchtigkeitserscheinungen und Schimmelbildung, weil die in den Dachschrägen eingezogenen Stahlträger nach der Planung des Erstarchitekten nur innenseitig, jedoch nicht von außen wärmeisoliert waren. B möchte mich nun zum Schadensersatz heranziehen, da ich nach seiner Meinung die Planungsfehler des Erstarchitekten im Rahmen der Bauleitung übersehen habe. Zu Recht?“ 

Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 09.03.2010 (19 U 100/09) haften Sie für die entstandenen Schäden in vollem Umfang. Nach Auffassung des Gerichts beschränken sich Ihre gegenüber B zu erbringenden Leistungen nicht nur auf bauaufsichtsführende Tätigkeiten. Da Sie mit einer Vollarchitektur beauftragt wurden, oblag Ihnen auch die Ausführungsplanung. Sie hätten, falls erforderlich, Planungsfehler des Erstarchitekten erkennen und beseitigen müssen.

Das OLG hatte hierzu in seiner Entscheidung folgende Grundsätze aufgestellt: „Beauftragt ein Bauherr einen Zweitarchitekten umfassend mit Planung und Bauüberwachung, so kann dieser sich gegenüber einem Schadensersatzanspruch des Bauherrn nicht damit verteidigen, dass etwaige Baumängel auf Planungsfehler des gekündigten Erstarchitekten zurückzuführen sind. Soweit der Zweitarchitekt auf die Pläne des Erstarchitekten zurückgreift, macht er sich diese planerisch zu Eigen und muss diese, wenn erforderlich, ändern. Den Bauherrn trifft keine Pflicht oder Obliegenheit, dem umfassend beauftragten Zweitarchitekten mangelfreie Pläne zur Verfügung zu stellen, so dass eine Mithaftung des Bauherrn für etwaige Planungsfehler des gekündigten Erstarchitekten ausscheidet.“ - Dies führt im Ergebnis dazu, dass Sie als Zweitarchitekt voll haften. 

Praxisempfehlung

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe unterscheidet sich deutlich von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im sogenannten Glas-Fassaden-Urteil vom 27.11.2008 (VII ZR 206/06, DAB 04/09). In diesem Fall hatte der BGH die Haftung des nur mit der Bauaufsicht beauftragten Architekten erheblich reduziert und dem Bauherrn bestimmte Mitwirkungshandlungen wie beispielsweise die Zurverfügungstellung von einwandfreien Plänen an den Bauüberwacher auferlegt. Erweisen sich diese Pläne als mangelhaft, so muss sich der Bauherr sein schuldhaftes Verhalten zurechnen lassen.

In dem hier vorliegenden Fall hat B nicht isoliert einen nur planenden und bauaufsichtsführenden Architekten beauftragt, sondern beide nacheinander und jeweils umfassend (Leistungsphasen 1 bis 9). Damit hat B nach Auffassung des OLG Karlsruhe zum Ausdruck gebracht, dass er gerade die volle Haftung des Zweitarchitekten auch für Pläne des Erstarchitekten haben wollte. Folgearchitekten, die mit einer Vollarchitektur beauftragt werden, ist dringend anzuraten, im Rahmen der Bauaufsicht auf Planungsfehler des Erstarchitekten zu achten, wenn das Bauwerk nicht nach der eigenen Planung, sondern nach den Vorgaben des Erstarchitekten ausgeführt werden soll.

Darüber hinaus sollten Architekten, die auf Pläne des Erstarchitekten zurückgreifen, auch auf ein eventuell bestehendes Urheberrecht des Erstarchitekten achten. Da die Entscheidung des OLG Karlsruhe noch nicht rechtskräftig ist, bleibt abzuwarten, ob diese für Architekten erhebliche Haftungsgefahr einer weiteren Prüfung durch den BGH stand hält.

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