Emil Steffann (1899-1968): Einfach, schlicht, asketisch
Er gehörte zu den Begründern einer anderen, modernen Tradition im Kirchenbau: Emil Steffann (1899-1968). Von Notscheunen ausgehend entwickelte der Architekt im Nachkriegsdeutschland und intensiv in Nordrhein-Westfalen Häuser, Kirchen und Ortschaften im Sinne eines menschlichen Zusammenlebens in der gebauten Umwelt. - Ein weiterer Beitrag in unserer Retrospektive über einflussreiche Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner aus Nordrhein-Westfalen.
Emil Steffanns Architektur ist vor allem bestimmt durch den menschlichen Maßstab. Frühe Bindungen an Barlach in seiner Lübecker Zeit wollten ihn eigentlich Bildhauer werden lassen – ein Gespräch mit Walter Gropius jedoch gab ihm den Anstoß, Architekt zu werden. Franziskanische Bescheidenheit, gebunden an eine Sensibilität zur Wahrnehmung der komplexen Sinneswelt, bestimmte die Persönlichkeit des in Bielefeld geborenen Baumeisters.
In den bescheidenen Bauten der 30er Jahre und der Kriegs- und ersten Nachkriegszeit fand sie formal am klarsten Ausdruck (Gestaltung der Fronleichnamsprozession in Lübeck 1932 – Menschen als Mauern / unterirdische Luftschutzkirche – Entwurf 1937). Eine als Notkirche wieder aufgebaute Scheune in Lothringen wurde 1943 für Emil Steffan Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Verständnisses über eine „andere Tradition“ im Kirchenbau - nämlich die einer ländlichen Schlichtheit und architektonischen Anspruchslosigkeit. Dieser Typ entstand in den ersten Nachkriegsjahren durch Neu- oder Umbauten in Deutschland, Österreich, Dänemark und Belgien: ein gemeindenahes Gotteshaus, das in seiner ausgeprägtesten Form an den Stall von Bethlehem erinnert.
Moderne und Genius loci
Aus der Moderne der 30er Jahre kommend, entwickelte Steffann eine Haltung, welche die Weiterentwicklung der Architektur nicht in der Fortsetzung des Fortschrittgedankens, in der technischen Vervollkommnung und im Abfassen sozialer und ästhetischer Programme sieht, sondern in den Fragen nach dem Genius Loci, nach einer stufenweisen Kommunikation in den entwickelten Raumfolgen – von Städtebau bis zum liturgischen Detail. Modern heißt deshalb für ihn: Raum bilden aus den Bedingungen des Ortes in einer ganzheitlichen Bildung der Elemente des Bauens. Es war Rudolf Schwarz, der Emil Steffann ins Rheinland holte. Steffan wurde Planungsbeauftragter der Erzdiözese Köln und zeichnete für zahlreiche Siedlungsplanungen und Kirchenbauten im Rheinland, im Ruhrgebiet und Norddeutschland verantwortlich.
Städtebau und Raumordnung
Ein bescheidener, von Achsenzwang und Baufluchten befreiter Städtebau bildet die Grundlage für feinfühlig durchdachte und selbstverständlich erscheinende Raumsequenzen, die Steffann konzipiert. Der Kirchenbau Steffanns zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er in der Lage ist, ein komplexes Raumprogramm ohne hierarchische Ordnung in einer Anlage zu vereinen. Alles verbindend ist oft der Purismus und die Materialeinheit des Sichtziegelmauerwerks innen und außen – oft in einem spärlich gehaltenen Freiraum.
Tendenz im Kirchenbau antizipiert
Das neue an seine Kirchen liegt in der gemeindebildenden Kraft seiner Räume. Sie sind beispielhaft und nahmen in Einzelformen viele Anliegen des nach-konzilaren Kirchenbaus vorweg – vor allem deshalb, weil ihre innere Gestalt die der Liturgie der feiernden Gemeinde war. Auf große beherrschende Gesten verzichtet Steffann. Bei Annäherungen an seine Bauten fallen zunächst die großen Mauerflächen auf. Man nähert sich durch seitliche, niedrige Anbauten, sogar durch Raumfolgen von Anbauten, jeweils mit einer Änderung des Weges. Oft entfaltet sich der Raum in einer anderen Hauptrichtung, als es das Äußere suggeriert hat - also nicht in der Firstrichtung des Satteldaches, sondern im rechten Winkel dazu, wie im abgebildeten Beispiel von Maria in den Benden in Düsseldorf-Wersten. Steffanns Vorstellungen von Kommunikation und Raumzonung und seine Vorstellungen zum Verhältnis von Raum und Vorgang sind richtungsweisend für den Sakralbau der letzten Jahrzehnte. Kennzeichnend ist seine Symbolik der Schwelle, die von außen stufenweise zur Mitte führt. Für Steffann war Raum nicht Richtung, sondern Mitte. - Emil Steffann starb 1968 in Bad Godesberg.
Dipl.-Ing. Willi Landers ist Architekt in Düsseldorf.
Sehenswerte Bauten in NRW:
Düsseldorf: St. Augustinus
Dortmund: St. Bonifatius
Dorsten: St. Johannnes
Krefeld: St. Bonifatius
Köln: St. Laurentius
Marl: St. Konrad
Opladen: St. Elisabeth
Teilen via