Kein Zurückbehaltungsrecht des Architekten an Bauunterlagen

01. September 1997von September 1997

OLG Köln, Urteil vom 11.07.1997

- 11 W 21/97 -OLG Köln:
1. Bauunterlagen, die für die Durchführung eines Bauvorhabens dringend erforderlich sind, können auch im Wege der einstweiligen Verfügung von dem Architekten herausverlangt werden. Ein Zurückbehaltungsrecht steht dem Architekten wegen einer vom Bauherrn nicht beglichenen Abschlagsrechnung nicht zu.

2. Ein Architekt ist verpflichtet, seinem Auftraggeber Mutterpausen zur Verfügung zu stellen, wenn er an den Originalplänen ein Urheberrecht beansprucht. Zum Sachverhalt:

Die Verfügungskl. haben ein Einfamilienhaus errichtet; mit der Erstellung der hierfür notwendigen Pläne sowie der Durchführung des Baugenehmigungsverfahrens hatten sie die Architektin W beauftragt; nach Erstellung des Rohbaues wurde der Architektenvertrag mit Frau W einvernehmlich beendet und der Verfügungsbekl. mit den weiteren Architektenleistungen von den Verfügungskl. betraut. Nachdem der Verfügungsbekl. unter dem 15.05.1996 den Verfügungskl. eine Abschlagsrechnung über 25.078,42 DM zugeleitet hatte, kam es zwischen den Parteien zu Differenzen, in deren Verlauf es zu beiderseitigen Kündigungen des Vertragsverhältnisses kam. Mit Schreiben vom 09.06.1996 forderten die Verfügungskl. von dem Verfügungsbekl. die Herausgabe "sämtlicher Unterlagen"; dies hat der Verfügungsbekl. unter Hinweis auf ein bestehendes "Rückbehaltungsrecht" abgelehnt. Mit der Behauptung, sie seien auf die Aushändigung der Bauunterlagen für die Fortsetzung des Bauvorhabens dringend angewiesen, haben die Verfügungskl. den Verfügungsbekl. auf Herausgabe der Bauunterlagen in Anspruch genommen. Dem hat das LG durch Beschluß vorn 24.06.1996 entsprochen. Der Verfügungsbekl. hat gegen den Beschluß Widerspruch eingelegt; nachdem die Verfügungskl. die Unterlagen im Wege der Zwangsvollstreckung zwischenzeitlich erhalten haben, ist das einstweilige Verfügungsverfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden.

Das LG hat die Kosten den Verfügungskl. auferlegt. Die sofortige Beschwerde der Verfügungskl. hatte Erfolg.

 Aus den Gründen:

Das LG hat den Verfügungskl. zu Unrecht die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens auferlegt; diese sind vielmehr dem Verfügungsbekl. aufzuerlegen (§ 91 a ZPO):

Die Auffassung des LG, es fehle bereits deshalb an einem Verfügungsanspruch, weil gegen den Verfügungsbekl. kein Anspruch auf Herausgabe von Original-Unterlagen bestanden habe, wie dies von den Verfügungskl. verlangt worden sei, ist unzutreffend. Das LG hat nämlich übersehen, daß ein Architekt grundsätzlich nicht zur Herausgabe von Originalunterlagen verpflichtet ist, an denen er ein Urheberrecht besitzt. Ob der Verfügungsbekl. hier solche (eigenen) Originalunterlagen in Händen hatte, ist zweifelhaft und kann auch offenbleiben; denn der Verfügungsbekl. wäre in jedem Falle verpflichtet gewesen, von den Bauunterlagen, an denen er ein (eigenes) Urheberrecht besaß, den Verfügungskl. Mutterpausen zur Verfügung zu stellen. Es entspricht herrschender Auffassung, daß der Architekt mit dem Abschluß des Architektenvertrages in aller Regel die urbeberrecbtliche Nutzungsbefugnis (an seiner Planung) auf den Bauherrn überträgt, soweit diese zur Errichtung des Bauwerks benötigt wird (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 8. Aufl. [1996), Rdnr. 1947 m. w. Nachw.). Dies gilt auch, wenn die vertragliche Beziehung zwischen dem Bauherrn und Architekten durch Kündigung beendet wird (BGHZ 64, 145 = NJW 1975, 1165 = LM § 2 UrhG Nr. 2 = BauR 1975, 363; OLG Frankfurt a. M., BauR 1982, 295). Von daher bestanden gegen die Formulierung (und Begründung) des Verfügungsantrages keine durchgreifenden Bedenken.

Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Verfügungskl. hatte Frau W die Pläne (sowie die Baugenehmigungsunterlagen) im wesentlichen erstellt. An diesen Plänen und Unterlagen hatte Frau W, soweit diesen eine originelle eigenschöpferische Darstellungsweise zu eigen war, ein Urheberrecht, das sie berechtigte, die Originalunterlagen in Besitz zu halten; sie war daher auch, nachdem sie von den Plänen und sonstigen Unterlagen Mutterpausen/Kopien an den Verfügungsbekl. herausgegeben hatte, nicht mehr (gegenüber den Verfügungskl.) verpflichtet, Zweitkopien herauszugeben und/oder anzufertigen; insoweit konnte Frau W die Verfügungskl. auch an den Verfügungsbekl. verweisen, der die Unterlagen in Händen hielt. Die Verfügungskl. hatten daher auch hinreichenden Anlaß, den Verfügungsbekl. im Wege der einstweiligen Verfügung auf Herausgabe der Bauunterlagen in Anspruch zu nehmen, die sie für die Fortsetzung des Bauvorhabens benötigten (vgl. OLG Düsseldorf, Schäfer/Finnern, Z.3.00 Bl. 115; OLG Frankfurt a. M., BauR 1980, 285; Werner/Pastor, Rdnr. 354). Dem Verfügungsbekl. stand auch kein Leistungsverweigerungsrecht an den Unterlagen zu. Die Herausgabe der Pläne pp. konnte nicht von der vorherigen Begleichung der Abschlagszahlung abhängig gemacht werden (OLG Frankfurt a. M., BauR 1982, 295), da der Architekt, wie dargelegt, der Nutzungsbefugnis seiner Pläne vorleistungspflichtig ist und seine Gebührenansprüche deshalb gegebenenfalls nach §§ 648, 648a BGB absichern muß (OLG Frankfurt a. M., BauR 1982, 295 [297]).

Im Ergebnis ist deshalb festzustellen, daß der Verfügungsantrag der Verfügungskl. zulässig und begründet war; es entspricht deshalb auch billigem Ermessen, die Kosten des übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärten einstweiligen Verfügungsverfahrens dem Verfügungsbekl. aufzuerlegen.
 

(Mitgeteilt von Vors. Richter am OLG Dr. W. Pastor, Köln)

 Anm. d. SchriftItg.:

S. zum Recht des Anwalts zur Zurückbehaltung von Handakten BGH, NJW 1997, 2944 = NJW-RR 1998, 493 L= LM H. 3/1998 § 273 BGB Nr. 51 mit Anm. Lauda.

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