Engagement und Durchhaltevermögen - Henrike Thiemann, Förderpreisträgerin 2002, über Erfahrungen und Perspektiven

Engagement und Durchhaltevermögen - Henrike Thiemann, Förderpreisträgerin 2002, über Erfahrungen und Perspektiven

Trotz Konjunkturschwäche und tiefgrei-fenden Strukturveränderungen im Bau- und Planungssektor beweisen Studierende und Absolventen in Nordrhein-Westfalen den Mut und den Willen zu guter Architek-tur. Eine von ihnen ist Henrike Thiemann, die am 13. März mit dem Förderpreis der Stiftung Deutscher Architekten ausgezeichnet wurde.

16. Juni 2003von Vera Anton-Lappeneit

Wie ist bei Ihnen der Wunsch entstanden, Architektur zu studieren?
Früh, während der Schulzeit, habe ich ein Praktikum in einem Architekturbüro gemacht. Dabei habe ich einen Einblick in die vielschichtige Arbeit des Architekten erhalten. Das Zusammenspiel aus kreativer Gestaltung, der Umgang mit Menschen und die Umsetzung komplexer Problemstellungen und deren Lösung haben mich zu diesem Berufswunsch gebracht.

Die von Ihnen zum Förderpreis 2002 eingereichte Arbeit behandelte das Thema „Schweinelandschaft“. Wie kommt man zu dieser ungewöhnlichen Aufgabenstellung?
Mich interessiert der Einfluss einer Region auf die Architektur und die Möglichkeit, mit Architektur das regionale Bewusstsein positiv zu fördern. Da ich aus dem Münsterland stamme und meine Eltern dort einen landwirtschaftlichen Betrieb haben, lag es nahe, diese Region zu thematisieren. Mit Unterstützung durch Prof. Kirsten Schemel (FH Münster) habe ich erst eine Strukturstudie für diese Region erstellt. Daraus hat sich dann das Thema „landwirtschaftliches Bauen“ entwickelt. Gerade im Münsterland ist die Landwirtschaft ein prägendes Element der Region - aber leider ohne politische Lobby. Dörfer wachsen ohne Gestaltungsqualität, demgegenüber aber fallen große Flächen unkontrolliert brach.

Werden Sie das Thema Raumplanung im ländlichen Bereich auch weiterhin für sich thematisieren?
Soweit das neben meiner Arbeit im Architekturbüro GOP in Münster möglich ist, möchte ich auch weiter an dieser Problemstellung arbeiten und Denkanstöße geben. Möglicherweise auch eine Dissertation dazu schreiben.

Sie sind von der „Stiftung Deutscher Architekten“ mit dem Förderpreis 2002 ausgezeichnet worden. Glauben Sie, dass ein guter Architekt bzw. eine gute Architektin mit einer besonderen Begabung ausgestattet sein muss?
Ich glaube, dass alles, was man mit großem Interesse und ganzem Herzen macht, gut wird. Freude an der Tätigkeit und Durchhaltevermögen auch bei Schwierigkeiten sind unbedingte Voraussetzungen für Erfolg. Das Studium erzieht zur Selbstständigkeit und zu Engagement. Inwieweit man sich dadurch herausgefordert fühlt, liegt an der einzelnen Person.

Wie beurteilen Sie die derzeitige Hochschulausbildung?
Ich sehe bei der Hochschulausbildung Defizite in den sogenannten „trockenen Bereichen“, wie zum Beispiel Baumanagement oder Baurecht. In Münster erzielen die Masterprojekte mehr Intensität, da hier die Aufgaben über die drei Bereiche Konstruktion, Entwurf und Bauwirtschaft bearbeitet werden. Darüber hinaus würde ich mir mehr interdisziplinäre Projekte wünschen.

Haben Sie neben dem Studium gearbeitet?
Ja, ich habe in Münster in verschieden Architekturbüros gearbeitet. Aufgrund meines Interesses für die einfache und klare Formensprache der Schweizer Architektur habe ich während des Studiums ein Praktikum in der Schweiz gemacht. Vor dem Diplom habe ich dann noch eine Auszeit genommen und ca. ein halbes Jahr in Tokio bei Riken Yamamoto ein Praktikum gemacht.

Warum wollten Sie in Japan arbeiten?
Vor dem Diplom und dem Einstieg in das Berufsleben wollte ich gerne einen ganz andern Kulturkreis kennen lernen, wusste aber noch nicht, wohin es gehen sollte. Zu diesem Zeitpunkt bin ich Riken Yamamoto bei einem Sommerkurs des NAI in den Niederlanden begegnet und habe mich direkt um einen Praktikantenplatz beworben. Zur Finanzierung habe ich mich bei der Carl Duisenberg Gesellschaft um ein Stipendium beworben. Nach einem Intensivsprachkurs und verschiedenen Bewerbungsgesprächen hatte ich das Stipendium erhalten und nach hartnäckigem Rückfragen im Büro Yamamoto konnte dann nach Japan reisen. Der Aufenthalt in Japan und die Arbeit in dem jungen Team von Yamamoto haben mich persönlich und in meinem Architekturverständnis sehr bereichert. Leider bewerben sich meiner Kenntnis nach viel zu wenig Studierende um ein Stipendium.

Welche Ziele haben Sie für Ihre berufliche Zukunft?
Aktuell möchte ich erst mal praktische Erfahrung in allen Bereichen des Berufalltags erwerben. Dazu trägt natürlich bei, dass ich im Büro GOP mein Projekt komplett selbstständig bearbeiten kann. Danach würde ich mich gerne selbstständig machen. Das ist aber abhängig von der entstehenden Situation. Zurzeit steht für mich erst mal meine jetzige Tätigkeit im Vordergrund.

Zur Person:
Henrike Thiemann, Jahrgang 1974, studierte von 1996 bis 2002 Architektur an der Fachhochschule Münster, Masterabschluss 2002. Tätigkeit bei: Nissen. Wentzlaff, Basel; GOP Architekturbüro Münster; Planwerk-Architekten, Münster; Riken Yamamoto, Tokio; Vast Architekten, Düsseldorf.
Ausstellungen/Publikationen: Veröffentlichung des Masterprojekts „Serengeti Motion“, Baunetz, Intelligente Architektur; „Bunker in Farge“, Ausstellung Stadthalle Bremen;
„ Förderpreis 2002“ der Stiftung Deutscher Architekten.

Teilen via