Resiliente Stadtentwicklung nach Corona
Zum Themenkreis informelle Stadtplanung, urbane Dichte und „Post-Corona-Stadt“ hatte sich die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Monaten vielfach politisch positioniert. Am 26. Januar konnten diese Positionen in einer Online-Diskussionsveranstaltung mit renommierten Expertinnen und Experten am Beispiel des Düsseldorfer „Raumwerk D“ konkretisiert werden. Über 40 Kammermitglieder beteiligten sich.
„Die Stärkung der Stadt- und Quartiersstrukturen und die steigende Resilienz von Städten sowie die Vermeidung des Auseinanderdriftens der Gesellschaft sind unabdingbar“, konstatierte der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Ernst Uhing, in einem einführenden Statement.
„Die Pandemie bringt nicht nur negative Aspekte mit sich, sondern kann auch Treiber für wichtige Entwicklungen wie der städtischen Funktionsdurchmischung, der Digitalisierung oder der Mobilitätswende sein.“
Prof. Rolf-Egon Westerheide, Vorstandsmitglied und Vorsitzender des Ausschusses „Stadtplanung“ der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, erläuterte das Prinzip der Resilienz in der Stadtplanung. In der Medizin bezeichne Resilienz die Aufrechterhaltung oder die rasche Wiederherstellung der psychischen Gesundheit während oder nach stressvollen Lebensumständen. „Für Städte gilt das ähnlich“, folgerte Westerheide: „Die Stadtgesellschaft muss sich verändern. Es müssen neue Impulse für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung gesetzt werden.“
Als Moderator der Online-Tagung sorgte Prof. Rolf-Egon Westerheide für eine fachlich hochstehende Diskussion im Anschluss an die Vorträge renommierter Fachleute.
Veränderung durch informelle Prozesse
Stadtplaner Uli Hellweg aus Berlin, der an der RWTH Aachen studierte, kann bereits auf eine längere berufliche Vergangenheit zurückblicken. Er war unter anderem Stadtbaurat im Hamburg und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen. In seinem umfassenden, weit in die Geschichte der Stadtplanung zurückreichenden Vortrag führte er insbesondere aus, dass vor allem informelle Prozesse Kraft und Veränderungen bewirkt haben, formelle dagegen nicht. „Die Resilienz der Städte liegt in den Quartieren, nicht in der Innenstadt“, stellte Hellweg fest und ergänzte: „Die Entwicklung der Zentren wird durch ihren sozialen Charakter entschieden, nicht durch ihren kommerziellen.“ Der Berliner Stadtplaner sprach sich für eine planerische Qualitätsoffensive aus, um den nachhaltigen Erhalt urbaner Dichte zu sichern und um eine Nutzungsvielfakt der Innenstädte zu befördern. „Informelle städtebauliche Verfahren sind der Schlüssel zur Vertrauensbildung“, resümierte Hellweg.
Verbannung des Individualverkehrs
Einen ungewöhnlichen Ansatz zur Schaffung öffentlicher urbaner Freiräume wählte Prof. Ulrike Böhm, Landschaftsarchitektin aus Berlin/Stuttgart, für ihren Vortrag: Sie zeigte anhand zahlreicher und überwiegend internationaler Beispiele, mit welchen unkonventionellen Mitteln öffentliche Freiflächen in Städten geschaffen werden können. „Die Verbannung des fließenden und ruhenden Verkehrs aus den Zentren ist effektiv und kostengünstig“, erläuterte sie anhand von Beispielen aus Paris, Sao Paolo und Kopenhagen. Sie hob die große Bedeutung von informellen Verabredungen der Bürger und sonstigen Beteiligten in sozialen Netzwerken für die Entwicklung von Freiräumen hervor, die sich auch bei der Erarbeitung eines Masterplans für die Innenstadt von Stuttgart erwiesen habe. In der anschließenden Diskussion räumte sie allerdings ein, dass die Umsetzung eines verkehrsarmen „Superblock“-Konzepts in Barcelona eine aufwändige Kärrnerarbeit der Planer bei Bürgern und Behörden gewesen sei.
Dynamisches Planwerk der Stadtentwicklung
Architektin Cornelia Zuschke, Planungsdezernentin der Landeshauptstadt Düsseldorf, stellte das seit 2018 entwickelte, informelle städtebauliche Planwerk „Raumwerk D“ vor. „Raumwerk D ist kreativ und ein dynamischer Prozess, und unsere heutige Veranstaltung ist Teil des Projekts“, hob Zuschke hervor. Sie stellte Düsseldorf als dichte und dennoch wachsende Stadt vor. Im Zuge des „Raumwerks D“ seien verschiedene Raumbilder von vier engagierten Planungsbüros aufgrund einer gleichlautenden Aufgabenstellung entwickelt worden. „Wir haben verschiedene Entwicklungsprojekte, die wir darauf aufbauend priorisieren. Daraus folgt, dass andere auch eine Zeit lang liegen bleiben. Konzeptionell planen, operativ priorisieren ist politisch gewollt, und wir sehen das als positiv für die Stadtentwicklung an“, stellte Düsseldorfs Planungsdezernentin fest. Sie berichtete weiterhin über den neu gegründeten Hochhausbeirat und den entstehenden Hochhausrahmenplan, der zu einer geordneten städtebaulichen Entwicklung der Landeshauptstadt beitragen solle. Und sie stellte fest: „Nur Betroffenheit ist ein schlechter Moderator, wir brauchen kreativen Diskurs auf Augenhöhe im Vorfeld und begleitend.“ Die von mehreren Teilnehmern genannte „Kraft der informellen Pläne“ wurde von allen Teilnehmern bestätigt und geschätzt.
Als Fazit konnte Prof. Westerheide von den Referent*innen dezidierte Statements entgegennehmen. Uli Hellweg stellte fest, dass informelle Pläne für eine gute Stadtplanung unersetzlich seien. Prof. Ulrike Böhm ergänzte, dass Andockstellen an formelle Planungen für die erfolgreiche Umsetzung von Planungsprozessen unabdingbar seien. Und die Düsseldorfer Planungsdezernentin Cornelia Zuschke unterstrich, dass informelle Planungsvorhaben Raum für kreative und faire Begegnungen bieten könnten und das Bild der Stadt erst vollständig machen.
Weitere Informationen unter
www.raumwerkduesseldorf.de
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