Neues Wohnen in der Stadt: 14. Architekturquartett NRW
Mit ungewöhnlichen Wohnkonzepten für unsere Städte beschäftigte sich das 14. Architekturquartett NRW, das am 18. November in den Balloni-Hallen in Köln unter dem Motto „neues Wohnen in der Stadt“ stattfand. Rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten – selbstverständlich unter strenger Einhaltung der Corona-Regeln – die Veranstaltung vor Ort. Gleichzeitig wurde das Architekturquartett live auf dem AKNW-YouTube Kanal gestreamt. Die Aufzeichnung des Streams wurde schon mehr als 650 Mal abgerufen.
Das „Quartett“ setzte sich in diesem Jahr aus der Journalistin und Moderatorin Najima El Moussaoui, dem Psychologen und Sozialforscher Stephan Grünewald (Rheingold Institut für Marktforschung, Köln), der Stadtplanerin und Architektin Judith Kusch (3pass Architekten, Köln) und dem Architekten Eike Becker (Eike Becker_Architekten, Berlin) zusammen. Sie nutzten den Veranstaltungstag, um vorab die zu besprechenden Objekte bei einer Bereisung vor Ort kennen zu lernen. Christof Rose, Pressesprecher der Architektenkammer NRW, brachte dem Publikum in Köln dann abends die Konzepte der Architekturbüros mit umfangreich bebilderten Vorträgen näher.
Der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Ernst Uhing, machte in seinem Grußwort die zentrale Bedeutung des Themas für die Gesellschaft deutlich. „Das „Wohnen“ gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen und zu den grundlegenden Aufgaben der Daseinsvorsorge des Staates“, betonte Uhing. Die aktuelle Situation zeige aber, dass Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen es zunehmend schwer haben, überhaupt noch bezahlbaren Wohnraum in der Stadt zu finden. Dies sei nicht nur ein sozialpolitisches Thema, sondern auch eine Herausforderung für die Stadtplanung und die Architektur.
Studierenden-Wohnungen in Vario-Version
Das erste Projektbeispiel fokussierte diese Fragestellung auf das studentische Wohnen. Das Projekt mit dem Titel „Variowohnungen“ an der Ruhr Universität Bochum (ACMS Architekten, Wuppertal / wbp Landschaftsarchitekten, Bochum) zeichnet sich durch flexible Grundrisse für eine mögliche Umnutzung in der Zukunft sowie durch eine nachhaltige Bauweise aus. Das Quartett nahm an dem Projekt insbesondere die elementierte Bauweise, den hohen Vorfertigungsgrad und das Einsparen von Beton positiv auf. Dennoch hätte unter dem heutigen Stand der Technik noch mehr Holz zum Einsatz kommen können, meinte Eicke Becker. Aus städtebaulicher Sicht kritisch wurde die Fokussierung auf eine Bewohnergruppe gesehen. „Die gemischte Stadt ist unser Zukunftsmodell“, brachte der Berliner Architekt Becker das Thema auf den Punkt.
Kulturbunker und Luxuswohnen
Beispielhaft für das Thema Aufstockung und Bauen im Bestand stand das Projekt „ANDERSWOHNEN AUFDEMBILKERBUNKER“ (zentralbau GmbH). Auf einen denkmalgeschützten Bunker aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs wurden fünf neue Luxuswohnungen aufgesetzt, um den Umbau des Bunkers zu einem Kunst- und Kulturstandort zu ermöglichen. Judith Kusch hob besonders den Aspekt der kreativen Querfinanzierung zur Umsetzung des Projektes positiv hervor. Eine gewisse Kontroverse löste die Kombination aus Bunker und Luxuswohnen dennoch aus. Stephan Grünewald verglich das Projekt mit dem Rheingold-Mythos, bei dem die Zwerge unter Tage Gold schürfen mussten, während darüber das Götterreich Valhalla mit dem Blick über alle Geschehnisse schwebe. Eike Becker sah die Privatisierung des Bunkerbauwerks kritisch; stattdessen sollten die Institutionen gestärkt werden. Die Öffentliche Hand müsse in solchen Fällen selber kreative Lösungen finden.
Integriertes Wohnen
Auch das dritte vorgestellte Projekt setzte sich mit dem Bestand auseinander. Ein aufgegebenes Klarissenkloster in Köln-Kalk wurde zu einem integrativen Wohnprojekt, in dem Flüchtlinge und Kölner Bürgerinnen und Bürger gemeinschaftlich in einer Anlage zusammenleben. Die Klostergebäude wurden umgebaut, zur Straße geöffnet und durch Neubauten behutsam ergänzt. „Es ist städtebaulich spannend gelöst“, lobte Judith Kusch das Projekt und verwies unter anderem auf die gelungene neue Eingangssituation sowie die gute Anpassung an den klösterlichen Bestand. „Es durchbricht sozusagen die alten Mauern und ist auf einmal im bunten Strom des Lebens“, zeigte sich Stephan Grünewald begeistert von dem Projekt.
Im Anschluss hatte das Publikum noch die Möglichkeit, Fragen an das Quartett zu richten, das die Journalistin und Moderatorin Najima El Moussaoui komplettierte. Dabei ging es unter anderem um die Frage, wie eine Verdichtung und Aufstockung unserer Quartiere gelingen kann. „Es gibt ein Riesenpotenzial, wenn wir nur die Räume, die wir haben, nutzen“, meinte Eicke Becker und verwies auf Paris, das in seinen historischen Vierteln schon doppelt so dicht bebaut sei wie vergleichbare Quartiere in Deutschland. Weniger Raum müsse vor allem dem Autoverkehr zugestanden werden. „Die Verdichtung braucht ein ergänzendes Prinzip der Verlebendigung“, ergänzte der Psychologe Stephan Grünewald, der in der zunehmenden Digitalisierung und dem damit verbundenen Rückzug der Menschen ins private eine Gefahr sah. „Es ist aus ökologischen Gesichtspunkten auf alle Fälle richtig, da, wo es geht, aufzustocken“, erklärte Judith Kusch. Das Quartett war sich einig, dass dabei aber keine Frei- und Grünflächen versiegelt werden dürften. Passend dazu schloss Christof Rose die Diskussion mit einem Ausblick auf das 15. Architekturquartett NRW, das sich im nächsten Jahr dem Thema „Begrünung“ widmen wird.
Best-of: 14. Architekturquartett NRW
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