Kommunikation wagen!

„Beredte Sprachlosigkeit“ von Architektinnen und Architekten

Das Kommunikationsverhalten der deutschen Architektinnen und Architekten ist vielfach als „selbstreferenziell“ und wenig an einer breiteren interessierten Öffentlichkeit orientiert kritisiert worden. In einem Symposium mit dem Titel „Beredte Sprachlosigkeit“ hat die RWTH Aachen in diesem Frühjahr die Thematik aufgegriffen und in Vorträgen und Arbeitsgruppen erörtert. Der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Hartmut Miksch, hat im einem Impulsreferat seine langjährigen Beobachtungen und Erfahrungen als Architekt und Standesvertreter in die Veranstaltung eingespeist. Wir fassen seine zentralen Thesen im Folgenden zusammen, um die zweifellos notwendige Diskussion weiter voran zu treiben.

06. Juli 2006von Hartmut Miksch

Architekten als „Sprachgestörte Autisten“ – ich gebe gerne zu, dass mich dieser Titel für eine Arbeitsgruppe innerhalb dieses Symposiums zunächst durchaus irritiert hat. In meiner langjährigen Tätigkeit als freischaffender Architekt kann ich mich nicht daran erinnern, jemals unter Sprachstörungen gelitten zu haben, und ich habe auch bisher keine autistischen Züge feststellen können - weder an mir selbst, noch an den vielen Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich zu tun hatte und habe.

Die Bedeutung dieses Titels wird, so glaube ich, erst dann klar, wenn man seinen Ursprung beleuchtet. Im Jahr 2002 veröffentlichte der Chefredakteur des Deutschen Architektenblattes, Oliver G. Hamm, einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung, in dem er den Begriff „kommunikationsgestörte Autisten“ verwendete – dort gemeint als Kritik an den zum XXI. UIA-Weltkongress in Berlin geladenen Architekten, die über nichts anderes als ihr eigenes Werk zu referieren wussten. Derselbe Artikel fand kurz darauf in gekürzter Fassung auch Eingang in das Deutsche Architektenblatt und wurde in der Fachwelt durchaus kritisch gewürdigt. Der provokante Begriff vom „autistisch kommunizierenden Architekten“ muss also sinnbildlich verstanden werden und soll journalistisch-schlagwortartig vermeintliche Defizite der Architekten in der Kommunikation mit dem Rest der Gesellschaft charakterisieren. 

Vornehme Zurückhaltung?

Gerhard Matzig, selbst Architekt und Redakteur der Süddeutschen Zeitung, zitierte den Begriff des „autistischen Architekten“ vor einigen Monaten in einem eigenen Beitrag, der sich mit den Schwierigkeiten junger Architektinnen und Architekten am Arbeitsmarkt und der Veränderung des Berufsbildes der Architekten auseinander setzte. Matzig bezeichnet den von Architekten meiner Generation verinnerlichten Satz „Der Architekt wirbt nur durch sein Werk“ als „ritterlich, aber lebensfremd“. Er stellt die offensiven und unkonventionellen Vorgehensweisen mancher jüngeren Kollegen bei der Vermarktung ihrer Leistungen der vermeintlich passiven Haltung älterer Kollegen gegenüber.

Unstrittig ist zu konstatieren, dass der Markt für Architekten bereits seit mehr als zehn Jahren zunehmend schwierig geworden ist. In der aktuellen ifo-Umfrage bezeichnete die Hälfte der Teilnehmer die aktuelle Geschäftslage insgesamt weiterhin als „schlecht“. Können sich Architekten vor diesem Hintergrund noch Aussagen erlauben wie „Der tätige Architekt ist kein Dienstleister“, die ich kürzlich in einem Leserbrief im Deutschen Architektenblatt gelesen habe? Müssen wir nicht vielmehr unsere Leistungen offensiv  bewerben?Werbung ist zulässig!

Ich möchte in diesem Zusammenhang ein verbreitetes Missverständnis richtig stellen: „Architekten dürfen nicht werben“ - diese Aussage hält sich hartnäckig in der Öffentlichkeit und auch in der Architektenschaft. Dabei stimmt sie schon seit langem nicht mehr.

Architekten dürfen in allen Medien werben. Die Werbung muss natürlich sachlich und berufsbezogen sein, und dem Ansehen des Berufsstandes darf kein Schaden zugefügt werden. Unzulässig sind demnach unzutreffende, nicht nachprüfbare oder übertriebene Aussagen sowie vergleichende Werbung. Weiterhin dürfen Architekten als Freiberufler und unabhängige Treuhänder des Bauherrn nicht für Bauprodukte, Bauleistungen oder andere gewerbliche Leistungen werben. Ansonsten bieten sich dem Architekten vielfältige Möglichkeiten, seine Leistungen öffentlich bekannt zu machen. 

Doch wenn Werbung erlaubt ist, warum sieht man dann so selten Werbeanzeigen oder Spots von Architekten, obwohl offensive Akquisition von Planungsaufträgen für die Kollegen von existenzieller Bedeutung ist? Ich denke, manchem erscheint es vielleicht  einfacher, auf dem vermeintlichen Verbot zu beharren, statt sich mit seiner Präsenz in den Medien zu befassen.

Kommunikation intensivieren

Doch auch wenn die Bereitschaft zu eigenen Werbemaßnahmen vorhanden ist: Wie können Architekten mit der Öffentlichkeit kommunizieren? Wie können sie ihre Leistungen interessierten Laien und potenziellen Bauherren verständlich erläutern? Wie können sie den Mehrwert der individuellen Planung von Bauprojekten gegenüber dem schlüsselfertigen Einerlei verdeutlichen, das von Bauträgern oder Fertigbauunternehmen angeboten wird? Auch hier scheinen insbesondere diejenigen Kollegen gehemmt, die schon länger im Berufsleben stehen – und denen zu Zeiten ihres Studiums eingeprägt wurde, dass die Sprache des Architekten die Zeichnung sei.

Gerhard Matzig führte in seinem Beitrag in der Süddeutschen weiter aus, dass die seinerzeitige Kritik der gewählten Vertreter unseres Berufsstandes an Oliver G. Hamm einen Beweis für den „Autismus“ auch der Funktionäre darstelle. Ich stelle mir durchaus die Frage, ob wir – die Architektenkammer - unsere Mitglieder noch stärker bei der Vermarktung ihrer Leistungen und bei der positiven Darstellung des Berufsstandes in der Öffentlichkeit unterstützen müssen.  Maßnahmen der Architektenkammer

Mit unserem „Haus der Architekten“ im Düsseldorfer Medienhafen haben wir ja bereits an prominenter Stelle ein Kommunikationszentrum geschaffen, in dem die Tätigkeit der Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner durch Ausstellungen, Vorträge und Publikationen für jedermann verständlich präsentiert werden. Die gute Resonanz auf unsere Veranstaltungen belegt, dass ein entsprechendes Interesse durchaus - zumindest latent - vorhanden ist und bedient werden sollte.

Unsere Akademie bietet im Rahmen ihres umfangreichen Fortbildungsangebotes für unsere Mitglieder auch Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung, zu Rhetorik und Selbstdarstellung, zur Präsentation von Planungen und zur Akquisition neuer Kunden an. Die Seminare sind gut besucht. Allerdings frage ich mich manchmal, ob die Teilnehmer die erlernten Kenntnisse nur dazu einsetzen, ihr eigenes Werk sprachgewaltig darzustellen; oder verbessert sich tatsächlich die Kommunikation zwischen Architekten und ihren potenziellen und tatsächlichen Bauherren? 


Jeder Einzelne ist gefordert!

Dass eine große Zahl von Kollegen das Thema Öffentlichkeitsarbeit noch nicht verinnerlicht hat, belegen auch diese Zahlen: In Nordrhein-Westfalen gibt es ungefähr 7.000 freischaffende Architekturbüros. Die Architektenkammer hat vor mehreren Jahren eine Datenbank in ihre Homepage im Internet integriert, in die sich jedes Büro kostenlos eintragen und seine Leistungsschwerpunkte darstellen kann. Bisher haben rund 2.000 Büros von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Das ist ein erfreulicher Anfang - man fragt sich aber doch, warum die anderen rund 5.000 Büros diese kostenlose und stark frequentierte Werbeplattform nicht nutzen.

Ein anderes Beispiel: Die mit Abstand erfolgreichste Veranstaltung, bei der Architekten mit der interessierten Öffentlichkeit über ihr Wirken diskutieren können, ist der „Tag der Architektur“ in Nordrhein-Westfalen. Er wird von immer mehr Mitgliedern der AKNW als effektiver Werbe- und Kommunikationstermin wahrgenommen. Genau 537 neue und erneuerte Objekte waren am 17. und 18. Juni dieses Jahres in NRW für Besucherinnen und Besucher geöffnet. Bemerkenswert ist dabei, dass am Tag der Architektur gerade kleinere Objekte wie Wohnhäuser, die häufig von jüngeren Kollegen oder kleineren Büros geplant worden sind,  zu den Publikumsmagneten gehören. Der Erfolg des „Tages der Architektur“ ist auch deshalb erfreulich, weil der Architekt hier unmittelbar für sich und seine Tätigkeit werben kann – und zwar nicht durch Statements in Fachzeitschriften oder auf elitären Kongressen, sondern im besten Sinne des Wortes mit seinem Werk und vor der interessierten Öffentlichkeit.

Doch bei allem Erfolg der Veranstaltung: Sind 537 Teilnehmer bei etwa 7.000 Büros in NRW nicht immer noch zu wenig? Ich appelliere an alle Architektinnen und Architekten, die bestehenden Angebote zur öffentlichen Darstellung ihrer Leistungen zu nutzen!

Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen bietet ihren Mitgliedern über eine umfassende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vielfältige Ansatz- und Anknüpfungspunkte, um eigene Werbe-, PR- und Kommunikationsstrategien zu entwickeln. Bei einer Zahl von über 30.000 Mitgliedern in NRW kann die Kammer dabei nur den Rahmen stellen - die Umsetzung vor Ort bleibt jedem und jeder Einzelnen überlassen.

Provozierende Aussagen wie der Begriff vom „autistischen Architekten“ mögen uns ärgern und provozieren - sie können aber auch wachrütteln und notwendige Diskussionsprozesse vorantreiben. Eine offene, aktive Kommunikation mit Bauherren, der Öffentlichkeit und den Medien ist zweifellos fester Bestandteil unseres Berufsbildes. 

Hartmut Miksch ist Präsident der AKNW und freischaffender Architekt in Düsseldorf.

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