Von der Punktwolke zum 3D-Modell: „Regionalkonferenz Digitalisierung“

Mehr als 830 Architektinnen und Architekten informierten sich am 18. Februar in der bundesweit ersten „Regionalkonferenz Digitalisierung“ über den aktuellen Stand der laufenden Umstellung des Baugenehmigungsverfahrens in Nordrhein-Westfalen hin zum „Digitalen Bauantrag“ sowie über technische Innovationen im Zuge der Digitalisierung der Bau- und Planungsbranche. Alle Dokumente (Vorträge und Videos) finden Sie weiter unten im Text.

22. Februar 2021von Christof Rose

Dass die gemeinsame Konferenz der Bundesarchitektenkammer und der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, die live aus dem „Haus der Architekten“ in Düsseldorf gestreamt wurde, mit einer Rekordteilnehmerzahl stattfand, zeugt nach Überzeugung des Präsidenten der Architektenkammer NRW, Ernst Uhing, von der Bedeutung des digitalen Wandels für die Branche. „Die fortschreitende Digitalisierung verändert unsere Arbeit als Architekten und Stadtplaner in erheblichem Umfang.“ Die Regionalkonferenz Digitalisierung habe auch gezeigt, wie intensiv sich die Architektenschaft mit dieser Entwicklung auseinandersetzt.

Wie wirkt sich die Corona-Krise auf die Digitalisierung unserer Branche aus? Wie ist das erste Wohnhaus aus dem 3D-Drucker entstanden? Wie weit ist der digitale Bauantrag? - Diese und andere Fragen wurden in der Konferenz in Vorträgen und Impulsen beantwortet oder im Dialog von Moderator Tim Westphal (Fachjournalist, Berlin) vertieft. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten sich per Chat mit Fragen und Anmerkungen einbringen.

Digitaler Bauantrag für NRW

Kammerpräsident Ernst Uhing betonte in seiner Einführung, dass die Digitalisierung der Planungs- und Baubranche für die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen ein zentrales berufspolitisches Thema sei – nicht zuletzt, weil das Baugenehmigungsverfahren deutlich beschleunigt werden könne. Nordrhein-Westfalens Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, Ina Scharrenbach, bekräftigte dieses Ziel. Ihr Ministerium treibe die Umsetzung des „Digitalen Bauantrags“ gegenwärtig mit Nachdruck voran. „Dabei setzen wir auf das Know-how und die Praxiserfahrung der Architektenschaft und ihrer Kammer“, erklärte Ministerin Scharrenbach. Zeitnah soll das einfache Baugenehmigungsverfahren über das Bauportal.NRW zur Verfügung stehen. Weitere Antragsassistenten, z. B. für Sonderbauten und Werbeanlagen, sollen ebenfalls noch dieses Jahr folgen. Entscheidend sei, dass die Kommunen den Weg mitgingen und ihre Bauämter entsprechend personell und technisch aufstellten.

Größer öffentlicher Bauherr in NRW: BLB

Als größter öffentlicher Bauherr in Nordrhein-Westfalen betreut der „Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes NRW“ (BLB NRW) gegenwärtig 4.250 Bestandsgebäude und 7.642 Bauprojekte, von der Kleinmaßnahme bis zu hochkomplexen Bauwerken wie Sicherheitsgebäuden. Wie BLB-Geschäftsführerin Gabriele Willems erläuterte, versprächen die digitale Erfassung des Bestandes und die Projektabwicklung über das Building Information Modeling deutliche Effizienzsteigerungen in Planung und Abwicklung von Bauprojekten, aber auch in der Bestandspflege und -entwicklung. Elektronische Baubücher böten exakte Angaben über Material, Erneuerungszyklen und zu kalkulierende Kosten.

„Das Arbeiten im digitalen Modell vereinfacht auch die Kommunikation zwischen allen Beteiligten und zeigt Unstimmigkeiten sofort auf“, führte Architektin Willems aus. „Präsentationen vor Kunden werden einfacher und überzeugender – und auch die Komplexität von Änderungswünschen können wir überzeugend darstellen.“
Als konkretes Beispiel stellte Gabriele Willems den „Digitalen Zwilling“ des Behrens-Baus am Düsseldorfer Rheinufer vor. Das großvolumige Bauwerk von Peter Behrens (Fertigstellung: 1911/12), das der BLB NRW im Jahr 2009 erworben habe, werde gegenwärtig zum „Haus der Geschichte“ umgebaut, das in fünf Jahren - anlässlich des 80-jährigen NRW-Landesjubiläums – eröffnet werden soll. Hier hätten vorhandene Pläne und Unterlagen digital aufgearbeitet und in ein 3D-Modell übertragen sowie vielfältige ergänzende Daten erhoben werden müssen.

An die Teilnehmer*innen des virtuellen Kongresses gewandt wies Gabriele Willems auf die Bedeutung des BLB NRW als Auftraggeber hin: 400 bis 500 Planungsaufträge im Volumen von rund einer Milliarde Euro seien jährlich zu vergeben. Der Einsatz von Building Information Modeling sei dabei noch nicht überall zwingend, „wir sagen aber auch nicht nein, wenn ein Architekturbüro das vorschlägt“. Grundsätzlich arbeite der BLB NRW als öffentlicher Auftraggeber mit „open-BIM“, sodass keine bestimmte Software vorgegeben werde, sondern lediglich die Schnittstellen definiert würden.

Bestandsvermessung mit 3D-Scan

Eine unverzichtbare Basis für jedes digitale 3D-Modell sind exakte Projektdaten – die aber gerade in der Bestandsarbeit nur selten umfassend vorliegen. Mit großer Aufmerksamkeit verfolgten die Teilnehmer der „Regionalkonferenz Digitalisierung“ deshalb den Vortrag von Martin Pilhatsch (Pilhatsch Ingenieure, Bonn), der den Weg „Vom 3D-Scan zum BIM-Bauwerksmodell“ vorstellte. Dazu präsentierte er das konkrete Beispielprojekt „Mühlen im Deutzer Hafen“. Für die seit über 100 Jahren immer wieder umgebauten Mühlen gebe es kaum verlässliche Bestandspäne. Zunächst wurde deshalb ein BIM-konformes Bauwerksmodell erstellt, und zwar auf Basis einer umfassenden Aufnahme mit 3D-Laserscan. Dazu wurden für den Mittelteil des Gebäudes 3800 Messstandpunkte erfasst. „Unsere Modelle sind nicht nur schön. Sie sind auch geometrisch richtig“, fasste Martin Pilhatsch zusammen. Die Registriergenauigkeit liege bei Abweichungen unter einem Zentimeter. Auf diese Weise könnten digitale Modelle aufgebaut werden, die fotorealistisch wirkten und Planern die Möglichkeit böten, mit Auftraggebern und Planungspartnern digitale, aber absolut realistische Baubegehungen durchführen.

Für die Deutzer Mühlen wurden mehr als 125 000 einzelne Bauteile erfasst und modelliert, darunter rund 1200 Fenster. Um die Daten handhabbar zu halten, wurde der Gebäudekomplex in sechs Abschnitte unterteilt. Das Gesamtdatenvolumen habe bei 13,8 TB gelegen, ausgegeben in den Formaten rvt, ifc, dwg und pdf. Der Vermessungsingenieur Martin Pilhatsch riet aber zur Konzentration auf das Wesentliche: „Ein reines Nachzeichnen der Punktwolke führt nie zum Erfolg. Man muss sich immer mit dem Verwendungszweck auseinandersetzen.“

Erstes „Wohnhaus aus dem Drucker“

Vom digitalen Modell ohne Umwege zur Produktion eines Wohnhauses: Diesen Weg beschreitet gegenwärtig Architekt Waldemar Korte (mense + korte ingenieure + architekten, Beckum). In Beckum entsteht in diesen Monaten ein „Haus aus dem Drucker“. Architekt Korte, der vor seinem Studium Maurer gelernt hat, erläuterte im Detail, wie aus einem 3D-Modell konkrete Produktionsdaten an einen an Stahlstangen aufgehängten Druckerkopf gegeben werden, der einen Spezialbeton Schicht um Schicht zu Hauswänden und Fassaden „druckt“. „Das Prinzip des contour crafting kann prinzipiell für verschiedene dickflüssige Baumaterialien genutzt werden, etwa Beton, Sandgemische und Lehm“, erklärte Waldemar Korte. Bei dem Projekt in Beckum, das vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung als Pilotprojekt gefördert wird, betrage die Druckleistung eine Minute pro Quadratmeter Wandfläche.

Die Planung des Wohnhauses sei dreidimensional im CAD-Programm erfolgt. Für die TGA-Gewerke wurde eine exakte Durchbruchsplanung eingearbeitet. Grundsätzlich bietet das Druckverfahren aus Sicht von Architekt Korte eine ganze Reihe von Vorteilen, die es auszubauen gelte: „Hohe Designfreiheit, kurze Bauzeit, geringer Personaleinsatz auf der Baustelle (2-3 Personen), hohe Planungsqualität und Planungstiefe.“ Kostenersparnisse ergäben sich zudem durch Entfall von Nebengewerken wie Putzarbeiten, Elektrorohrinstallation und nachträgliche Fassadendämmung. „Das Ganze steht und fällt mit der digitalen Infrastruktur in Deutschland“, schloss Waldemar Korte. Der Drucker müsse mit komplexen Daten gefüttert werden können. „Da bleibt noch viel zu tun.“

Implementierung von BIM im Architekturbüro

Wie kann das Building Information Modeling, also die gemeinsame digitale Arbeitsplattform für alle Projektbeteiligten, im Architekturbüro umgesetzt werden? Dazu stellte der Essener Architekt Wolfgang Zimmer eine neue Publikation der Bundesarchitektenkammer vor. Die Broschüre „BIM-Implementierung im Architekturbüro“ war unter Federführung der Architektenkammer NRW von einer Arbeitsgruppe verfasst worden. „Eine praxisorientierte Einstiegshilfe step-by-step“, resümierte Zimmer, die für Architekturbüros unterschiedlicher Größe ausgelegt sei. Wichtig für die BIM-Einführung im Büro sei eine klare Strategie. Der Leitfaden biete dazu konkrete Checklisten und Arbeitshilfen. Entscheidend für die erfolgreiche Implementierung von BIM sei, von Anfang an die Projekt- und Planungspartner in den Prozess einzubinden und auch Bauherren mitzunehmen. „Wir machen in der Broschüre deutlich, dass der Architekt bzw. die Architektin weiterhin eindeutig die Systemführerschaft innehaben muss“, betonte Wolfgang Zimmer. Hinweise biete die Publikation auch zu notwendigen Materialien und Software, den Kosten und zu juristischen Fragestellungen. „BIM braucht seine Zeit. Es gibt Projektabläufe mit großen Effizienzgewinnen und solche mit kleineren“, erläuterte Zimmer im Gespräch mit Moderator Tim Westphal. „Wir sind heute noch nicht immer effizienter, aber immer öfter!“

Aktuelle Marktsituation der Architekturbüros

In welchem wirtschaftlichen Umfeld geht der Prozess der Digitalisierung gegenwärtig vonstatten? Zu dieser Frage hat die Bundesarchitektenkammer (BAK) im Laufe des Jahres 2020 drei Befragungen unter ihren Mitgliedern zu den Folgen der Corona-Pandemie durchgeführt. Gabriele Seitz, Referatsleiterin Digitalisierung der BAK, stellte die Ergebnisse vor. Zusammengefasst sei die Planungsbranche bislang vergleichsweise stabil durch die Pandemie gekommen. Allerdings stellten zahlreiche Büros fest, dass es schwieriger werde, Folgeaufträge zu akquirieren. Insofern sei es wichtig, dass Architekturbüros sich zukunftsfähig aufstellten – und die Digitalisierung als Chance aufgriffen. „Digitale Innovation wird den Arbeitsprozess im Planen und Bauen beschleunigen und allen Kammermitgliedern zugutekommen“, zeigte sich Gabriele Seitz überzeugt.

Dem schloss sich die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, Barbara Ettinger-Brinckmann, in ihrem Resümee der ersten „Regionalkonferenz Digitalisierung“ der BAK an. Die Veranstaltung habe mit ihrer Mischung von Positionen, Erfahrungen und der konkreten Vermittlung von Fachwissen dazu beigetragen, den laufenden Innovationsprozess der Branche voranzubringen. „Gerne würden wir die Regionalkonferenzen vor Ort durchführen – aber gerade beim Thema ‚Digitalisierung‘ zeigt sich die Stärke der Online-Formate, die uns eine enorme Reichweite ermöglichen“, betonte Barbara Ettinger-Brinckmann mit Blick auf die 830 Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer.

Die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer hob hervor, dass bei aller Techniklastigkeit der Diskussion um Digitalisierung, BIM-Implementierung und bautechnische Innovationen das Streben nach hoher Planungs- und Realisierungsqualität im Mittelpunkt stehen müsse. „Wir alle arbeiten jeden Tag für eine hohe Baukultur in unserem Land. Das wollen wir nie aus den Augen verlieren!“

Vorträge

DIE CORONA-PANDEMIE UND DIE DIGITALISIERUNG
Gabriele Seitz
Leitung Referat Digitalisierung
Bundesarchitektenkammer

 

BIM FÜR ARCHITEKTEN
Implementierung im Büro
Wolfgang Zimmer
Dipl.Ing., Architekt BDA, Architektenkammer Nordrhein Westfalen
Vorsitzender der Arbeitsgruppe „BIM Implementierung im Architekturbüro“
der Bundesarchitektenkammer

Video

NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach zum Digitalen Bauantrag in NRW

 

 

 

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