Rechtsproblem des Monats: Der ungeduldige Bauherr

16. Mai 2018von Dr. Sven Kerkhoff

Wann ist eine Leistungserbringung zu schleppend oder im Zeitablauf inakzeptabel?

Architektin A wendet sich mit folgender Frage an die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen: „Ich erhielt ein Schreiben meines Bauherrn,mit dem dieser die Kündigung des über die LPH 1-4 laufenden Architektenvertrages erklärt. Er meint, ich hätte anstehende Gespräche mit der Bauaufsicht immer wieder hinausgeschoben und die Planung insgesamt nicht im gebotenen Maße vorangetrieben. Eine vertragliche Vorgabe dazu, wann die Genehmigungsplanung einzureichen ist oder auch nur die Vorplanung präsentiert werden muss, existiert aber überhaupt nicht. Einräumen muss ich allerdings, dass ich das Vorhaben aufgrund einer Vielzahl parallell laufender Projekte und wegen personeller Wechsel im Büro wohl nicht mit der sonst üblichen Geschwindigkeit vorangetrieben habe. Das kann doch aber kein Grund sein, mir von heute auf morgen den Vertrag zu kündigen. Oder etwa doch?“

Ein wichtiger, von der Architektin zu vertretender Grund, der den Bauherrn zur außerordentlichen Kündigung berechtigen würde, dürfte tatsächlich nicht gegeben sein. Da der Vertrag keine Terminvorgaben beinhaltet, gilt der allgemeine Grundsatz: Die Planerin hat mit den notwendigen Arbeiten alsbald nach Vertragsschluss zu beginnen und diese in angemessener Zeit fertig zu stellen. Welche Zeit angemessen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls und dem üblichen Zeitaufwand für eine Leistung dieser Art (vgl. Preussner, Architektenrecht, Rz. 147).

Eine schleppende, unzureichende Leistungserbringung kann deshalb auch ohne festgelegte Vertragsfristen durchaus einen Kündigungsgrund darstellen (vgl. OLG Köln,Urteil vom 29. Juli 2003 – 24 U 129/02). Die eher zögerliche Bearbeitung im konkreten Fall war deshalb nicht ohne Risiko, zumal die personellen Veränderungen und der Auftragsstau im Büro der Architektin ausschließlich in deren Risikosphäre fallen und vom Bauherrn dahernicht hingenommen werden müssen.

Voraussetzung für ein außerordentliches Kündigungsrecht des Bauherrn ist in solchen Fällen aber, dass diesem das Festhalten am Vertrag wegen der schleppenden Leistungserbringung nicht mehr zugemutet werden kann (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 29. August 2001 – 2 U 122/01). Dies ist, wie zuletzt das OLG Düsseldorf (Urteil vom 28. Juli 2016– 5 U 61/14) noch einmal bestätigt hat, in der Regel nur denkbar, wenn der Bauherr zuvor eine zügigere Leistungserbringung angemahnt und eine entsprechende Frist gesetzt hat.

Eine solche Fristsetzung, so das OLG weiter, ist lediglich dann entbehrlich, wenn das Vertrauensverhältnis der Vertragspartner aufgrund konkreter Umstände bereits irreparabel beschädigt ist. Die Voraussetzungen hierfür sind allerdings eng und dürften im Beispielsfall kaum erfüllt sein, so dass zunächst eine Abmahnung hätte erfolgen müssen. Die ohne ein solche Abmahnung ausgesprochene Kündigung bleibt gleichwohl wirksam, ist aber als „freie Kündigung“ auszulegen.

Die Architektin kann infolgedessen für die bereits erbrachten Leistungen ihr vereinbartes Honorar und für die noch nicht erbrachten Leistungen das Resthonorar abzüglich ersparter Aufwendungen verlangen, § 648S. 2 BGB (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 26.August 2016 – 1 U 20/16).

Praxistipp:

Seit der Neuregelung des Architektenvertragsrechts zum 1.1.2018 ist die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung des Vertragsverhältnisses nun zwar erstmals ausdrücklich gesetzlich normiert, §§ 648a Abs. 1650q Abs. 1 BGB. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, wie zu der hier dargestellten Konstellation, dürften aber weitgehend unverändert weiter gelten. Es bleibt deshalb dabei:Feste vertragliche Zeitvorgaben sind für Architekten riskant und sollten möglichst vermieden werden. Viele Faktoren wie etwa die Dauer des Genehmigungsverfahren, die Zuarbeit der Fachplaner oder ein pünktlicher Leistungsbeginn der bauausführenden Firmen können vom Planer kaum beeinflusst werden,und die Haftpflichtversicherungen decken Ansprüche aus der Überschreitung von Fristen und Terminen in der Regel nicht. Außerdem unterliegt der Architekt auch ohne feste Vorgaben bereits der Pflicht zur zügigen Erbringung der Leistung in angemessener Zeit. Mahnt der Bauherr Verzögerungen an und setzt gar eine Frist, ist daher Vorsicht geboten. Gehen die Verzögerungen zu diesem Zeitpunkt nicht auf das Konto des Architekten oder ist die Frist objektiv nicht angemessen, sollte dies umgehend klar gestellt werden.

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