Wie sich Architekten und Stadtplaner aus NRW in internationalen Hilfsprojekten engagieren

Architekten: Grenzenlose Hilfe

Die Zerstörungen, die durch Naturkatastrophen und Kriege verursacht werden, lassen in der nachfolgenden Berichterstattung der Medien immer wieder die Bedeutung der Organisations- und Planungskompetenz von Architekten und Stadtplanern aufscheinen. Zumindest punktuell wird dabei der Öffentlichkeit vor Augen geführt, dass Architekten zu den Berufsgruppen gehören, deren Leistungen zur Sicherung der elementaren Grundbedürf-nisse eines jeden Menschen unverzichtbar sind. Auch jenseits eines aktuellen Krisenmanagements gibt es zahlreiche Architektinnen und Architekten, die sich ehrenamtlich in Sozial- und Hilfsprojekten engagieren. Wir stellen zwei Hilfsprojekte von NRW-Architekten vor.

11. Mai 2006von Christof Rose

Kongo, das flächenmäßig und von der Bevölkerungszahl her drittgrößte afrikanische Land, ist derzeit im Zusammenhang mit der möglichen Entsendung deutscher UN-Soldaten ein Dauerthema in den Medien. Dabei kann der westeuropäische Medienrezipient leicht den Eindruck bekommen, dass im Kongo Gewalt und Zerstörung an der Tagesordnung seien. „Ich habe bei meinem letzten Aufenthalt im März dieses Jahres im Kongo nichts von diesen Bedrohungsszenarien erlebt“, berichtet Prof. Rolf E. Westerheide, Architekt und Stadtplaner aus Aachen und Mitglied im Vorstand der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Westerheide gründete im Juli 2004 mit einigen Mitstreitern aus verschiedenen Professionen den „Verein zum Aufbau und Austausch mit der Université du Kasayi (U.KA) Demokratische Republik Kongo e. V.“ Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Aufbau der erst 1996 von den acht Bischöfen der Region Kasayi gegründeten Universität von Kasayi durch den Transfer von Know-how zu unterstützen.  

Die Zusammenarbeit zwischen der Université Notre-Dame du Kasayi (U.KA) und der Rheinisch-WestfälischTechnischen Hochschule (RWTH) Aachen begann durch persönliche Kontakte. Sie ist inzwischen zu einem interdisziplinären Forschungsprojekt mit deutschen Partnern aus der RWTH und der Fachhochschule Aachen geworden.

 Planungs-Know-how gefragt

„Die Entwicklung technisch und klimatisch angepasster Gebäude, Infrastrukturen und städtebaulicher Ordnungen und die Schaffung neuer Identitäten, die für die jahrzehntelang geschundene Bevölkerung neue Hoffnungen geben kann, war immer ein Motor für unsere Arbeit“, erläutert Rolf Westerheide. Die schlechten finanziellen und technischen Voraussetzungen in der Demokratischen Republik Kongo und die besonderen klimatischen Bedingungen erlaubten zum Beispiel nur niedrige Gebäudehöhen bis maximal drei Geschosse, so dass der Campus großzügig in die Fläche geplant werden müsse. „Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist im Kongo von besonderer Bedeutung, weil die Universität sich langfristig selbst tragen muss.“ Die Gebäude und der gesamte Campus müssten deshalb besonders dauerhaft in Konstruktion und Materialität angelegt sein, günstig im Unterhalt und unaufwändig in der Pflege.  

Studenten eingebunden

Westerheide, der als Dozent am Lehrstuhl und Institut für Städtebau und Landesplanung der RWTH Aachen tätig ist und der im März 2006 von der Universität du Kasyi zum Professor berufen wurde, steht mit seinem Engagement nicht allein da. Neben seinen Mitstreitern im Verein hat er immer wieder Studierende seines Fachbereichs für Aufgabenstellungen, die mit der Entwicklung des Kongo-Projektes verbunden waren, begeistern können. Gemeinsam mit Prof. Kunibert Wachten entwickelte Westerheide wiederholt entsprechende Aufgabenstellungen für die Studentinnen und Studenten, die den Kollegen im Kongo als Grundlage für weitere Beratungen und Planungen dienen konnten. „An derartigen Aufgaben lassen sich unmittelbar die kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Bedingungen des Planens und Bauens vermitteln“, betont Westerheide den methodologischen Ansatz dieser Kooperation.

Die Universität du Kasayi nimmt eine herausragende Stellung ein als einzige Hochschule im Umkreis von mehr als 1.000 km. Ihre fachliche Spezialisierung zu stärken und ihr in der städtebaulichen Ordnung und in den verschiedenen architektonischen Aufgaben auch eine besondere Gestalt zu geben, ist erklärtes Ziel aller in dem Projekt beteiligten Architekten und Stadtplaner. Grundlage der Campusentwicklung ist ein von den Stadtplanern aus Aachen entwickelter und von kongolesischer Seite verabschiedeter, stark strukturierender Masterplan, der es erlaubt, flexibel einzelne Bau- und Infrastrukturvorhaben umzusetzen. Zusammenarbeit der Disziplinen

Allen beteiligten Planern des Projektes ist klar, dass die ambitionierte Aufgabe nur gelingen kann, wenn nach den Wahlen auch das finanzielle Engagement der Europäer für die Demokratische Republik Kongo vorangeht. „Aus planerischer Sicht ist dieses Projekt nur zu stemmen, wenn auch andere am Bauen beteiligte Fachleute sich mit engagieren“, betont Rolf Westerheide. Gefragt seien an erster Stelle die Ingenieure für Infrastrukturplanung aus den Bereichen Wasser, Abfall, Energie und die  Landschaftsarchitekten, die hier ein breites Betätigungsfeld vorfinden.

Als ersten Baustein des Campusareals entwarf Westerheide mit seinem Team vor zwei Jahren eine Poliklinik in Kananga. Sie soll die medizinische Versorgung der Bevölkerung der Region verbessern und gleichzeitig Ausbildungsstätte für die Medizinstudenten der U.KA sein. In enger Absprache der Aachener Architekten mit den kongolesischen Nutzern wurde ein Gebäudekomplex entworfen, der nach der Grundsteinlegung 2005 im März dieses Jahres in einer Ausführungs-, Werk- und statischen Planung präzisiert wurde. Im Sommer 2005 wurde dann in Kooperation mit dem Senior Expert Service (SES) durch Ingenieur Klaus Duschek eine Ziegelproduktion auf dem Campus installiert, die qualitativ hochwertige Ziegel in ausreichender Menge und zu niedrigem Preis produziert.

Im Mai 2006 wurde in Aachen mit dem Besuch des Rektors der kongolesischen Universität beim Rektor der RWTH Aachen von den beteiligten Hochschullehrern eine deutsch-kongolesische Universitätspartnerschaft unterzeichnet, die u. a. vorsieht, am Ende des Jahres eine Baufakultät für die U.KA auf den Weg zu bringen. Diese könnte, nach Vorstellung der Aachener Architekten, das Bauen, Planen und Umsetzen vor Ort zum integralen Bestandteil der Lehrkonzeption machen. 

Schulbau in Uganda

Auch Architekt Hans-Uwe Wunderlich aus Waltrop engagiert sich ehrenamtlich für ein Bildungsprojekt in einem Entwicklungsland. Im Förderverein „KaProVocSS - Bauen in Uganda“ setzt er sich für ein Schulprojekt in dem ostafrikanischen Land ein. „Es geht uns darum, in Katende, einem unterentwickelten, ländlichen Gebiet Ugandas, eine weiterführende Schule zu etablieren, um jungen Leuten, insbesondere Waisenkindern, eine Perspektive zu geben und zudem die grassierende Landflucht in dieser Region zu stoppen“, erläutert Hans-Uwe Wunderlich das Ziel des Vereins. 1.500 Schülerinnen und Schüler sollen so die Möglichkeit erhalten, eine moderne Schule zu besuchen, um qualifizierende Abschlüsse erzielen zu können. „Wir achten auf eine angemessene Aufnahme von christlichen und muslimischen Kindern und wollen insbesondere Mädchen zu einer guten Schulbildung ermutigen.“

In dem Förderverein für den Schulneubau haben sich engagierte Menschen aus verschiedenen beruflichen Disziplinen zusammen getan, die jeweils ihr spezifisches Know-how in die Entwicklungsarbeit einbringen. Mit Dr. Yusufu Ssalongo Kyeyune hat der Verein einen engagierten Gründer und ugandischen Vorsitzenden, der an der Universität Dortmund Informatik studiert hat und nunmehr sein Wissen für die Kinder in seiner Heimat nutzen möchte. „Als Architekt engagiere ich mich in diesem Projekt, um mein Fachwissen in die konzeptionellen und baulichen Aufgabenstellungen in Katende einzubringen und um einen Austausch zwischen deutschen und ugandischen Kollegen zu ermöglichen“, so Hans-Uwe Wunderlich. Der Entwurf für das Schulprojekt stammt von einem Architekten aus Uganda. 

Kooperation mit deutschen Partnern

Rund 400.000 €, so schätzt der Verein KaProVocSS, wird der Schulbau in der ersten Ausbaustufe kosten. Ein passendes Grundstück konnte mit Hilfe von Sponsoren und Förderern bereits erworben werden, erste Baumaßnahmen wurden realisiert, so dass nach Möglichkeit noch in diesem Jahr der Unterricht für die ersten Schülerinnen und Schüler aufgenommen werden soll. „Das Projekt verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz“, erläutert Architekt Wunderlich. Die Schule soll sich zum Teil selbst versorgen, etwa über eine benachbarte Bananenplantage. Die vorgesehene medizinische Betreuung für die Schülerinnen und Schüler soll auch der örtlichen Bevölkerung zugute kommen. „Es handelt sich um ein sehr ehrgeiziges Projekt, für das wir eine enge Partnerschaft mit deutschen Schulen und Hochschulen sowie berufsbildenden Schulen und Firmen eingehen möchten“, skizziert Wunderlich die Perspektive. Unterstützung sei jederzeit willkommen. 

Kontakte: 

Université du Kasayi (U.KA):
www.uka.ils.rwth-aachen.de
Architekt/Stadtplaner Prof. Dipl.-Ing. Rolf E. Westerheide, Tel.: (02 41) 7 24 80 

Schulprojekt Uganda:
www.kaprovocss.org
Architekt Dipl.-Ing. Hans-Uwe Wunderlich, Tel.: (0 23 09) - 78 59 57
Dr. Yusufu Kyeyune, Tel.: (02 31) 56 76 377 

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