Mein Votum für Europa - Ein Kommentar von AKNW-Präsident Ernst Uhing

Europa hat klare gemeinsame Ziele, die unmittelbar unseren Berufsstand berühren: Eine gesunde Umwelt, angemessener Wohnraum, öffentliche Räume, die für alle Bewohnerinnen und Bewohner unserer Städte zugänglich und nutzbar sind. Nachhaltige Bestandsentwicklung, Umnutzung von leerstehenden Bauwerken, eine grünere und blauere Infrastruktur - all das sind städtebauliche Ziele, die positive Wirkungen für unser Zusammenleben zeitigen. Es sind auch Ziele, die europaweit diskutiert und verfolgt werden.

14. Mai 2024

Lieber Kollege,
liebe Kollegin!

„Unser Europa, unsere Zukunft!“ Unter diesem Titel hat das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW), das unlängst sein 60-jähriges Bestehen feiern konnte, einen Ideenwettbewerb ausgelobt. Es geht darum, Projekte vorzuschlagen in den Themenfeldern Frieden, Umweltschutz, Kultur und Unternehmertum. Ich denke, dieses Ideenspektrum der jungen Europäerinnen und Europäer fasst treffend zusammen, warum wir Architektinnen und Architekten uns für Europa engagieren müssen. Denn es sind genau diese Themenkreise, in denen wir uns als Berufsstand bewegen und die wir aktiv mitgestalten können. Und die durch Entscheidungen auf Ebene der Europäischen Union geprägt werden.
Deshalb mein Appell an Sie: Nutzen Sie Ihr Wahlrecht am 9. Juni! Gehen Sie zur Europawahl! Tragen Sie mit Ihrer Stimme dazu bei, die Europäische Union zu stärken und die demokratischen Kräfte in Europa zu unterstützen!
Während ich dieses Editorial schreibe, diskutiert Deutschland intensiv über die Frage, wie der spürbaren Tendenz zur Verrohung des öffentlichen politischen Diskurses und des Umgangs miteinander im öffentlichen Raum zu begegnen sei. Eine gute Architektur ist sicherlich kein politisches Allheilmittel. Aber:
„Man kann einen Menschen mit einer Wohnung genauso töten wie mit einer Axt.“ Dieses berühmte Zitat, mit dem Heinrich Zille vor 100 Jahren die Misere des Berliner Mietwohnungselends beschrieb, verdeutlicht bis heute in klaren Worten, wie wichtig eine bewusst gestaltete Umwelt für das menschliche Zusammenleben in unseren verdichteten Gemeinschaften ist. Unsere Aufgabe als Architektinnen und Architekten aller Fachrichtungen, als Stadtplaninnen und Stadtplaner ist deshalb eine überaus wichtige: Den öffentlichen Raum und unsere gebaute Umwelt so zu gestalten, dass Menschen sich angstfrei in ihnen bewegen können, dass ein konstruktives Miteinander rein baulich überhaupt möglich ist.
Die europäischen Kulturministerinnen und -minister haben diese Zusammenhänge im Jahr 2018 mit der „Davos-Erklärung“ pointiert formuliert. „Wir brauchen dringend einen neuen integrierten Ansatz, um unsere gebaute Umwelt zu gestalten, einen Ansatz, der in der Kultur verankert ist, der den sozialen Zusammenhalt aktiv stärkt, eine nachhaltige Umwelt sicherstellt und zu Gesundheit und Wohlbefinden der gesamten Bevölkerung beiträgt.“ Die Schwerpunkte der einzelnen Aspekte, die hier zusammengefasst werden, verschieben sich gegenwärtig im öffentlichen Diskurs nach meiner Wahrnehmung vom Ziel des Klimaschutzes hin zu der Frage des sozialen Zusammenhalts. Beides ist wichtig, beide Aspekte bedingen einander und sind die zwei Seiten einer Medaille.
Es lohnt sich, auf europäischer Ebene für mehr Baukultur zu streiten. Lösungen in Fragen des Klimaschutzes sind genauso wenig nationalstaatlich durchzusetzen wie die soziale Frage von Migration. Europa hat klare gemeinsame Ziele, die unmittelbar unseren Berufsstand berühren: Eine gesunde Umwelt, angemessener Wohnraum, öffentliche Räume, die für alle Bewohnerinnen und Bewohner unserer Städte zugänglich und nutzbar sind. Nachhaltige Bestandsentwicklung, Umnutzung von leerstehenden Bauwerken, eine grünere und blauere Infrastruktur - all das sind städtebauliche Ziele, die positive Wirkungen für unser Zusammenleben zeitigen. Es sind auch Ziele, die europaweit diskutiert und verfolgt werden.
Der aktive Austausch von Wissen über Landesgrenzen und Kontinente hinweg hat in der Architektur eine Jahrtausende umfassende Tradition. Planerinnen und Planer haben immer voneinander gelernt und im Miteinander innovative Lösungen entwickelt. Die Architektenschaft sollte sich deshalb weiterhin als aktiver Vorreiter für eine internationale Zusammenarbeit verstehen.
„Unser Europa, unsere Zukunft!“ Ein wichtiger Teil des Deutsch-französischen Jugendwerks ist der persönliche Austausch, das Zusammenbringen junger Menschen über die Grenzen hinweg. Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, dass dies europaweit möglich bleibt und weiter ausgebaut wird!

Es grüßt Sie
Ihr

Dipl.-Ing. Ernst Uhing
Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen

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