Tag der Architektur lockte mehr als 38.000 Besucher: Vom Charme des Bestands

Mehr als 38.000 Besucher nutzten am vergangenen Wochenende (27./28. Juni) in Nordrhein-Westfalen den „Tag der Architektur“, um neue und modernisierte Häuser, Wohnungen, Parks und Gärten in 163 Städten und Gemeinden zu erleben. 375 Bauwerke standen für das interessierte Publikum offen; Architekten und Bauherren erläuterten vor Ort Planungsideen und Architekturkonzepte.

29. Juni 2015von Christof Rose

An einigen Wohnhäusern drängelten sich zeitweise mehrere hundert Architekturfans, beispielsweise an dem Haus des früheren Direktors der Kunstakademie Düsseldorf, Walter Kaesbach, im Düsseldorfer Stadtteil Lohausen. 650 Besucherinnen und Besucher zählten Jasmin und Wolfgang Sigg an nur einem Nachmittag. „Der Bauhaus-Kubus von Karl Meinhardt ist ein tolles Gebäude, das knapp 100 Jahre später immer noch fasziniert“, erklärte das junge Architektenpaar. Die Modernisierung im Inneren realisierten die beiden Architekten in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz. „Wir arbeiten viel im Bestand - da findet sich oftmals ein über Jahrzehnte gewachsener Charme“, meinte Jasmin Sigg.

„Architektur hat Bestand“ lautete das bundesweite Motto des Tags der Architektur 2015. Ein kleines, aber fast ebenso stark besuchtes Beispiel für diese Behauptung präsentierte Jochen Reetz in Köln. In enger Zusammenarbeit mit seinen Bauherren, Yvonne und Wiorel Scheumar, entwickelte der Kölner Architekt ein gut 200 m2 großes Einfamilienhaus in einem Hinterhof - auf Basis einer ehemaligen Printenbäckerei. Hier war eine enge Kooperation mit dem Bauamt der Stadt notwendig, um durch die (Rück-)Baumaßnahmen nicht den Bestandschutz für das Gebäude zu gefährden. „In solchen Fällen kann es keine Standardlösung geben. Hier war Individualität und ein fundiertes Know-how gefragt“, lobte Bauherr Wiorel Scheumar seinen Architekten.

Auch in Remscheid lockte das Neue im Alten viele hundert Besucher an - und gleich mehrere TV-Sender. Für die ZDF-Sendung „Volle Kanne“ besuchte Autorin Ann-Kathrin Otto den Bauernhof von Cornelia Mache-Mellinghaus und ihrem Mann Dieter. Gemeinsam mit dem Wuppertaler Architektenpaar Wibke und Haris Alisic-Haverkamp sanierten und gestalteten die Eigentümer den baufälligen Hof zu einem modernen Wohnhaus mit Arbeitszimmern und attraktiven Freiräumen um. Nachbarin Inge Bümsen, die den Hof seit 40 Jahren kennt, zeigte sich begeistert von der Verwandlung des Bauwerks. „Es ist ein echtes Erlebnis, auch die Innenräume einmal im Detail vorgestellt zu bekommen.“

Genau das machte auch in der 20. Ausgabe des Tags der Architektur wieder den Charme der Veranstaltung aus. „Die zahlreichen Gespräche vor Ort zwischen Architekten und Interessierten haben den Tag der Architektur zu einem echten Architekturfestival gemacht“, resümierte Ernst Uhing, der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Die große Resonanz bekräftige das Interesse einer breiten Öffentlichkeit an Projekten der Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung.

Zu den am stärksten frequentierten Bauwerken zählten auch die neuen U-Bahnhöfe in Köln; vor allem der größte Neubau - die Station Heumarkt von Prof. Ulrich Coersmeier - lockte über 1.500 Besucherinnen und Besucher an.

Einige der teilnehmenden Architektinnen und Architekten blickten anlässlich des 20-jährigen Jubiläums auf eine lange „Tag der Architektur“-Historie zurück: Landschaftsarchitekt Christoph Imöhl, der in Dortmund einen Privatgarten für ein Mehrgenerationenhaus erläuterte, war nach eigener Zählung bereits zum 18. Mal dabei. „Es macht einfach Spaß, Menschen für unsere schöne Aufgabe und für eine anspruchsvolle Gartengestaltung zu begeistern“, meinte Imöhl. Zudem sei der TdA eben auch eine gute Plattform, um konkret für die eigene Arbeit zu werben.

Das sah auch John Rausch so. Der Neusser Architekt hat sich auf die Planung anspruchsvoller Einfamilienhäuser spezialisiert. Das Haus am Rhein, das er in Neuss für Tessa und Frank Loogen realisiert hatte, faszinierte durch eine geschickte Planung auf einem schmalen, langen Grundstück sowie durch seine Bruchsteinfassade. Auch John Rausch war „das 17. oder 18. Mal“ am Tag der Architektur mit von der Partie. „Für mich ist das eine gute Möglichkeit, die Vorteile des individuellen Planens und Bauens mit einem Architekten deutlich zu machen“, erklärte Rausch. Und die Begeisterung der Besucher sei auch eine schöne Motivation.

Auch Objekte der Innenarchitektur und der Stadtplanung lockten zahlreiche Interessierte. Fachleute, Patientinnen und einige neue Nachbarn besuchten etwa die Gynäkologische Praxis von Dr. Julia Kühl im Neubaugebiet „Belsenpark“ in Düsseldorf. Innenarchitektin Angela Oedekoven strukturierte die 162 m2 große Fläche der Praxis so, dass der große Empfangsbereich und die überhohen Türen eine Großzügigkeit und Leichtigkeit vermitteln, die für die Patientinnen eine positive Atmosphäre generiert.

Das rege Interesse an neuer und erneuerter Architektur spiegelte sich auch in der Nutzung der neuen Medien: Die Internet-Bilddatenbank der Architektenkammer wurde rege genutzt, die bundesweite App zum Tag der Architektur mehrere tausend Mal heruntergeladen. Der laufenden Berichterstattung der Architektenkammer NRW auf Facebook folgten viele Interessierte und kommentierten dort einzelne Bauwerke.

Alle Objekte der Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung, die in diesem und in den vergangenen Jahren am Tag der Architektur zu sehen waren, können dauerhaft über eine Internet-Datenbank unter www.aknw.de in der Rubrik „Baukultur“ mit Fotos und vielen Detailangaben abgerufen werden. Dort kann man auch nach Städten selektiert recherchieren. 

Datenbank zum "Tag der Architektur"

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