Erfahrungen eines Düsseldorfer Architekten

Bauen in Russland

Angesichts der schlechten Situation auf dem Arbeitsmarkt richtet sich der Blick deutscher Architekten zunehmend ins Ausland. Wo liegen Chancen, was ist zu beachten, wenn man dort tätig werden will? In loser Folge berichten wir über die Erfahrungen, die Kolleginnen und Kollegen mit dem Export ihrer Planungsleistung gesammelt haben.

15. März 2004

Das Düsseldorfer Büro Eller + Eller gehörte zu den Pionieren. Architekt Erasmus Eller ging 1993 nach Moskau und eröffnete dort ein Büro, ohne einen Auftrag in der Tasche zu haben. Ein riskanter Schritt, doch Eller gelang es, Fuß zu fassen. Dass er sich gleichwohl nach sieben Jahren wieder zurückzog, lag an der Unsicherheit der Jelzin-Ära, die das gesamte Wirtschaftsleben lähmte. Heute schätzt Eller die Chancen für deutsche Architekten in Russland wieder besser ein. Allerdings sollte man nach seiner Erfahrung die Schwierigkeiten nicht unterschätzen. 

Probleme: Sprache und Baurecht 

Eines der Hauptprobleme für den Eintritt in den russischen Markt ist zunächst die Sprache. Wer nicht Russisch kann, muss Dolmetscher in Anspruch nehmen. Eine aufwändige Angelegenheit, schließlich müssen sämtliche Dokumente, vom Bauherrenvertrag bis zur Bauvorlage, in kyrillisch abgefasst sein. Die behördlichen Auflagen, etwa hinsichtlich Brandschutz und Denkmalschutz, gelten als mindestens ebenso streng wie in Deutschland. Und: In jeder Stadt gibt es einen Architekten-Beirat, dem größere Projekte vorgestellt werden müssen.Nicht unproblematisch ist auch die Frage der Ausführung. Russische Baufirmen genießen nicht den besten Ruf, daher ließ sich Eller von Botschaftsangehörigen türkische und jugoslawische Handwerker empfehlen.
Nach und nach entstand auf diese Weise ein Netzwerk zuverlässiger Firmen. Was Baustoffe angeht, so ist der russische Markt inzwischen gut bestückt, die Qualität der Produkte allerdings oft zweifelhaft. Eller bestellte hochwertige Materialien daher im Ausland. Konsequenz: „Die Fortschritte auf der Baustelle waren abhängig davon, wie die LKWs durch den Zoll kamen.“ Da war Improvisationstalent gefragt. Das Klima in Russland ist rau. Einer seiner Bauherren nahm an Besprechungen nur in Begleitung zweier Leibwächter teil, ein anderer setzte einen Unternehmer, der in Lieferschwierigkeiten steckte, so massiv unter Druck, dass es in Deutschland justiziabel gewesen wäre.
Generell gilt: Für einen russischen Bauherren ist es eine Frage der Ehre, dass sein Bau pünktlich fertig wird. Terminzusagen sind daher unbedingt einzuhalten.Doch wie kommt ein Newcomer überhaupt an Bauherren? Da ist „Networking“ angesagt. „Eine wichtige Kontaktbörse sind Empfänge“, ist Ellers Erfahrung. Eller akquirierte einige Aufträge von wohlhabenden Privatleuten, die „aus Prestigegründen einen Architekten aus dem Westen“ beauftragen wollten. Auch manche russische Firmen geben einem deutschen Planer den Vorzug, da Deutsche in Russland als besonders zuverlässig und gründlich gelten. Zudem kommen deutsche Firmen, die in Russland eine Präsenz aufbauen wollen, als Auftraggeber in Frage. Insgesamt realisierte Eller rund 15 Projekte. Nach einiger Zeit schaffte er es, bei den Aufträgen die HOAI zu Grunde zu legen. Üblicherweise müssen deutsche Architekten aber Abschläge gegenüber dem hiesigen Honorarniveau einkalkulieren, meint Elena Wohlreich. Die Architektin lebte und arbeitete in St. Petersburg, bevor sie 1993 nach Düsseldorf kam.  

Mit russischen Partnern arbeiten 

Wohlreich und Eller empfehlen Kollegen, die in Russland tätig werden wollen, sich eine Kontaktperson vor Ort zu suchen, etwa einen russischen Kollegen. Allerdings sehen russische Architekten die deutschen Kollegen als Konkurrenz – es sei denn, ein deutscher Architekten bringt Know-how mit, das vor Ort fehlt. Weitere Anlaufstellen sind die deutsche Botschaft, die Außenhandelskammer und der Verband der deutschen Wirtschaft in Russland (VDW), außerdem die russische Architektenkammer und „Mosproject“, das ehemalige Staatshochbauamt. Elena Wohlreich rät im Übrigen, für einen Auslandaufenthalt auch größere Städte in der Provinz ins Auge zu fassen. Dort sei der Architekten-Markt nicht so überlaufen wie in Moskau und St. Petersburg. Gefragt sind nach Einschätzung von Elena Wohlreich besonders Kenntnisse im Bereich Qualitätssicherung sowie technisches Wissen im Bereich der modernen Bautechnologien. Dr. Thomas Welter von der Bundesarchitektenkammer, der sich im Rahmen des „Netzwerks Architekturexport“ (NAX) mit Arbeiten im Ausland befasst, rät zur Vorsicht bei geplanten Aktivitäten in Russland: „Die Erfahrungen, die uns von deutschen Architekten geschildert werden, zeigen, dass der Eintritt in den russischen Markt kein einfacher ist.“  

Info-Kasten

Russland Fläche: 17 Mio. qkm
Einwohner: 148 Mio.
Bruttoinlandsprodukt: rd. 300 Mrd. US-Dollar 

Kontaktadressen:

Deutsche Botschaft Moskau, www.deutschebotschaft-moskau.ru
Außenhandelskammer, Büro Moskau,
 www.ahk.de
VDW, www.vdw.ru
NAX/Bundesarchitektenkammer: www.bak.de

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