Baukunst-Lecture: Kunst und Architektur im Einklang
Spannende Kunst am Bau-Projekte und beeindruckende Museumsbauten erwarteten die mehr als 200 Teilnehmenden am Abend des 13. Januar in der Kunstakademie Düsseldorf. In Partnerschaft mit der Architektenkammer NRW hatte die Klasse Baukunst der Kunstakademie wieder zur Baukunst-Lecture eingeladen, die als Vortragsreihe seit einigen Jahren regelmäßig stattfindet.
Dieses Mal konnte die Kunstakademie den Architekten Wilfried Kuehn für die Lecture gewinnen, der mit seinem Büro Kuehn Malvezzi insbesondere für seine Museums- und Ausstellungsarchitekturen international bekannt ist. Den Auftakt der Lecture machten Jonathan Banz und Nikolai von Rosen, die als Künstlergruppe „Banz von Rosen“ seit 2012 im Bereich der Kunst am Bau und der Kunst im öffentlichen Raum tätig sind. Unter dem Titel „Reality to Virtuality to Reality“ stellten sie Arbeiten vor, die durch die Nutzung von 3-D-Scan Verfahren entstanden sind. „Was uns interessiert, das ist die Frage: Wie können wir etwas, das wir in der Welt sehen, in den Computer bekommen und wie kommt es anschließend wieder in der Realität aus dem Computer hinaus?“ so Nikolai von Rosen.
Vom digitalen Raum in den realen Raum
Wie das Duo an der Schnittstelle zwischen Kunst, Architektur und digitalem Raum arbeitet, stellten sie anhand ihrer Projekten dar, darunter das erste gemeinsame Projekt unter dem Titel „Schulbaum“. Im Rahmen des Neubaus einer Schule in Dachau konzipierten Banz von Rosen eine Betonstütze für einen überdachten Pausenbereich. Mittels Scan wurde ein benachbarter Baum digital erfasst, in eine Betonstützenform übertragen und anschließend mithilfe einer Schalung in Beton gegossen. Das fertige Projekt bildet den Baumstamm und dessen Haptik detailgetreu nach und sei von den Schülern schnell akzeptiert und als Treffpunkt etabliert worden, berichtete Jonathan Banz.
Kunst am Bus
Anschließend stellte Banz die „Kunsthaltestelle“ am Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) in Mainz vor, mit der Banz von Rosen einen europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen hatten, der die künstlerische Gestaltung einer Bushaltestelle vorgab. Als Grundlage für den Entwurf wählten sie den Kopf einer antiken Venus-Statue aus Toulouse, den sie als Negativabdruck seitlich liegend in einen Betonblock einfügten. In einem aufwendigen Verfahren wurde in einer Modellfabrik in Duisburg eine Gussform gefertigt, um das Kunstwerk an Ort und Stelle zu gießen. Entstanden ist eine architektonische Großskulptur, die zur Adressbildung und Identifikation des LEIZA beiträgt und den öffentlichen Raum aufwertet. Zugleich regt das Projekt zur Interaktion an – insbesondere von Kindern wird der Kopf gerne von innen kletternd erkundet.
Architektur der Unsichtbarkeit
Unter dem Titel „On Display“ führte im Anschluss Wilfried Kuehn durch Museumsbauten seines Büros, begann seinen Vortrag aber mit einem Exkurs in die Geschichte des Museums Abteiberg in Mönchengladbach, das von Hans Hollein in den 1970er Jahren entworfen wurde. Das Werk von Hollein würde aktuell wiederentdeckt und weise hohe räumliche Qualitäten auf, auch durch die Anordnung der Räume nach dem Kleeblattprinzip. An die demonstrative Architektur der Postmoderne hätte sein 2001 gegründetes Büro aber nicht anknüpfen wollen. „Wir wollten weg vom Demonstrativen zu einer unsichtbaren Architektur, in der sich die Kunst frei entfalten kann“, erklärte Wilfried Kuehn und zeigte als Beispiel das Projekt „Hamburger Bahnhof“, ein Museumsgebäude in Berlin. Hier bauten Kuehn Malvezzi die dem ehemaligen Bahnhofsgebäude benachbarten Speditionshallen um und banden diese an den Hamburger Bahnhof an. Bei dem Umbau habe man das Ziel verfolgt, die neue Architektur nicht vom Bestand abzusetzen, sondern in diesen zu integrieren. Dass mit der Verbindungsbrücke ein sehr auffälliger, skulpturaler Bau entstanden sei, wäre den Umständen vor Ort geschuldet: Aufgrund von wichtigen Leitungen im Boden konnte nicht wie geplant ein unterirdischer Tunnel entstehen, sondern es musste eine Brücke gebaut werden.
Mit dem Beitrag zur Architekturbiennale 2012 stellte Kuehn ein weiteres Projekt des Büros vor. „Wir wollten etwas schaffen, das Innen und Außen funktioniert“. Schließlich entwarf das Büro einen Sockel vor dem zentralen Pavillon, der nicht nur das Gebäude inszenierte und dessen Zugang bildete, sondern auch als Sitzbank von den Besucherinnen und Besuchern genutzt wurde. Architektur sei im Unterschied zur Kunst immer zur Nutzung bestimmt - „Architektur ist für mich immer ein gebrauchter Raum“, erläuterte Wilfried Kuehn.
Kunst am Museumsbau
Mit den Glasarbeiten am Wiener Belvedere und dem Erweiterungsbau der Modernen Galerie in Saarbrücken präsentierte Kuehn im Anschluss einige Kunst am Bau Projekte. Bei letzterem ist es Kuehn Malvezzi gelungen, ein durch Skandale im Wettbewerbsverfahren und Baustopps gezeichnetes Projekt mit der Zuhilfenahme von Kunst am Bau doch noch zur Vollendung zu bringen. In Zusammenarbeit mit dem Künstler Michael Riedel entwickelten Kuehn Malvezzi Boden- und Fassadenplatten, auf denen die Mitschrift einer Debatte des Saarländischen Landtags über den Neubau zu lesen ist. Somit wird die Geschichte des Baus für die Besucherinnen und Besucher transparent aufgearbeitet. Im Inneren entstand eine leicht annehmbare und einfach künstlerisch nutzbare Architektur. Zuletzt nahm Kuehn das Publikum mit auf die Reise nach Montreal zum Insectuarium. Mit diesem reizvollen naturkundlichen Museumsbau, in dem der Besucher auf dem Weg durch die verschiedenen Räume eine Metamorphose durchlaufen soll, schloss Wilfried Kuehn seinen Vortrag.
Ein neuer Termin ist für Frühjahr in Planung.
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