Besondere Überwachung von schadensträchtigen Gewerken

29. September 2014von Dorothee Dieudonné, April 2014

Architekt A wendet sich mit folgender Frage an die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen:
„Für meinen Bauherrn habe ich ein Gebäude mit einer Glasfassadenkonstruktion geplant und überwacht. Nach Fertigstellung des Bauvorhabens trat am Fuß der Fassadenkonstruktion Feuchtigkeit ein. Nach entsprechender Untersuchung durch einen Sachverständigen stellt sich nun heraus, dass Mängel an der durch den Hersteller vorgefertigten Pfosten-Riegel-Konstruktion vorliegen. Die notwendigen Öffnungen, die der Hersteller für die Entlüftung und Entwässerung vorgesehenen hatte, wurden von der Fachfirma nicht ausgeführt. Die für die Montage zuständige Fachfirma ist inzwischen insolvent geworden. Daher hat der Bauherr angekündigt, dass er mich nun auf Schadensersatz in Anspruch nehmen will. Für mich stellt sich die Frage, ob ich im Rahmen meiner Überwachungspflicht auch das Innenleben der vorgefertigten Elemente bei der Fassadenkonstruktion hätte überwachen müssen.“

Glasfassadenkonstruktionen sind für die Dichtigkeit des Gebäudes von wesentlicher Bedeutung. In seinem Urteil vom 20.12.2013 (AZ: 12 U 78/13) hat das OLG Hamm festgestellt, dass es sich bei derartigen Fassadenkonstruktionen um besonders schadensträchtige Gewerke handelt. Die Entwässerungs- und Belüftungsvorrichtungen sind für die Funktionstauglichkeit der Fassadenelemente von wesentlicher Bedeutung. Deren den Herstelleranweisungen entsprechende Ausführung bedarf deshalb der gesteigerten Überwachung durch den bauleitenden Architekten.

Bei diesen Elementteilen handelt es ich nach Auffassung der Rechtsprechung auch nicht um standardisierte Fertigbauteile, die einer konkreten Überprüfung entzogen sind. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Pfosten-Riegel-Konstruktion herstellerseits weitgehend vorgefertigt ist. Die Rahmenkonstruktionen sind im Vorfeld der erst vor Ort einzusetzenden Glaselemente von der Fachfirma (Metallbauer) mit notwendigen Entwässerungs- und Belüftungsvorrichtungen zu versehen. Nach Auffassung der Rechtsprechung sind dem Architekten zumindest stichprobenartige Überprüfungen zumutbar und auch tatsächlich möglich. Die Ausführung der Entwässerungs- und Belüftungsvorrichtungen ist als solche vor Ort ohne weiteres wahrnehmbar und kann im Rahmen der Bauüberwachung vom Architekten in Augenschein genommen werden.
Unter Berücksichtigung der dargestellten Rechtsprechung hatten Sie bei der Glasfassadenkonstruktion eine gesteigerte Überwachungspflicht und demnach im Einzelfall unter Umständen auch eine Verpflichtung zur Überwachung des Innenlebens der Pfosten-Riegel-Konstruktion. Daher sollten Sie bereits aus Gründen der Obliegenheit Ihre Berufshaftpflichtversicherung rechtzeitig informieren, sofern der Bauherr Ihnen gegenüber Schadensersatzansprüche geltend macht.

Praxishinweis
Bei vorgefertigten Bauteilen ist im Einzelfall in Bezug auf die Überprüfungspflicht regelmäßig die Abgrenzungsfrage zu klären, ob es sich um standardisierte Fertigbauteile handelt oder nicht. Die Grenzen einer Überwachungspflicht des Architekten ergeben sich auch bei Spezialkenntnissen des am Bau beteiligten Handwerkers bzw. Unternehmers oder bei der Verwendung von speziellen Baustoffen und Bauteilen. Alles, was dem Architekten aufgrund seiner von ihm zu erwartenden Kenntnisse auffallen muss, hat er jedoch zu beanstanden.

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