Freundschaftsdienste

30. April 2015von Dr. Sven Kerkhoff

Architektin A wendet sich mit folgender Frage an die Kammer: „Ich habe häufiger Aufträge für die Planung und Überwachung von Baumaßnahmen der Firma X erhalten. Auf diese Weise hat sich in den letzten Jahren eine enge Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer des Unternehmens ergeben. Wir haben uns immer sehr gut verstanden und vertrauensvoll kooperiert. Deshalb habe ich mich beim letzten Auftrag darauf eingelassen, diesmal einen Pauschalpreis zu nennen und vertraglich festzuschreiben. Mittlerweile muss ich aber feststellen, dass diese Pauschale deutlich zu niedrig angesetzt war. - Darf ich jetzt noch eine Rechnung nach den Regeln der HOAI stellen?“

Ja, da die getroffene Honorarvereinbarung unwirksam sein dürfte. Eine Unterschreitung der Mindestsätze lässt die HOAI nur in Ausnahmefällen zu und verlangt dafür zusätzlich eine schriftliche Vereinbarung (§ 7 Abs. 3 HOAI). Nach der Amtlichen Begründung der Regelung in der HOAI 2009, die unverändert in die HOAI 2013 übernommen wurde, können enge Bindungen rechtlicher, wirtschaftlicher, sozialer oder persönlicher Art für einen Ausnahmefall sprechen, der die Mindestsatzunterschreitung rechtfertigt (BR-Drs. 396/09, S. 165). Die Hürden für die Annahme einer engen wirtschaftlichen Beziehung, die in der Praxis am häufigsten für Rechtsunsicherheit sorgt, sind jedoch hoch. Das Vertragsverhältnis muss sich dazu ganz deutlich von der Masse der übrigen Vertragsverhältnisse abheben (BGH, Urteil vom 27.10.2011 – VII ZR 163/10, BauR 2012, 271). Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat jüngst noch einmal betont, dass es sich um eine besonders enge Beziehung zwischen den Parteien handeln muss, und dass diese nicht schon deshalb anzunehmen ist, weil sich im Laufe einer geschäftlichen Zusammenarbeit Umgangsformen entwickelt haben, die als freundschaftlich zu bezeichnen sind (OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.10.2014 – 5 U 51/13).

Auch reicht es nicht aus, dass schon in der Vergangenheit vielfach Aufträge erteilt und zu einem unter dem Mindestsatz liegenden Pauschalhonorar vergütet wurden, oder dass der Auftragnehmer regelmäßig einen erheblichen Teil seines Jahresumsatzes aus einer bestimmten Geschäftsbeziehung generiert (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2011 – VII ZR 163/10, IBR 2012, 88). Ebenso wenig genügt die wiederholte Erteilung gleichgelagerter Aufträge (KG Berlin, Urteil vom 13.1.2011 – 27 U 34/10). Vor diesem Hintergrund erscheint mittlerweile sogar fraglich, ob (wie früher häufig angenommen) das Bestehen eines Rahmenvertrages für sich genommen noch einen Ausnahmefall zu begründen vermag (vgl. Lo-cher/Koeble/Frik, HOAI, 12. Aufl., Rz. 124 zu § 7 HOAI).

Praxistipp

Ob wirklich eine Konstellation vorliegt, die eine Mindestsatzunterschreitung gestattet, sollte schon deshalb sorgfältig geprüft werden, weil anderenfalls die Gefahr besteht, gegen Berufspflichten zu verstoßen (§ 22 Abs. 2 Nr. 8 BauKaG NRW). Ein wegen einer Mindestsatzunterschreitung unwirksamer Vertrag ist zudem höchst streitanfällig, denn häufig beruft sich der Bauherr darauf, dass der Architekt nach Treu und Glauben dennoch an die unwirksame Honorarvereinbarung gebunden sei. Dies kann der Fall sein, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertrauen durfte und sich hierauf durch entsprechende wirtschaftliche Dispositionen eingerichtet hat. Ein in dieser Weise schutzwürdiges Vertrauen kann sich u. a. dadurch herausbilden, dass zwischen den Vertragspartnern wiederholt Honorarvereinbarungen unter den Mindestsätzen getroffen wurden.      

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