Bindung an die Schlussrechnung?

23. Februar 2016von Dorothee Dieudonné

Architektin A wendet sich mit folgender Frage an die Rechtsberatung der Architektenkammer NRW: „Für einen Bauherrn habe ich die Planung eines Einfamilienhauses auftragsgemäß durchgeführt und auf der Grundlage eines vereinbarten Pauschalhonorars eine Honorarschlussrechnung gestellt. Der Bauherr hat die Schlussrechnung bereits beglichen. Mit Rechnungstellung hatte ich den Bauherrn jedoch nochmals darauf hingewiesen, dass im Laufe der Planung weitere Leistungen erforderlich waren, so dass das ursprünglich vereinbarte Pauschalhonorar unterhalb der Mindestsätze der HOAI lag. Die weiteren Leistungen habe ich bislang allerdings nicht in Rechnung gestellt. Inzwischen sind bereits vier Jahre vergangen und mein Verhältnis zum Bauherrn ist äußerst angespannt, da er einen Schadensersatzprozess gegen mich anstrebt. Für mich stellt sich nun die Frage: Bin ich an meine einmal gestellte Schlussrechnung gebunden, oder kann ich eine Nachforderung für den Differenzbetrag zwischen dem abgerechneten Pauschalhonorar und den Mindestsätzen der HOAI stellen?“

Als Architektin sind Sie zwar grundsätzlich berechtigt, auch nach einer erteilten Schlussrechnung eine weitergehende Forderung geltend zu machen. Hieran könnten Sie aber wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB gehindert sein. Die Bindung des Architekten ergibt sich allerdings nicht allein aus der Erteilung der Schlussrechnung, sie setzt eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen voraus.

In einem aktuellen Urteil vom 19.11.2015 (AZ: VII ZR 151/13) hat der Bundesgerichtshof seine frühere Rechtsauffassung bestätigt und nochmals klargestellt, dass der Architekt an eine Schlussrechnung nur dann gebunden ist, wenn der Auftraggeber auf eine abschließende Berechnung des Honorars vertrauen durfte und er sich im berechtigten Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung in schutzwürdiger Weise so eingerichtet hat, dass ihm eine Nachforderung nicht mehr zugemutet werden kann. Allein die Bezahlung der Schlussrechnung ist danach keine Maßnahme, mit der sich der Auftraggeber in schutzwürdiger Weise auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung einrichtet. Auch gibt es nach Auffassung der Rechtsprechung des BGH keine allgemeine Lebenserfahrung, dass ein Auftraggeber sich nach einem bestimmten Zeitraum darauf eingerichtet habe, keine weiteren Zahlungen mehr leisten zu müssen. Vielmehr muss sich gerade die durch eine Nachforderung entstehende zusätzliche Belastung für den Auftraggeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles als nicht mehr zumutbar erweisen, weil sie eine besondere Härte für ihn bedeuten würde.
 In dem von Ihnen geschilderten Fall dürfte die Rechnungsstellung und Begleichung der Rechnung einer Nachforderung nicht im Wege stehen. Auch der Zeitablauf von vier Jahren ist unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung kein Hinderungsgrund. Im Rahmen einer Interessenabwägung dürfte der Schutzwürdigkeit des Bauherrn insbesondere entgegenstehen, dass ihm mit Rechnungstellung nochmals mitgeteilt wurde, weitere Leistungen seien erforderlich gewesen, und das Pauschalhonorar unterschreite die Mindestsätze. An der Geltendmachung des Differenzbetrages zwischen dem abgerechneten Pauschalhonorar und den Mindestsätzen der HOAI als Nachforderung im Prozess sind Sie daher nicht offensichtlich wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB gehindert. Die Nachforderung ist damit nicht ausgeschlossen. Sie ist im Übrigen auch noch nicht verjährt, da die dreijährige Verjährungsfrist für Honorarforderungen erst mit Rechnungstellung als Fälligkeitsvoraussetzung zu laufen beginnt.

Praxistipp
Die Rechtsprechung des BGH ist aus Sicht des Architekten sehr zu begrüßen. Da nicht auszuschließen ist, dass Auftraggeber dennoch vor den Instanzgerichten versuchen werden, sich weiterhin auf die Bindungswirkung einer einmal gestellten Schlussrechnung zu berufen, sollten mit dieser im Regelfall sämtliche Leistungen abgerechnet werden.            

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