Vernichtung eines urheberrechtlich geschützten Bauwerkes

15. Juli 2019von Christiane Terhardt

Architekt A wendet sich mit folgender Frage an die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen: „In den 1970er Jahren habe ich für mehrere Bauherren Wohnhäuser in Blockhausbauweise, welche Urheberrechtsschutz genießen, geplant und realisiert. Nun habe ich erfahren, dass auf einem dieser Grundstücke und einem benachbarten, bislang nicht baulich genutzten Grundstück, eine altersgerechte Wohnanlage für Senioren entstehen soll. Ein Investor, der bereits von meinem ehemaligen Bauherrn das Grundstück mit Haus erworben hat, plant nun den Abriss des Wohnhauses. Ich sehe darin eine Verletzung in meinem Urheberrecht. Kann ich einen Abriss verhindern?“

Sie hätten nur dann die Möglichkeit, einen Abriss zu verhindern, wenn das von Ihnen geschaffene, urheberrechtlich geschützte Bauwerk eine andere Beeinträchtigung gemäß § 14 Urheberrechtsgesetz (UrhG) darstellte und die im Einzelfall gebotene Interessenabwägung zu Ihren Gunsten ausfiele. Da das von Ihnen geschaffene Werk als Werk der Baukunst Urheberrechtsschutz im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG beansprucht (vgl. hierzu auch OLG Oldenburg, Urteil vom 17.04.2008 – 1 U 50/07), stellt sich folglich die Frage, in welchem Verhältnis das Recht des Eigentümers an der Vernichtung des Werkes und das Recht des Urhebers an der Erhaltung seines Werkes der Baukunst steht.

 Für den Fall, dass der Bauwerkseigentümer an einem urheberrechtlich geschützten Bauwerk lediglich Veränderungen vornehmen will, hat die Rechtsprechung bereits klargestellt, dass es bei einem derartigen Konflikt zwischen dem Erhaltungsinteresse des Architekten und dem Interesse des Bauherrn auf Veränderung des Bauwerks jeweils einer anhand des Einzelfalles gebotenen Interessenabwägung bedarf (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.09.2015 - 20 U 75/14). Umstritten war jedoch bislang, ob bzw. unter welchen Umständen die Vernichtung eines urheberrechtlich geschützten Werkes eine Verletzung des Urheberrechts darstellt.

Diese bisher umstrittene Frage hat nunmehr der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Fall betreffend die Kunsthalle Mannheim geklärt. Dort realisierte eine international tätige Künstlerin im Jahr 2006 im „Athene Trakt“ eine multimediale und multidimensionale Rauminstallation „HHole (vor Mannheim) 2006“. Im Jahr 2012 beschloss der Eigentümer der Kunsthalle Mannheim, den „Athene Trakt“ weitgehend zu entkernen und das Kunstwerk „HHole (vor Mannheim) 2006“ vollständig zu entfernen. Mit Urteil vom 21.02.2019, Az: I ZR 98/17, stellte der Bundesgerichtshof klar, dass die Vernichtung eines urheberrechtlich geschützten Werkes eine andere Beeinträchtigung im Sinne von § 14 UrhG darstellt und damit die schärfste Form einer Urheberrechtsverletzung ist. Aus diesem Grund sei eine umfassende Abwägung der Interessen des Urhebers und des Eigentümers vorzunehmen. Bei der Interessenabwägung ist nach der Rechtsprechung des BGH auf Seiten des Urhebers zu berücksichtigen, ob es sich bei dem vernichteten Werk um das einzige Vervielfältigungsstück des Werkes handele, oder ob von dem Werk weitere Vervielfältigungsstücke existieren. Ferner ist zu berücksichtigen, welche Gestaltungshöhe das Werk aufweist und ob es ein Gegenstand der zweckfreien Kunst oder als angewandte Kunst einem gebrauchten Zweck dient.

Auf Seiten des Eigentümers können, wenn ein Bauwerk (...) betroffen ist, nach Auffassung des BGH bautechnische Gründe oder das Interesse an einer Nutzungsänderung von Bedeutung sein. Bei Werken der Baukunst oder mit Bauwerken unlösbar verbundenen Kunstwerken werden nach Ansicht des BGH die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung oder Bebauung des Grundstücks oder Gebäudes den Interessen des Urhebers am Erhalt des Werkes in der Regel vorgehen, sofern sich aus den Umständen des Einzelfalles nichts anderes ergibt (vgl. BGH a.a.O.).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung wird eine in Ihrem Fall vorzunehmende Interessenabwägung wohl eine Beseitigung Ihres Werkes erlauben. Das Interesse des Eigentümers an der anderweitigen Bebauung und Nutzung des Grundstücks für den stark steigenden Bedarf an altersgerechten Wohnungen wird wohl höher zu bewerten sein, als Ihr Interesse am Erhalt des Blockhauses. Ihr Urheberrecht erfährt schon deshalb eine Einschränkung, weil Sie an anderer Stelle weitere Blockhäuser gleichen Typs geplant und errichtet haben und damit die Möglichkeit der Dokumentation haben. Es wird Ihnen daher die Vernichtung dieses einen Blockhauses im Interesse der anderweitigen, höher zu bewertenden Nutzung des Grundstückes zuzumuten sein. Einen Abriss können Sie daher im Ergebnis wohl leider nicht verhindern.

Praxishinweis

Mit der Entscheidung des BGH erfährt das Urheberrecht eine Stärkung. Jedoch stellt der BGH auch klar, dass der Eigentumsschutz dem Erhaltungsinteresse des Urhebers grundsätzlich vorgeht. Zudem muss vorrangig geprüft werden, ob dem Bauwerk überhaupt Urheberrechtsschutz zukommt. Nur wenn das Werk eine bestimmte gestalterische Höhe erreicht und aus der Masse des durchschnittlichen, üblichen und alltäglichen Bauschaffens herausragt, können Rechte aus dem Urheberrecht überhaupt beansprucht werden.

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