Vorsicht vor vorschnellen Erklärungen: Der kluge Umgang mit Mängelrügen

Architektin A wendet sich an die Architektenkammer NRW mit der folgenden Frage: „An einem von mir betreuten Projekt sind sechs Jahre nach Abnahme der Handwerker- und Architektenleistungen Undichtigkeiten am Dach aufgetreten. Der Bauherr wirft mir Versäumnisse bei der Überwachung der Handwerkerleistungen vor. Da ich nur mit den LPH 1-8 beauftragt war, habe ich vorsorglich gegenüber dem Bauherrn die Einrede der Verjährung erhoben. Dennoch würde ich dem Bauherrn gerne helfen und ihn bei der Beseitigung des Schadens zumindest unterstützen. Kann sich dies als ein taktischer Fehler erweisen?“

15. Februar 2021von Dr. Volker Steves

Ja, sofern Sie nicht deutlich genug kommunizieren, dass Ihre Unterstützung nur aus Kulanz erbracht wird und nicht als ein Verzicht auf die bereits erhobene Einrede der Verjährung zu verstehen ist.

Das Oberlandesgericht Hamburg hat in einem Urteil vom 15. August 2019 – 3 U 155/16 – entschieden, dass die Ankündigung des Rechtsbeistandes eines Dachdeckerunternehmens („Mein Mandant ist bereit, die festgestellten Mängel, soweit sie seinem Gewerk zuzuordnen sind, abzustellen und zu beseitigen.“) als ein Verzicht auf die Verjährungseinrede zu qualifizieren sei, obwohl zuvor vom Auftragnehmer – dem Dachdeckerunternehmen – die Einrede der Verjährung erhoben worden sei.

Nach der gemäß § 133 BGB vorzunehmenden Auslegung dieser dem Auftraggeber zuzurechnenden Erklärung des Rechtsbeistandes sei nicht nur eine „freiwillige Kulanzleistung angeboten“ worden, sondern eine „Rechtspflicht zum Ausdruck“ gebracht worden. Wenn eine freiwillige Kulanzleistung „gewollt gewesen wäre, hatte es nahegelegen, dies wegen der zuvor erhobenen Verjährungseinrede klarzustellen“.

Die Begründung dieses Urteils lässt sich auf Architektenleistungen übertragen.

Anders als bei einem „verjährungsunterbrechenden“ Anerkenntnis nach § 212 BGB, welches zu einem Neubeginn der Verjährung führt und voraussetzt, dass die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist, kann auch nach Ablauf der Verjährungsfrist noch auf die Einrede der Verjährung verzichtet werden. Dies gilt auch dann, wenn der Schuldner zuvor die Einrede der Verjährung erhoben hat. Ein Verzicht kann ebenso wie ein Anerkenntnis konkludent erklärt werden.

Im Gegensatz zu einem deklaratorischen oder gar konstitutiven Schuldanerkenntnis im Sinne von § 781 BGB ist bei einem „verjährungsunterbrechenden“ Anerkenntnis die Schriftform nicht erforderlich.

Jedes rein tatsächliche Verhalten, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen der Schuld unzweideutig ergibt, reicht aus (vgl. BGH NJW 1997, S. 517).

Praxistipp

In der Praxis sind viele Situationen denkbar, in denen der Planer aus bestimmten Gründen (z. B. um eine bestehende Geschäftsbeziehung nicht zu gefährden) es nicht für opportun hält, sich unnachgiebig auf den Mangel einer Rechtspflicht zu berufen, sondern stattdessen gewillt ist, dem Bauherrn bei der Beseitigung des Problems zumindest zur Seite zu stehen.

In einer solchen Situation sollte er stets nachweislich gegenüber dem Bauherrn zum Ausdruck bringen, dass er diese Hilfeleistung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erbringt (vgl. hierzu auch OLG Naumburg, Urt. v. 21.3.2011 – 10 U 31/10). Ansonsten läuft er Gefahr, dass diese „freiwillige Hilfeleistung“ als ein Anerkenntnis im Sinne des § 212 BGB oder aber als ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung verstanden wird. Bereits die bloße Ankündigung, sich die Sache einmal anzusehen oder die Problemlösung mit Kollegen zu erörtern, kann als ein Anerkenntnis oder ein Verzicht im vorgenannten Sinne „missinterpretiert“ werden.

Wie ein Verhalten im Einzelfall zu verstehen ist, hängt stets von den konkreten Umständen ab. „Vorschnelle“ Erklärungen beim Eingang von Mängelrügen sind grundsätzlich zu vermeiden, um eine bereits eingetretene Verjährung von Gewährleistungsansprüchen nicht zu gefährden.

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