Weltausstellungsarchitektur: Kontinuität und Brüche
Wenn im kommenden Frühjahr in Mailand die Expo 2015 ihre Tore öffnen wird, rückt erstmals seit 2000 (Expo Hannover) eine Weltausstellung wieder in relative Nähe zu uns. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen nutzt diesen Anlass, um die Geschichte der deutschen Pavillons und die Entwicklung der Expos insgesamt in einer Ausstellung im Haus der Architekten Revue passieren zu lassen – und um den Blick nach vorn zu richten. Die Ausstellung „Kontinuität der Brüche – Weltausstellungsarchitektur 1851 – 2015“ ist bis zum 24. Oktober 2014 im Haus der Architekten in Düsseldorf zu sehen.
Der Kölner Architekt und Künstler Dr. Thomas Schriefers beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit der Historie der Weltausstellungen. Aus den Erzählungen seiner Eltern von der Expo 1958 in Brüssel entwickelte er bereits in seiner Kindheit ein lebhaftes Interesse an den Weltausstellungen und sammelt seither begeistert Objekte. „Mein Vater war stellvertretender Direktor der Werkkunstschule Wuppertal und bereiste mit meiner Mutter mehrfach die Weltausstellung in Brüssel“, erinnerte sich Schriefers in seiner Einführung in die Ausstellung. Anlässlich der Vernissage am 2. September erzählte der Kölner Architekt, Künstler und Dozent, wie sein Vater, der Maler Prof. Werner Schriefers, nach Ende der Expo 1958 versuchte, den Deutschen Pavillon von Sepp Ruf und Egon Eiermann nach Wuppertal zu holen. „Leider vergebens – man war noch nicht so weit“, konstatierte Dr. Thomas Schriefers.
Als Kurator der Ausstellung im Haus der Architekten vereint er unter dem Titel „Kontinuität der Brüche – Weltausstellungsarchitektur 1851 - 2015“ eine künstlerische Betrachtung der Deutschen Pavillons mit Originalobjekten der Brüsseler Expo und mit einer Vorschau auf den deutschen Beitrag zur Weltausstellung 2015 in Mailand von der ARGE Deutscher Pavillon (Schmidhuber, Milla & Partner und Nüssli Deutschland). Dabei werden vor allem Entwicklungslinien und Entwicklungssprünge deutlich – von der heimattümelnden Pavillonarchitektur der ersten Ausstellungen in Zeiten des Kaiserreichs weiter zur Moderne mit dem herausragenden Experiment des Barcelona-Pavillons 1929 von Mies van der Rohe über die Machtarchitektur der Nationalsozialisten bis hin zur transparent-demokratischen Architektursprache der Nachkriegsjahre.
„Die Architekturen der Weltausstellungen sind mehr als Bauwerke, die zwischen Innovation und Spektakel, zwischen Attraktion und Verkauf oszillieren“, stellte der Vizepräsident der Architektenkammer NRW, Dr. Christian Schramm, in seiner Begrüßung zur Vernissage fest. „Die Länderpavillons tragen immer auch eine starke politische Aussage. Wobei die Schwerpunkte sich über die Jahrzehnte verschieben.“
Eines der Highlights der jüngeren Expo-Geschichte war aus deutscher Sicht die Weltausstellung Shanghai 2010. Den „Balancity“-Pavillon, mit dem Deutschland in China auftrat, wollten mehr als neun Millionen Besucher sehen. „Ein unglaublicher Erfolg, der vor allem in der spielerischen Leichtigkeit lag, mit der sich Deutschland aber als Land der Erfinder, Ingenieure und als Wissensgesellschaft darstellte“, erinnert sich Markus Weichert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Weichert war selbst über Wochen in Shanghai und empfing Wirtschaftsdelegationen aus aller Welt am Deutschen Pavillon. Einen ähnlichen Erfolg erhofft er sich nun wieder vom Auftritt in Mailand 2015. Die Ausschreibung hat jedenfalls wieder das Erfolgsteam aus Shanghai für sich entschieden: Das architektonische Konzept stammt vom Münchner Architekturbüro Schmidhuber, die Ausstellung und die Medien werden von der Stuttgarter Agentur Milla & Partner entworfen und realisiert, und für die Ausführung und das Projektmanagement zeichnet die deutsche Tochtergesellschaft der Nüssli Gruppe mit Sitz in Roth verantwortlich. „Fields of ideas“ heißt das Motto des Deutschen Pavillons 2015 – und was es damit genau auf sich hat, können Interessierte in einem Werkvortrag am 24. September im Haus der Architekten, erfahren.
Die Ausstellung im Haus der Architekten macht deutlich, dass die Architekturen der Länderpavillons in verdichteter Form den Zeitgeist widerspiegeln – und zwar viel extremer, als jede andere Architektur dies sowieso tut. Kurator Thomas Schriefers ermöglicht dem Betrachter durch die Zusammenstellung von Pavillons eines Landes über mehrere Jahrzehnte einen Zeitrafferblick, der Entwicklungslinien klar vor Augen führt. Immer wieder ergänzen historische Postkarten und Fotografien die zeichnerische Wiedergabe der Weltausstellungsarchitekturen. Wertvolle zeitgenössische Buchdokumentationen runden das Bild ab.
Dr. Thomas Schriefers hat seine jahrelangen Forschungen zur Architektur der Weltausstellungen auch in einem Buch festgehalten, das 2013 erschienen ist und von der AUMA als offizieller Begleitband auch zur Expo Milano 2015 in englischer Sprache herausgegeben wird. Unter dem Titel „Geträumt, geplant, gebaut - abgerissen! Weltausstellungsarchitektur“ stellt das umfassende Kompendium zum Thema Weltausstellungen in 188 chronologisch geordneten Texten zu den temporären Weltausstellungsbauten dar, wie sich die Architekturen, aber auch die Kunst der politische Hintergrund von Expo zu Expo entwickelt und verändert haben. Das Buch und die Ausstellung laden dazu ein, sich auf eine fantastische Reise in die Welt einer verlorenen Welt-Architektur zu begeben. Oder, wie Thomas Schriefers es ausdrückte: „Die Expos wurden mein persönliches Atlantis, das ich unbedingt entdecken wollte.“ Eine Suche, die immer weiter geht.
Die Rede des Kölner Architekten und Künstlers Dr. Thomas Schriefers zur Ausstellungseröffnung steht<link file:18158 _blank download>hier zum Download bereit.
„Kontinuität der Brüche – Weltausstellungsarchitektur 1851 - 2015“ – Ausstellung im Haus der Architekten (Zollhof 1, 40221 Düsseldorf-Medienhafen). 03.09. – 24.10.2014. Öffnungszeiten Mo. – Do. 08.00 – 17.00 Uhr, Fr. 08.00 – 13.00 Uhr. Eintritt frei.
Themenabend am 24.09.14, 18.30 Uhr, im Haus der Architekten: Werkvortrag über den Deutschen Pavillon auf der Expo 2015 in Mailand von der Arbeitsgemeinschaft Schmidhuber / Milla & Partner / Nüssli, die den Deutschen Pavillon auf der Expo 2015 in Mailand entworfen hat und realisieren wird. Es sprechen Lennart Wiechell (Architekt und Managing Partner bei Schmidhuber) sowie Peter Redlin (Kreativdirektor und Geschäftsführer bei Milla & Partner). Bitte melden Sie sich unter teilnahme@aknw.de an.
Fachexkursionen zur Expo Mailand 2015: Die Akademie der Architektenkammer NRW gGmbH wird zur Expo Mailand 2015 in Kooperation mit dem Reiseveranstalter Poppe & Co Fachexkursionen für Architekten und Stadtplaner anbieten. Details und Termine
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