Fachleute diskutierten über die Potenziale der Kreativwirtschaft

„Wenn wir so weiter wirtschaften, benötigen wir bis in das Jahr 2050 drei neue Erden“, eröffnete Klaus Burmeister (Managing Director Z_punkt) provokativ seinen Eröffnungsvortrag. Für mehr Lern- und Innovationsbereitschaft könne ein Verständnis von Stadt als Labor sorgen. In Zukunft werde es mehr und mehr auf kreative Lösungen und soziale Innovationen ankommen, so der Zukunftsforscher. In neuen Beteiligungsformaten und Wettbewerbsmustern steckten große Potenziale für organisatorische Innovationen als Kern einer kreativwirtschaftlich inspirierten Planungs- und Baukultur.

16. Juli 2013von Matthias Kliefoth/Christof Rose

Auch Martin Platzer vom Kompetenzzentrum Social Design an der Hochschule Niederrhein hielt veränderte Lernprozesse essenziell für die Stadt von Morgen. In seiner Präsentation veranschaulichte er, wie mit Hilfe der Strategie des „Design Thinkings“ neue, informelle Wege in der Planung gegangen werden könnten. Das A und O sei Kommunikation. Neben den traditionellen inhaltlichen Planungen müssten Stadtplaner und Architekten lernen zu übersetzen und zu beraten – und sich stärker in die Situation der „Nutzer“ hineinzuversetzen. Akteure der Stadt- und Immobilienentwicklung müssten Kollaborationen ermöglichen, dabei experimentierfreudig sein und ein ganzheitliches wie auch langfristiges Planungscredo verfolgen. „Wir gestalten nicht mehr nur zweckdienlichen Raum, sondern das Leben in Stadträumen und damit komplexe urbane Systeme. Anstelle von punktueller Bürgerbeteiligung brauchen wir hierfür eine langfristige, kollaborative Arbeitskultur auf Augenhöhe zwischen Bürgern, Planern, Politikern und Projektentwicklern“, so Platzers Resümee.
Vieles davon gehöre für Architekten und Stadtplaner bereits zum Selbstverständnis und zum Arbeitsalltag, betonte Monika Infantino, Vorstandsmitglied der Architektenkammer NRW. Es sei wichtig, die Kompetenz von Architektinnen und Architekten frühzeitig in alternative Entwicklungskonzepte einzubinden, um diese langfristig erfolgreich aufstellen zu können. Junge Architekten und Stadtplaner gehörten aber bereits fest zur kreativen Szene und seien in vielen Projekten wichtige Impulsgeber.
In dem darauf folgenden Programmpunkt wurden vier konkrete Praxisprojekte präsentiert. Marc Piesbergen (Belius GmbH und Berater des Planet modulor) zeigte anhand des prosperierenden Areals rund um den Moritzplatz in Berlin, welche positiven Auswirkungen eine integrative Standortentwicklung haben kann. „Stadtrendite, also der Wert, den die Entwicklung eines Areals der Stadt bringt, muss nicht nur unter ökonomischen Gesichtspunkten errechnet werden, sondern soziale und kulturelle Aspekte einpreisen“, forderte Piesbergen. Von einzelnen großen Playern hätte nie ein derart positiver wirtschaftlicher wie kultureller Reichtum im Quartier rund um den Moritzplatz erzeugt werden können.

Dass es auch in NRW nicht an kreativem Ideenreichtum mangelt, wiesen Christian Hampe (Utopiastadt, Wuppertal) und Stefanie Weidner (Solution Space, Köln) in ihren Kurzvorträgen nach. Sowohl in Köln als auch in Wuppertal schuf man aus eigener Kraft neue Ökosysteme des Zusammenlebens und -arbeitens. Ob der ehemalige Mirker Bahnhof in Wuppertal oder der Solution Space in Köln: Beide Projekte zeigen, dass es auf die richtigen Netzwerke ankommt. Stefanie Weidner betonte, dass allein in Köln weitere 500.000 Quadratmeter Fläche mit Leben gefüllt werden könnten. Hierzu bedarf es wesentlich mehr Offenheit und Bereitschaft seitens der Immobilienwirtschaft und Stadtverwaltung. Die Kölner GAG zeigte, dass dies möglich ist. In seinem Vortrag erläuterte Jörn Rickmann (Leiter Team Bauplanung) anhand des Projektes „Grüner Weg“ im Kölner Stadtteil Ehrenfeld, wie das kommunale Kölner Immobilienunternehmen mit der Kreativwirtschaft zusammenarbeitet und Projekte plant. Die GAG arbeite als Wohnungsbaugesellschaft für sozialen Wohnungsbau mit Kreativen an zeitgemäßen Lösungen. Auch in Ehrenfeld beziehe man die Kreativen von Beginn an mit ein. Erste Schritte seien durch ein gemeinsames Urban-Gardening-Projekt mit dem angrenzenden Design Quartier Ehrenfeld eingeleitet worden.

Nach den Praxisbeispielen mündete das Programm in vier Workshops, in denen das Fachpublikum konkrete Ansätze für neue Wege in der Stadtplanung und Architektur erarbeitete. Ob Design Thinking, Inkubatoren, Co-Working oder die kreative Stadtrendite: Es wurde deutlich, dass Kreative ernst zu nehmende  Partner in Stadtplanung und Immobilienentwicklung sind, die innovative und nachhaltige Konzepte für die zukunftsfähige Stadt in Nordrhein-Westfalen liefern. Auch Open Data, Crowdfunding und alternative Bieterwettbewerbe bieten hier Lösungen; über Kampagnen und Nutzermodelle, die Personen einer Zielgruppe in ihren Merkmalen charakterisieren, kann Beteiligung attraktiver inszeniert werden. Mit der Gründung eines Initiativkreises sollen diese Impulse nun ausgearbeitet und soll der Dialog in Köln weiter vorangetrieben werden. Matthias Kliefoth/ros

Infos zu den Projekten, Vortragsmanuskripte und weitere Fotos unter www.creative.nrw.de/creativecity

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