Förderpreisträger 2010 im Portrait - Teil III: Patrick Lingenberg, RWTH Aachen

Förderpreisträger 2010 im Portrait: Patrick Lingenberg - Basishilfe für Krisengebiete

Die Stiftung Deutscher Architekten hat im April dieses Jahres in Düsseldorf die Förderpreise 2010 an Absolventen der NRW-Architekturstudiengänge vergeben. Die unabhängige Jury unter Vorsitz von Prof. Peter Zlonicky vergab drei Förderpreise an besonders talentierte Nachwuchs-Architekten. Einen Preis erhielt Patrick Lingenberg, empfohlen von Prof. Peter Russell an der RWTH Aachen.

07. Juli 2011von Interview: Vera Anton-Lappeneit

Herr Lingenberg, in der von der Stiftung Deutscher Architekten ausgezeichneten Arbeit beschäftigen Sie sich mit dem Thema Krisenhilfe nach Naturkatastrophen. Man findet so ein Thema nicht häufig im OEuvre eines Architekten. Was hat Sie dazu bewegt, sich für diese Aufgabenstellung zu entscheiden?

Die Thematik der Aufgabenstellung (KEIMZELLE) hat mich schon immer sehr interessiert, und ich wollte mich gerne intensiver mit ihr beschäftigen. Die Auseinandersetzung mit dem Menschen und seinen elementarsten Bedürfnissen. Eine Situation, in der Mode und Gestaltungstrends mir angenehm in den Hintergrund zu rücken schienen. Die soziale Komponente im Vordergrund.

Da die Aufgabenstellung sehr offen gehalten war, wusste ich anfangs nicht, wo genau die Reise mich hinführen würde - und war letztlich überrascht von meinem eigenen Ergebnis.Die Aufgabe bestand darin, Opfern einer Naturkatastrophe eine nachhaltige Hilfestellung zu bieten.

Bereits in der Phase der „Ersten Hilfe“ sollten Maßnahmen für den Wiederaufbau integriert werden. Es galt ein schlüssiges Gesamtkonzept zu entwickeln, in dem auch die zeitlichen Abläufe genau zu betrachten waren. Ort und Art der Katastrophe waren frei gestellt, wodurch der Arbeit eine umfassende Recherche vorangehen musste. Schnell war mir klar, dass meine Hilfeambitionen am sinnvollsten bei einer tendenziell „ärmeren“ Bevölkerung auf der Südhalbkugel anzusiedeln wäre. Mein Anspruch, so realitätsnahe wie möglich zu planen, setzte voraus, mein erdachtes Szenario eines Erdbebens in Peru in seiner Gesamtheit zu betrachten. Den Ort und seine besonderen Gegebenheiten, den Nutzer und Adressat der Hilfebemühungen in seinem kulturellen und sozialen Gefüge. Mein Ziel war es, die Hilfe möglichst vielen zugänglich zu machen. Dabei stellte sich heraus, dass finanzielle Hürden keineswegs unüberwindbare Hindernisse sein müssen, sondern vielmehr zu alternativen Lösungsansätzen beflügeln. Mittels kleiner Hilfe-Impulse wollte ich die größtmögliche Wirkung erzielen. Die Miteinbeziehung der Opfer in die Prozesse des Wiederaufbaus war dabei der Schlüssel. Hilfe zur Selbsthilfe, in der die Betroffenen würdevoll ihre eigene Zukunft unter Berücksichtigung ihrer Tradition und ihres sozialen Gefüges gestalten können.

Sie haben schon an verschiedenen Hilfsprojekten im Ausland mitgearbeitet. Sehen Sie auch Ihren beruflichen Weg eher im Ausland, oder werden Sie die nächsten Erfahrungen hier in Deutschland sammeln?

Die positiven Erfahrungen, die ich auf meinen bisherigen Reisen und Auslandsaufenthalten gemacht habe, möchte ich gerne fortsetzen. Ob es die Zeit als Tischler in Spanien, die Arbeit in einem Kinderheim auf Jamaica oder der Bau eines Kindergartens in Süd-Afrika im Rahmen eines studentischen Projektes waren. Es waren für mich immer große Bereicherungen, die meine Wahrnehmung geschärft haben. Dabei wurden die Erfahrungen natürlich umso intensiver und eindringlicher, je mehr ich mich mit der Umgebung und den Menschen auseinander gesetzt habe. In klassischen Handwerksberufen gab und gibt es die Möglichkeit, auf Wanderschaft zu gehen und somit Reisen und Arbeiten, Sehen und Lernen miteinander zu verbinden. Genau das habe mir für das kommende Jahr vorgenommen. Eine moderne Wanderschaft – als eine Art reisender Gestalter. Die grobe Richtung steht mit Frankreich und Spanien bereits fest. Und ob ich dann währenddessen als Architekt in interessante Projekte einsteigen darf oder meinem zuvor erlernten Beruf als Tischler nachgehe, bleibt abzuwarten.

Haben Sie die Tischlerlehre als Vorbereitung für das Architekturstudium gemacht, oder ist der Wunsch zu dem Studium erst während der Ausbildung entstanden?

Der Gedanke an das Architekturstudium bestand zwar bereits vor Beginn meiner Ausbildung, aber erst mit meinem wachsenden Wunsch, auch aktiv auf die Gestaltung Einfluss nehmen zu können, fiel die Entscheidung. Während des Studiums dann hat die vorangegangene handwerkliche Ausbildung meine Denk- und Sichtweise sehr stark beeinflusst. Mit einem ausgeprägten Verständnis für die Konstruktion und das Fügen von Bauteilen waren meine Entwürfe immer stark von Überlegungen der Machbarkeit geprägt. Die Liebe zum Holz als natürlichen, lebendigen Rohstoff habe ich mir bis heute erhalten.Haben Sie Vorbilder in der Architektur?

Es sind eher einzelne Projekte und Ideen, die mir gefallen und mich inspirieren. Ein verantwortungsvolles Umweltbewusstsein, im Sinne von Energie- und Ressourcen-Schonung, sowie die Sozialverträglichkeit sind dabei meist meine Bewertungskriterien. Bei den Projekten des RuralStudios beispielsweise habe ich das Gefühl, diese Dinge auf einfache Weise miteinander verknüpft zu sehen. Mit einfachsten, innovativen Mitteln gelingt es ihnen, lebendige Räume zu realisieren, die sehr viel Wärme ausstrahlen. Ansonsten sind es seltsamerweise oft alte, traditionelle Gebäude, die es schaffen, mich in ihnen das Leben sehen zu lassen, und die mich deshalb besonders ansprechen. In meinen Augen lohnt zudem in vielen Fällen der Blick zurück, auf Bauweisen, die sich über lange Zeiträume bewährt haben.

Die Hochschulausbildung ist zurzeit starken Veränderungen unterzogen. Wir beurteilen Sie die kurzen und stark gestrafften Bachelorstudiengänge?

Da kann ich nicht aus eigener Erfahrung sprechen. Aber generell gilt sicherlich, dass Zeitdruck und vereinheitlichte Stundenpläne den Studenten weniger Raum lassen für ihre individuelle Entfaltung und eigene vertiefende Schwerpunkte. Dem Thema „Verschulung“ stehe ich zwiespältig gegenüber. Klare, vorgegebene Strukturen helfen bestimmt den Studienanfängern sich zurechtzufinden, werden aber außerhalb der Uni so auch nicht mehr vorzufinden sein. Als selbständiger Architekt wird man sich immer wieder den Rahmen für kreatives Arbeiten schaffen und sich somit selber die nötigen Strukturen geben müssen. An Herausforderungen wächst man. – Die Frage ist nur, an welchen und wohin? 

Welche besondere Begabung muss Ihrer Meinung nach ein guter Architekt haben?

Neben all den klassischen, weit gefächerten Fähigkeiten, die sich ein Architekt im Laufe seines Studiums als Basis aneignet, sollte er neben dem Willen, sich beständig weiterzuentwickeln, meiner Meinung nach vor allem die Fähigkeit zum Sehen besitzen und den Mut zum konsequenten Handeln. In manchen Situationen könnte das auch heißen, dass er sich zurücknehmen muss, da es ihm in erster Linie nicht um das Bauen an sich gehen sollte, sondern um den Menschen, der das Gebaute nutzen will und mit ihm umgehen muss. So wie jeder Mensch Verantwortung trägt, ist auch der Architekt zu umsichtigem, verantwortungsvollem Handeln verpflichtet.

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