"digital MONDAYS": KI in der Stadtentwicklung
Künstliche Intelligenz war das Leitthema der fünften Staffel der „digital MONDAYs“ der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen im März. An drei Montagabenden wurde analysiert und hinterfragt, wie KI in der Planungsbranche eingesetzt werden kann - und wie die Architektenschaft die weitere Entwicklung mit gestalten kann. Mit mehr als 800 bis 900 Teilnehmenden waren die Termine jeweils stark gebucht. Nach den Themenfeldern „Hochbau/Architektur“ und „Raum/Objektdesign“ stand am 18. März die Perspektive von Stadtplanung und Freiraumentwicklung im Fokus der Online-Konferenz.
Die beiden Referierenden - Eva Schweitzer vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und Dr. Martin Memmel vom Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern - berichteten am letzten der drei „digital MONDAYs“ über „Künstliche Intelligenz (KI) in der Stadtentwicklung und öffentlichen Freiräumen“.
Eva Schweitzer, stellvertretende Leiterin des Referates Digitale Stadt, Risikoversorgung und Verkehr beim BBSR, hat in der Vergangenheit sowohl die Nationale Smart City Charta des Bundes als auch die europäische „Neue Leipzig Charta“ mitentwickelt. In ihrem Vortrag gab sie Einblicke in die Theorie und Praxis ihres Forschungsfeldes. „Big Data ist ein zentraler Treiber für den Einsatz von KI in der Stadtentwicklung“, erklärte Eva Schweitzer. Voraussetzung für die Durchdringung der Stadt sei der Ausbau des Breitband- und des Mobilfunknetzes, die immer schnellere Datenverarbeitung sowie eine cybersichere, resiliente Infrastruktur. Auch die Größe, das Innovationsumfeld und der Digitalisierungsgrad einer Stadt spiele eine große Rolle. Anwendungsfelder für den Einsatz von KI in der Stadtplanung seien Verkehrs- und Energielenkung, die Erfassung von Umweltdaten sowie ein optimiertes Energiemanagement, wie es beispielsweise in einem Pilotprojekt in der Kölner Stegerwald-Siedlung realisiert wurde.
„KI ist ein sozio-technisches System“, erklärte Eva Schweitzer. Es konkretisiere sich beispielsweise in sogenannten Digitalen Zwillingen: datenbasierte Abbildungen realer Objekte, etwa in der Architektur, der Industrie, der Medizin oder der Logistik. „In Kommunen werden ‚Digitale Zwillinge‘ als georeferenzierte 3-D-Modelle der Stadtgebiete, Verkehrsinfrastruktur oder einzelner Quartiere gebildet, die Informationen etwa zum Gebäudebestand, der Luft- oder Wasserqualität, dem Stadtklima oder soziodemografischen Informationen enthalten“, führte Eva Schweitzer aus. Diese Modelle könnten für genauere Vorhersagen von Ereignissen oder die Einsatzplanung von Sicherheitskräften und der Feuerwehr genutzt werden.
Ein weiteres Beispiel aus der Praxis ist ein KI-basiertes Tool, das in Haßfurt für den Hochwasserschutz entwickelt wurde. Es verknüpft Daten zu Pegelständen und Wetterdaten mit sechs Messpunkten in städtischen Regenrückhaltebecken und in Zuflüssen. Die mittels KI generierten Vorhersagen werden auf einer Projektwebseite zur Verfügung gestellt. Geplant ist eine automatisierte Warnung über Messenger-Dienste, sollte ein Hochwasser absehbar sein.
Als Herausforderung sah Eva Schweitzer die politischen, ethischen und rechtlichen Rahmenkonzepte im Umgang mit Risiken unregulierter KI-Nutzung. Der „AI-Act“, den das Europaparlament Mitte März verabschiedet hat, sei ein erster, wichtiger Schritt, der etwa „Social Scoring“ und Diskriminierung durch Datenerfassung verbiete. „Wichtig ist, dass unsere Kommunen sich Datenstrategien überlegen, um Algorithmen gezielt zu setzen und zu gestalten.“
Dr. Martin Memmel ist seit über zwanzig Jahren am „Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz“ an der Universität Kaiserslautern tätig. Er präsentierte als zweiter Referent am 18.03.24 die - aus seiner Sicht - wichtigsten Potenziale und Herausforderungen für KI-Anwendungen in urbanen Planungsprozessen. Der Leiter des „SmartCity Living Lab“ betonte den rasanten Anstieg an maschinell verarbeitbaren „urbanen Daten“, der auf die Digitalisierungsbemühungen von Stadtverwaltungen und Energieversorgern zurückzuführen sei. Diese Daten bildeten die Grundlage für den Einsatz von KI-Technologien, „insbesondere im Bereich Bildung, Mobilität, Gesundheitswesen, Umweltschutz, Stadtplanung und Sicherheit“, erklärte Dr. Martin Memmel. Am Beispiel der „Neuen Leipzig-Charta“ machte er deutlich, was eine Smart City beinhalten soll, und wie KI in diesem Kontext eingesetzt werden kann.
KI könne eingesetzt werden, um die Qualität von Daten zur urbanen Entwicklung für datengestützte Anwendungen zu verbessern. Sowohl beim Data Mining als auch bei der Auswertung der Daten könne KI-Technologie Abläufe vereinfachen, beschleunigen und validieren. Datenzwillinge könnten helfen, würden aber auch Risiken bergen, unterstrich Dr. Martin Memmel: „Digitale Zwillinge suggerieren, dass eine Stadt wie eine maschinelle Anlage ausgemessen und ausreichend beschrieben werden kann.“ Dies sei aber ein Trugschluss, denn Menschen würden sich nicht immer nach logischen Mustern verhalten. Die Daten über menschliches Verhalten, ihre Nutzung des Raums oder die menschliche Zufriedenheit seien äußerst schwierig zu ermitteln. „Diese Daten sind hochdynamisch und kontextabhängig“, betonte der KI-Experte.
Entscheidend für den Einsatz von KI in der Stadtplanung sei es, „smarte Ziele für eine smarte City“ zu definieren. Und diese müssten darauf abzielen, humane, lebenswerte Städte zu schaffen. „Ich kann nicht alles, was in einer Stadt abläuft, digital nachbauen oder simulieren“, resümierte Dr. Martin Memmel. Letztlich brauche es vor allem smarte Akteurinnen und Akteure.
digitalMonday #3 - KI: Stadt und Freiraum
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