Bauhaus - Moderne am Rhein
Auch dieser 90-jährige Jubilar erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Wie vielleicht sonst nur die Psychoanalyse, so ist das Bauhaus heute ein populärer Gemeinplatz geworden, für viele zum Synonym für die architektonische Moderne schlechthin. Nach wie vor schmücken die Möbelentwürfe der Protagonisten weltweit Firmenfoyers, noch immer produziert Thonet Freischwinger, werden Wagenfelds Lampen in Museen bewundert und prägt die Form- und Farbgebung die Vor-stellung eines modernen Lifestyle. Andererseits ist der Jubilar seit längerem eher eine Angelegenheit fürs Geschichtsbuch und muss obendrein als Quelle aller architektonischen Übel der späten Moderne herhalten.
Dass von hier aus Impulse für heutige Architektur ausgingen, werden nur wenige behaupten. Dennoch, am Ursprungsort Weimar, wo der Flame Henry van de Velde schon 1907 quasi als Vorläufer des Bauhaus die Großherzoglich Sächsische Kunstgewerbeschule gegründet hatte, sodann in Dessau, wohin das Bauhaus 1925 aus politischen Gründen wechseln musste, und schließlich Berlin, wetteifern mit zahlreichen Veranstaltungen um die Aufmerksamkeit des Publikums.
Auf Spurensuche an Rhein und Ruhr wird man seltener fündig – mit interessanten Ausnahmen: „Backsteingebäude, große Fenster mit exzellenter Aussicht, teilweise möbliert, namhafter Architekt“. Trotz des Inseratcharakters lässt sich das Objekt nicht erwerben; es handelt sich vielmehr um den Untertitel einer aktuellen Ausstellung im Krefelder Haus Lange, für die der amerikanische Konzeptkünstler John Baldessari in einer für das Haus entwickelten architektonischen Intervention die Fenster mit Panoramafotos aus Kalifornien verschlossen hat, um derart die Mies’sche Verschränkung von Innen und Außen ironisch zu konterkarieren.
Auch eine zweite Ausstellung im Herbst wird Bezug auf den Meister nehmen: Der Engländer Blaise Drummond präsentiert in seinen Bildern eine „poetische Annäherung zwischen Architektur und Natur“, die mit Mies’schen Motiven arbeitet. Vielleicht ist die zeitgenössische künstlerische Auseinandersetzung mit den Bauhaus-Ikonen tatsächlich die heute aufschlussreichere Art und Weise, sich mit den Nachwirkungen der Moderne zu befassen.
In eher klassischer Manier erinnert man sich hingegen in Aachen seines großen Sohnes: Der Mies van der Rohe Haus-Verein wird im September im Super C der RWTH eine Ausstellung organisieren und als Hauptexponat ein Modell des Entwurfs von Mies aus dem Jahr 1968 für das Verwaltungsgebäude der Aachener Vegla präsentieren. Sogar der Enkel und Mitarbeiter im Büro von Mies, Dirk Lohann, wird aus den USA anreisen und einen Vortrag halten. Vielleicht kann der Aachener Verein zukünftig sogar eines seiner Hauptziele realisieren: Die Rekonstruktion des Mies’schen Glasraums von 1929. Reichhaltige Bauhaus-Spuren finden sich bekanntlich in Krefeld. Nicht nur haben die Bauhaus-Lehrer Georg Muche und Johannes Itten an der Textilingenieurschule Textilkunst unterrichtet. Vermutlich lässt sich in keiner anderen Stadt der architektonische Aufbruch der Zeit so prägnant als Öffnung und Abkehr vom Prinzip des schützend-bürgerlichen Wohnhauses studieren wie in Krefeld, wo die beiden Backstein-Industriellenvillen Lange und Esters aus den späten 20er Jahren ihre weiße Fortsetzung in der vermutlich Mies zuzuschreibenden Villa Heusgen am Hülser Berg finden. Hierüber wie über weitere Krefelder Projekte von Mies sollen Forschungen Klarheit bringen.
Historisch gesehen, hätte das Bauhaus statt in Weimar eigentlich auch in Hagen seinen Sitz finden können. Hier hatte der Mäzen und Industrielle Karl Ernst Osthaus unter dem Einfluss von van de Velde die stark Bauhaus-verdächtige Idee der künstlerischen Gestaltung des sozialen Lebens schon zu erproben begonnen: „Ich stehe noch unter dem Zauber dessen, was Sie mir gestern zu sehen gestatteten“, soll Le Corbusier im Mai 1911 an Osthaus geschrieben haben, nachdem er am Tag zuvor die Folkwang-Projekte des Mäzens besichtigt hatte. In Hagen hatte Osthaus bereits 1901 die Folkwang Malschule gegründet und 1902 das erste, der modernen Kunst gewidmete Museum bauen lassen. Osthaus plante eine Künstlerkolonie, Werkstätten, Silberschmieden und ein „Hagener Handfertigkeitsseminar“, Bruno Taut sollte die gläserne „Stadtkrone“ errichten und Henry van de Velde entwarf 1906 - 1908 für Osthaus dessen Privatvilla Hohenhof als Gesamtkunstwerk, das auch heute zu besichtigen ist.
Einen großen Teil der Pläne verhinderte der erste Weltkrieg, doch lässt sich auf Hohenhof und im ab August wiedereröffneten Karl Ernst Osthaus Museum die Jugendstilkunst des Flamen und Urvaters des Bauhauses bewundern. Und schließlich steht in Hagen auch die 1910 erbaute Villa Cuno; entworfen hat sie kein Geringerer als Peter Behrens; Assistent war Walter Gropius. Lässt sich dem Bauhaus überhaupt ein einheitlicher architektonischer Stil zuschreiben? Abgesehen davon, dass der Begriff den Protagonisten, weil zu akademisch, nicht gefallen hätte, so verdankt sich die verbreitete Vorstellung von asymmetrisch angeordneten, weiß verputzten kubischen Baukörpern, von Flachdächern und horizontalen Fensterbändern eigentlich erst der von Gropius durchgesetzten Formensprache. Es sind vor allem dessen Dessauer Meisterhäuser, die dieses etwas reduzierte Bild der frühen Moderne geprägt haben. Manchmal sind die Verbindungen und Überschneidungen nicht weniger interessant.
Für das Ruhrgebiet und das Rheinland jedenfalls war der Backsteinexpressionismus historisch prägender. Sowohl das Umspannwerk Recklinghausen, die Zechenbauten auf Zeche Zollverein und in Gelsenkirchen von Schupp und Kremer oder die Verwaltungsbauten von Alfred Fischer – allen voran das Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen - demonstrieren mit ihren klaren Linien, wie elegant jener noch im Dienst repräsentativer Funktionen stehende Expressionismus die Verbindung mit der neuen Sachlichkeit einzugehen vermochte. Zur Moderne hinzurechnen darf auch das Disch-Haus von Bruno Paul in Köln aus den späten 20er Jahren mit seiner schwungvoll gekrümmten Fassade, das unlängst saniert wurde, ebenso wie die 1930 nach Plänen von Schwarz und Schwippert in Aachen erbaute Kirche St. Fronleichnam, das Wohnhaus Wach in Düsseldorf oder das unlängst sanierte Haus Vogelsang in Krefeld von Bernhard Pfau, das die Bauhaus-Formsprache nach dem Krieg wiederaufnimmt.
Fazit: Die Bauhaus-Moderne bietet auch im Westen vielfältige Ansichten.
Gespräch mit Peter Kulka
Peter Kulka führt renommierte Architekturbüros in Köln und Dresden. Er hat an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin-Weißensee studiert - u. a. beim Bauhausschüler Selman Selmanagic.Das Bauhaus ist einerseits ein Welterfolg, andererseits immer umstritten gewesen: Wie ist Ihre Position zur historischen Rolle des Bauhaus?
Ich bin gegen Mythifizierungen und Legendenbildung, auch was das Bauhaus betrifft. Etwas heilig zu sprechen, ist kontraproduktiv. Dazu gehört auch, dass es parallel zum Bauhaus auch vergleichbare internationale Strömungen gab, so zum Beispiel in Holland und in Russland. Das Bauhaus kam ja nicht aus dem Nichts und wurde durch zum Teil sehr unterschiedliche Personen bestimmt. Aufbauend und sich wegbewegend von den frühen Ansätzen der Reformer, entwickelten sich im Bauhaus radikalere Ideen auf der Basis von neuen soziologischen, technologischen und künstlerischen Erkenntnissen.
Das Problematische ist, dass man mit der Zeit diesen ganzheitlichen Ansatz zugunsten von einzelnen Komponenten aufgegeben hat und in Verbindung damit sich schließlich Defizite herauskristallisierten, die letztlich nicht zum Verständnis der Moderne „beigetragen“ haben. Ich denke hier zum Beispiel auf die Konzentration auf rein technologische Prozesse. Dies wiederum hat zu Frontenbildungen geführt, die in der Diskussion zwischen Traditionalisten und Modernisten gipfelt. Ich meine, dass uns diese Diskussion zum heutigen Zeitpunkt so nicht mehr weiter bringt.
Das Bauhaus hat nun aber doch viele Dinge angestoßen und erneuert. Ist heute keine Zeit mehr für Avantgarde?
Man muss einfach den gesellschaftlichen Hintergrund des Bauhaus sehen. Es war verknüpft mit den politischen Überzeugungen der Beteiligten. Die generelle Situation war damals überdies die einer Industriegesellschaft, die auch von Ausbeutung gekennzeichnet war. Es gab drängende soziale, nicht nur ästhetische Fragen. Fragen, die mit traditionalistischen Auffassungen und handwerklichen Praktiken nicht mehr zu lösen waren. So sind die Bauhäusler auch angetreten, um neu entstandene Probleme wie den sozialen Wohnungsbau zu lösen. Gleichzeitig sind sie jedoch auch als Provokateure aufgetreten. Diese provokatorische Richtung – und jeder Mensch hat sicher neben einer traditionellen auch eine provokative Ader – ist alsbald in die Jahre gekommen und hat sich gewissermaßen verschlissen.
Zu Bauhauszeiten scheint die Architektur jedenfalls eine wichtige Rolle innerhalb der Gesellschaft gespielt zu haben.
Das ist allerdings wahr. Die Architektur ist zu Bauhauszeiten ein ideologisch weit wichtigerer Teil der Gesellschaft gewesen als dies heute der Fall ist. Mit den modernen bebilderten Massenmedien hat die Architektur einen fordernden Konkurrenten bekommen. In Sachen Architektur stellt jetzt eine scheinbar emanzipierte Gesellschaft die Aufgaben. Wenn Sie unsere Schlossdebatten in Berlin, Potsdam oder Dresden verfolgen, so sieht man, wie die Politik, getrieben von Wünschen der Gesellschaft zu den merkwürdigsten Entscheidungen kommt, ohne sich wirklich ernsthaft mit der Thematik auseinanderzusetzen. Aber die Gesellschaft hat durch ihre Wahlen eben vorher entschieden und im Endeffekt müssen wir als Architekten aus dieser Situation dann das Beste machen.
Sie selbst haben an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin-Weißensee studiert unter anderem beim Bauhausschüler Selman Selmanagic. Auch eine Art Bauhausschule?
Jedenfalls wurden dort verschiedene Kunstrichtungen gelehrt, nicht nur Architektur. Insofern gab es neben persönlichen auch inhaltliche Bezüge zum Bauhaus. Die Klassen waren sehr klein; es gab ein gemeinsames Grundausbildungsjahr, in dem man sich mit Bildhauerei, Design, Bühnenbild befasste und Fragestellungen zum Beispiel über Farbgestaltung diskutieren konnte. In der heutigen Architektenausbildung sind solche gemeinsamen Ausbildungsprozesse eher selten.
Ich deutete ja bereits an, dass die Moderne seit dem Bauhaus mannigfache Verwandlungen erfahren hat. Hinzu kommt dass wir diese Moderne heute vor dem Hintergrund schwerster Zerstörungen und Totalverlusten in unseren Städten anders sehen. Natürlich hat sie auch selbst einen Teil ihrer Provokation verloren, dadurch dass sie alltäglich geworden ist.So interessiert mich heute bei meiner Arbeit wieder mehr das Zusammenspiel zwischen dem jeweiligen Ort und der speziellen Aufgabe – weniger das Provokative. Manchmal muss es kühn und manchmal zurückhaltend sein.
Sie selbst scheinen die Frage Moderne und Tradition architektonisch nicht prinzipiell zu beantworten zu wollen.
Ich liebe die Tradition und ich liebe die Moderne. Ich mag es wenn Historie und Moderne miteinander korrespondieren und eine Symbiose bilden. So wie zum Beispiel am Dresdner Schloss die neue Kuppel über dem historischen Kleinen Schlosshof. Obwohl ich persönlich einer minimalistischen Architektur zugetan bin, muss ich erfahren, dass beim Schlossbau diese Haltung nicht immer die richtige Antwort ist. So kommt man automatisch an die Stelle, wo Adolf Loos zu Beginn der Moderne stand – nur umgekehrt.
Die Frage lautet heute: Wie sieht eine Moderne aus, die den Menschen für seine Emotionen Wieder mehr Detail gibt? Manchmal reicht eben auch das von mir sehr hochgehaltene Diktum von Mies „Weniger ist mehr“ nicht: Auch der immer wieder zitierte Satz von der Einheit von Raum, Körper und Konstruktion ist ja heute so unmittelbar nicht mehr umzusetzen.
Warum gibt es eigentlich am Rhein so wenig Bauhaus-Beispiele? Haben Sie eine Erklärung?
Es hat wohl mit der Mentalität der Rheinländer und im Besonderen mit Köln als der größten Stadt des Landes zu tun. Die meisten Menschen haben hier zu avantgardistischen Richtungen eher keine Beziehung, übrigens auch wenig zur Gestaltung ihres städtischen Umfeldes. Hier in dieser katholischen, karnevalistisch geprägten Stadt liebt man eher eine etwas weniger diffizile und direktere Bildhaftigkeit. Zu den wenigen Bauten der frühen Moderne hier im Rheinland, wie zum Beispiel das Haus Lange in Krefeld, gehen auf die Initiative einzelner aufgeschlossen denkender Bauherren zurück. Den Menschen hierzulande waren Bauten der zweiten Architektengeneration, wie zum Beispiel von Rudolf Schwarz, Hans Schwippert oder Wilhelm Riphahn näher.
Teilen via