Fachkongress in Düsseldorf

Fachkongress in Düsseldorf: Bessere Schulbauten für besseren Unterricht

35 Schülerinnen und Schüler in Bänken, davor ein Lehrer oder eine Lehrerin am Pult? - Das war einmal! Moderne pädagogisch-didaktische Lehrkonzepte konzentrieren sich viel stärker auf die einzelne Schülerin und den einzelnen Schüler, sie bieten eine spezifische Förderung und setzen auf Gruppen und Projektarbeit. Rund 200 Architektinnen und Architekten, Pädagogen, Schulpolitiker und Schulpraktiker diskutierten am 21. März auf dem Fachkongress „Schulumbau“ in Düsseldorf darüber, wie Schulgebäude und Lernräume gestaltet werden müssen, um den vielfältigen Anforderungen an die Ausbildung, Förderung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen gerecht werden zu können. Der Kongress wurde von der Architektenkammer NRW in Kooperation mit dem nordrhein-westfälischen Ministerium für Schule und Weiterbildung sowie der Montag Stiftung Urbane Räume und der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft ausgerichtet.

23. März 2012von Christof Rose

„Wir stehen vor einer immensen Aufgabe, die in großer Breite angegangen werden muss“, stellte Hartmut Miksch, der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, in seiner Begrüßung fest. Schülerinnen und Schüler verbrächten heute viel mehr Zeit in der Schule als noch vor wenigen Jahren. „Die bauliche Qualität der Schulgebäude entscheidet mit darüber, ob Kinder und Jugendliche sich in der Schule wohl fühlen und konzentriert lernen können.“ Und die Aufgabe ist in der Tat gewaltig: Rund 6 500 Schulen gibt es in Nordrhein-Westfalen, in denen rund 2,8 Millionen Schülerinnen und Schüler und knapp 200.000 Lehrerinnen und Lehrer arbeiten, lernen und leben.

Dabei sind die Anforderungen – je nach Schulform und Klassenstufe – äußerst unterschiedlich, hob NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann auf der Fachtagung hervor: „Wir haben an den Schulen ganz individuelle pädagogische Konzepte, so dass allgemein gültige Raumvorgaben nach einem Einheitsschema nicht mehr sinnvoll sind. Richtig ist es, im Einzelfall vor Ort nach den Gegebenheiten zu entscheiden. Wir brauchen differenzierte und flexible Lösungen.“

Mitwirkung von Pädagogen und Schülern

Nach den Erfahrungen der Montag Stiftungen ist es wichtig, den standardisierten Bauprozessen eine „Phase 0“ vorzuschalten, in der Pädagoginnen und Pädagogen, Architektinnen und Architekten sowie die Verwaltung gemeinsam die bauliche Maßnahme planen. „Nur so können bei Neubauten und Modernisierungen pädagogische Programme und architektonische Möglichkeiten optimal in Einklang gebracht werden“, stellte Frauke Burgdorff fest, Vorstand der Montag Stiftung Urbane Räume. Eine Haltung, die auch in den Workshops am Nachmittag intensiv diskutiert wurde. Der Aachener Architekt Gerhard Wittfeld sprach sich für partizipative Ansätze aus, unterstrich aber zugleich die Bedeutung von Wettbewerbsverfahren für Schulbauprojekte- sowohl im Neubau als auch im Bestand. „Ein intensiver Austausch mit Lehrern, Schülern und Kommunen ist wichtig und bindet das Know-how der Nutzerseite ein - allerdings erst nach dem Architektenwettbewerb.“ Wittfeld belegte an drei aktuellen Beispielen, die das Büro kadawittfeldarchitektur in Österreich realisiert hat, wie sehr ein Schulgebäude zur Identitätsbildung in einer Kommune beitragen kann. Schule schafft Identität

Ein Aspekt, der sich wie ein roter Faden durch die Vorträge und Diskussionen des Kongresses zog. Die dänische Architektin Dorte Mandrup stellte ihre behutsame, aber doch mutige Modernisierung der Munkegaard Skole von Arne Jacobsen in Kopenhagen vor. Der in Struktur einer flächigen Siedlung angelegte Schulbau - ein denkmalgeschütztes Gesamtkunstwerk aus dem Jahr 1956 - erforderte große Sorgfalt in den Details, um den Charakter zu wahren und doch eine zukunftsfähige Umgestaltung zu realisieren. Dazu wurde beispielsweise ein ergänzender Baukörper als Souterrain ausgebildet, der durch Lichthöfe gute Aufenthaltsqualitäten erreicht.

Auch die Dortmunder Architektin und Stadtplaner Dagmar Grote stellte Beispiele für Schulmodernisierungen vor, die technische Notwendigkeiten mit Rücksicht auf das gewachsene Bild des Schulbaus im Stadtkörper verbinden. „Schulen müssen öffentliche Orte sein und Angebote zur Kommunikation schaffen“, betonte Dagmar Grote. Zugleich mahnte sie, gerade bei den Gebäuden der 1960er und -70er Jahre die ästhetischen Werte und die gestalterische Kraft nicht zu überdecken. Vielfach werde nur auf den Dämmwert geschaut und die Fassade uniform mit Wärmedämmverbundsystemen verklebt. Dies zerstöre gewachsene Qualitäten und greife konzeptionell zu kurz.

Sanierung als Chance zu einer echten Modernisierung

Technisch sei die Sanierung von Schulgebäuden heute kein grundsätzliches Problem mehr, stellte der Aachener Architekt Edgar Krings heraus. Er machte die Bedeutung des Themas anhand aktueller Studien deutlich: Demnach besteht bundesweit ein Sanierungsbedarf allein für Schulgebäude von etwa 27 Milliarden Euro. 80 Prozent der Lehranstalten seien vor 1977 errichtet worden; wie viele davon saniert wurden, sei nicht bekannt. Auch Krings mahnte, an die Bestandssanierung die gleichen Qualitätsmaßstäbe und Gestaltungsansprüche zu richten wie an den Neubau von Schulen.

„Täglicher Häuserkampf um bessereSchulen“

Einen Einblick in den Alltag eines kommunalen Schulträgers bot der Bocholter Stadtbaurat Ulrich Paßlick. „Wir führen täglich einen Häuserkampf um bessere Schulen“, beschrieb Paßlick seinen Einsatz für die 34 Schulen im deutsch-niederländischen Grenzgebiet. „Das ist gar nicht so einfach, weil die Notwendigkeit einer pädagogisch brauchbaren Schularchitektur bei den Eltern noch nicht richtig angekommen ist.“ Der Bocholter Stadtbaurat verwies auf entsprechende Umfragen unter Eltern. Gleichwohl lege seine Kommune großen Wert auf die Entwicklung der Schulgebäude, denn immerhin kämen rund 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler aus benachbarten Kommunen nach Bocholt. „Die Zukunftsfähigkeit von Bocholt hängt entscheidend von der Entwicklung und der Qualität der Bildungslandschaft ab.“Richtlinien und Orientierungsrahmen

In dem Workshop zum Thema „Neue Richtlinien“ wurde rasch deutlich, dass der Wegfall der Schulbaurichtlinien NRW zu großen Teilen noch nicht in den Kommunen angekommen sei. Die alten Musterraumprogramme gelten großenteils noch als Orientierung für die Investitionsplanung. Als optimale Lösung wurde angesehen, jedes Projekt einzeln zu kalkulieren und zu planen. Es werde aber darauf hinauslaufen müssen, dass sich die Städte und Gemeinden einen zeitgemäßen Rahmen setzen, entlang dessen sie ihre kommenden Projekte bepreisen und konzeptionieren können.

Dr. Karl-Heinz Imhäuser, Vorstand der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, leitete einen Workshop, der sich weniger mit Verordnungen im Schulbau als mit den Prozessen beschäftigte. Die Vorträge von Jochem Schneider, Dr. Otto Seydel und Prof. Frank Hausmann und die anschließende Beteiligung der Teilnehmer zeigten, dass die Bedeutung der "Phase 0" künftig mehr Anerkennung finden und in Förderrichtlinien bzw. der Weiterentwicklung von Honorarleistungsystematiken berücksichtigt werden müsse. Damit die Phase erfolgreich durchgeführt werden kann, brauche es den Rückhalt aus der Politik, damit die Akteure in den Verwaltungen den politischen Willen umsetzen.

Als Herausforderung wurde außerdem die Partizipation der Nutzer angesehen. Diese könne sowohl zu neuen Lösungen beitragen als auch Lösungen verhindern - nämlich da, wo bei den Beteiligten eher an der Gegenwart orientierte Konzepte eingebracht werden, ohne die Notwendigkeiten zukünftiger Veränderungen zu antizipieren.Elemente des künftigen Schul(um)baus

Konkrete Beispiele aus Österreich präsentierte auch Prof. Dr. Christian Kühn von der TU Wien. Das Lernen in Gruppen müsse räumlich ermöglicht werden; dies sei durch offene Raumstrukturen, die flexibel in kleinere Einheiten unterteilt werden können, ebenso umzusetzen wie durch die Nutzung von Fluren und Treppenhäusern. Zudem empfahl der Architekt, jeder Schule ein „core“, also einen zentralen großen Raum zu geben, in dem sich alle Schüler und Lehrer versammeln können. „Das trägt in großem Maße zur Identitätsstiftung bei.“ Größere Schulen sollten durch die Bildung von Clustern (nach Alter oder Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler) Orientierung und Zugehörigkeit bieten.

Ergebnisse und Thesen

Die Kongresspartner kristallisierten in der Schlussdiskussion einige Thesen und Ansätze heraus, die für den notwendigen Schulumbauprozess richtungsweisend sein sollten:

  1. Der deutliche Sanierungsstau, der weiterhin an vielen Schulgebäuden insbesondere aus den 1960er und -70er Jahren besteht, muss weiter aufgelöst werden.
  2. Die Festlegungen zum Brandschutz erweisen sich in der Bestandsarbeit an Schulen als großes Hindernis, insbesondere was die Nutzung von Fluren und Treppenhäusern angeht. Diese Frage sollte dringend weiter erörtert werden.
  3. Schulgebäude müssen flexible Unterrichtsgestaltung ermöglichen und (wo gewünscht) weitere Nutzungen aus dem Stadtteil beherbergen können.
  4. Schulen sind ein wichtiger sozialer Baustein und ein Element der Identitätsbildung in einem Stadtteil oder Ort. Sie sollen ihr charakteristisches Erscheinungsbild wahren und als öffentlicher Ort der Kommunikation ausgerichtet werden.
  5. Kommunen sollten die Modernisierung von Schulen als Chance zur Profilbildung begreifen und nutzen.

Materialien und Praxishinweise

Neben Vorträgen zu guten Beispielen aus dem europäischen Ausland gab es nachmittags Workshops zu Prozessen und Richtlinien zum Schulbau. Vera-Lisa Schneider, Architektin im nordrhein-westfälischen Ministerium für Schule und Weiterbildung, stellte eine neue Publikation „Materialien zum Schulbau: Pädagogische Architektur und Ganztag (Teil 1)“ vor, die von der Serviceagentur „Ganztägig lernen in Nordrhein-Westfalen“ herausgegeben wird. Das Heft gibt zahlreiche praktische Hinweise für die Umgestaltung von Schulen und verweist auf Bezugsgrößen, die bei der Planung von Schulräumen helfen. „Die früheren Musterraumprogramme gibt es nicht mehr“, hob Vera-Lisa Schneider hervor. Raumprogramme seien vielmehr nach individuellem Erfordernis sowie nach pädagogischen und organisatorischen Erwägungen durch den Schulträger aufzustellen. „Unsere Schrift soll hier zur Orientierung beitragen.“

Auch die Montag Stiftung Urbane Räume sowie die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft stellten mit dem Buch „Schulen planen und bauen. Grundlagen und Prozesse“ ein umfangreiches Werk vor, das vor allem für einen engen Austausch zwischen allen am Schul(um)bau Beteiligten wirbt. „Die genaue Definition der gemeinsamen Ziele, des pädagogischen Programms und der besonderen Ansprüche (beispielsweise an Inklusion) machen diese ‚Phase 0‘ zu einem ganz wichtigen Abschnitt des Planungsprozesses“, hob Dr. Karl-Heinz Imhäuser von der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft hervor.

Gemeinsame Arbeit wird fortgesetztAlle Kongressteilnehmer waren sich einig in dem Fazit, dass die Fachtagung „Schulumbau“ nicht nur viele Impulse gegeben, sondern auch konkrete Arbeitsaufträge formuliert habe, an denen man gemeinsam weiter arbeiten will. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte in Kooperation mit dem NRW-Schulministerium zum zweiten Mal den „Schulbaupreis NRW“ ausloben. Das Ziel des Auszeichnungsverfahrens ist es, Kommunen und anderen Schulträgern sowie allen am Schulumbauprozess Beteiligten best-practice-Beispiele vorzustellen, die illustrieren, welch mitreißende Kraft ein umfassend modernisierter Schulbau für Schüler, Lehrer, Eltern und ganze Stadtteile entfalten kann. Vorträgeweitere Infos

Teilen via